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Cotranslationaler Proteintransport

Als cotranslationaler Proteintransport oder cotranslationale Translokation wird in der Zellbiologie ein
Vorgang bezeichnet, bei dem schon während der Translation die sich bildende Polypeptidkette eines
Proteins in bzw. durch eine Biomembran transportiert wird. Davon unterschieden wird ein
posttranslationaler Proteintransport genannter Vorgang, mit dem erst nach der Translation das somit
vollständig gebildete Protein transportiert wird.

Vorkommen
Bei Eukaryoten kommt cotranslationaler Proteintransport vor allem bei Transport durch oder in die
Membran des endoplasmatischen Retikulums (ER) vor. Durch Vesikeltransport können sich die
membrangebundenen Proteine in die Membranen anderer Organellen oder in die Cytoplasmamembran über
den sekretorischen Weg verteilen. Die aus diesem Grund an der ER-Membran sitzenden Ribosomen geben
dem rauen ER seinen Namen.

Bei Prokaryoten kommt cotranslationaler Proteintransport an der Cytoplasmamembran vor.

Mechanismus
Der Transportprozess beginnt
mit der spezifischen Erkennung
der N-terminalen Signalsequenz.
Sobald diese an der Oberfläche
des Ribosoms erscheint, wird sie
vom Signalerkennungspartikel
(signal recognition particle,
SRP) gebunden, das im Säuger
aus sechs Proteinen und einer
7SL-RNA besteht. Das
gebundene SRP interagiert
dabei nicht nur mit der
Signalsequenz, sondern auch
mit dem Ribosom, wodurch die
Synthesegeschwindigkeit der
naszierenden Polypeptidkette
herabgesetzt wird. SRP ist somit
Modell des cotranslationalen Proteintransportes durch die ER-Membran in
in der Lage, das Ribosom zur Säugerzellen
ER-Membran zielzuleiten, ohne
dass vorher das zu
transportierende Protein fertiggestellt wird. An der ER-Membran angelangt, interagiert der Komplex aus
Ribosom, naszierender Peptidkette und SRP auf zweifache Weise mit der Membran. Zum einen wird das
SRP von seinem membranständigen Rezeptor (SRP-Rezeptor) gebunden, zum anderen interagiert das
Ribosom direkt mit dem tunnelbildenden Sec61-Komplex (bei Säugern bestehend aus Sec61A1, Sec61B
und Sec61G). Nachdem SRP und SRP-Rezeptor aneinander gebunden haben, löst sich das SRP unter
GTP-Hydrolyse vom Ribosom und übergibt die naszierende Polypeptidkette an den eigentlichen
Translokationsapparat. Die genauen Prozesse sind noch Gegenstand der Forschung.

Im Säugersystem konnte in Rekonstitutionsexperimenten gezeigt werden, dass neben dem SRP-Rezeptor


nur noch zwei weitere Komponenten in der Membran benötigt werden, um Proteine in vitro cotranslational
zu transportieren. Es handelt sich dabei um das TRAM-Protein (translocating chain-associated membrane
protein) und um den heterotrimeren Sec61-Komplex. Quervernetzungsexperimente sowie
elektronenmikroskopische Untersuchungen zeigten, dass der Sec61-Komplex den Kanal bildet, durch den
die Proteine hindurchtransportiert werden. Der Kanal wird dabei von drei bis vier heterotrimeren Sec61-
Komplexen gebildet, die im elektronenmikroskopischen Bild als ringförmige Struktur erscheinen.

Die Insertion der naszierenden Kette in den Translokationskanal erfolgt in zwei Schritten. Zu Beginn des
Translokationsprozesses ist die Bindung zwischen Sec61-Komplex und Ribosom relativ schwach. Die
Ribosomen können durch eine Hochsalzbehandlung von der Membran abgewaschen werden. Erst wenn
die naszierende Kette eine Länge von ca. 70 Aminosäuren erreicht hat und eine funktionelle Signalsequenz
vorhanden ist, erhöht sich die Bindung zwischen Ribosom und Sec61-Komplex – selbst unter
Hochsalzbedingungen lösen sich nicht Ribosomen von der Membran ab. Gleichzeitig öffnet sich der
Translokationskanal zur luminalen Seite des ER. Durch elektronenmikroskopische Aufnahmen konnte
gezeigt werden, dass das Ribosom so auf der Membranpore sitzt, dass der Sec61-Kanal eine Verlängerung
des Ribosomenkanals darstellt. Die GTP-abhängige Synthese der naszierenden Kette am Ribosom reicht
als alleinige Kraft aus, um die naszierende Polypeptidkette ins Lumen des ER zu transportieren.

1. Die Signalsequenz der wachsenden Polypeptidkette wird vom SRP erkannt und gebunden.
Gleichzeitig interagiert das SRP auch mit dem Ribosom, wodurch es zu einem
Elongationsarrest kommt.
2. Der Komplex aus Ribosom, naszierender Polypeptidkette und SRP bindet an die ER-
Membran an den Sec61-Komplex, diese Bindung wird durch einen membranständigen
SRP-Rezeptor vermittelt.
3. Nach GTP-Hydrolyse löst sich SRP vom Ribosom, dieses wird auf den Sec61-Komplex
übertragen. Es erfolgt ein zweiter Signalsequenzerkennungsschritt durch den Sec61-
Komplex.
4. Der Translokationskanal öffnet sich zum ER-Lumen. Der N-Terminus der naszierenden
Kette liegt in einer Haarnadelkonformation vor, wobei der eine Teil der Schleife von der
Signalsequenz und der andere Teil von den C-terminal nachfolgenden Abschnitten der
Polypeptidkette gebildet wird. Die Signalsequenz interagiert dabei mit Sec61a, TRAM und
Membranlipiden. Durch die weitere Elongation der Polypeptidkette wird der C-terminale
Bereich der Schleife durch die Membran geschoben. Die Signalsequenz wird dabei vom
restlichen Protein durch den Signalpeptidasekomplex (SP-Komplex) abgespalten.
5. Anschließend wird die restliche naszierende Polypeptidkette direkt durch den von Ribosom
und Sec61-Komplex gebildeten Kanal ins Lumen des ER transportiert.

Literatur
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Volltextzugriff, englisch)
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Diese Seite wurde zuletzt am 25. März 2020 um 21:46 Uhr bearbeitet.

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