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(Akute Tonsillitis)
Zuletzt bearbeitet: 12.01.2023
Redaktionsprinzipien
FRAGEN
KLINIK
ARZT
GELERNT
Abstract
Die akute Angina tonsillaris oder akute Tonsillitis ist eine Entzündung der Gaumenmandeln (Tonsilla palatina) und betrifft insb. Kinder und junge
Erwachsene. Sie tritt häufig gemeinsam mit einer Entzündung des Rachens (Tonsillopharyngitis) in Erscheinung. Viren oder β-
hämolysierende Streptokokken der Gruppe A sind typischerweise auslösende Erreger der Erkrankung, die durch Halsschmerzen und
Schluckbeschwerden symptomatisch wird. I.d.R. ist der Verlauf selbstlimitierend. Bei starkem Krankheitsgefühl und protrahiertem Verlauf sollte
bei Verdacht auf eine bakterielle Genese eine Antibiotikatherapie (in erster Linie mit Penicillin V) erfolgen, um insb. immunogene
Folgekrankheiten wie die akute Poststreptokokken-Glomerulonephritis (APSGN) oder das akute rheumatische Fieber (ARF) zu verhindern. Bei
rezidivierenden akuten Tonsillitiden kann eine operative Therapie in Erwägung gezogen werden, deren Indikation heutzutage zurückhaltend
gestellt wird.
NOTIZEN
FEEDBACK
Definition
Laut Leitlinie soll bei Patienten mit akuten Halsschmerzen mit und ohne Schluckbeschwerden immer die Festlegung auf eine Diagnose „akute
Tonsillitis“, „akute Pharyngitis“ oder „akute Tonsillopharyngitis“ erfolgen [1][2]
Akute Tonsillitis (auch: akute Angina tonsillaris): Entzündung der Tonsillen über das physiologische Maß hinaus, also mit zusätzlich
bestehender klinisch relevanter Symptomatik wie Schmerzen und/oder Fieber
Akute Pharyngitis: Entzündung des Rachenraumes ohne Entzündung der Tonsillen
Akute Tonsillopharyngitis: Kombinierte Entzündung von Rachenraum und Tonsillen (mit zusätzlich bestehender klinisch relevanter
Symptomatik)
Rezidivierende (akute) Tonsillitis: Wiederholtes Auftreten akuter Tonsillitiden mit beschwerdefreien oder -armen Intervallen
o Eine genaue Anzahl an Tonsillitiden ist hierbei nicht festgelegt
o Wiederholte akute Tonsillitiden führen zur Fibrosierung der Tonsille, Ausbreitung der Entzündung auf das Peritonsillargewebe
(„Peritonsillitis“) und zur Fixierung der Tonsille in ihrem Bett → Fehlende Luxierbarkeit
o Tonsillengröße hat kaum Bedeutung im Hinblick auf die Diagnose einer rezidivierenden akuten Tonsillitis
NOTIZEN
FEEDBACK
Epidemiologie
Altersgipfel: Im Schulkindalter, generell in jedem Alter möglich
Inzidenzzahlen: Nicht vorhanden
Prävalenzzahlen: Nicht vorhanden
Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die epidemiologischen Daten auf Deutschland.
NOTIZEN
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Ätiologie
Der Nachweis pathologischer Erreger ist nur bei 50–66% aller Tonsillitiden möglich.
Viral (in 70–95% aller Fälle): Dann häufig im Rahmen einer 'Erkältungskrankheit' in Verbindung mit Rhinitis und/oder Pharyngitis
o Rhinovirus, Coronavirus
o Adenovirus
o Influenzavirus A und B, Parainfluenzavirus
o Epstein-Barr-Virus (EBV, sog. Humanes-Herpes-Virus-4 (HHV4))
o Enteroviren (einschließlich Coxsackieviren )
o Respiratorisches Syncytial-Virus (RSV)
o Seltene Erreger: Zytomegalievirus (CMV) und Humanes Immundefizienzvirus (HIV)
Bakteriell
o Streptococcus pyogenes : Häufigster bakterieller Erreger der akuten Tonsillitis (15–30% aller Fälle)
o Weitere bakterielle Erreger z.B. Staphylokokken-Spezies, Pneumokokken
β-hämolysierende Gruppe-C- und Gruppe-G-Streptokokken
Sehr selten: Haemophilus influenza B, Corynebacterium ulcerans, Corynebacterium/Arcanobacterium
haemolyticum, Francisella tularensis, Yersinia pestis, Yersinia enterocolitica, Treponema pallidum, Mycoplasma
pneumoniae, Neisseria gonorrhoeae, Chlamydia pneumoniae und Chlamydia psittaci
o Sonderformen
Angina Plaut-Vincenti (sog. Tonsillitis ulcerosa, Tonsillitis ulceromembranacea)
Mischinfektion mit Spirochäten (Treponema vincentii u.a.) und Fusobakterien (Fusobacterium nucleatum
u.a.)
Tonsillen- bzw. Rachendiphtherie (Corynebacterium diphtheriae): Sehr selten, aber hochrelevant, kann zur akuten
Notfallsituation durch Atemwegsobstruktion und Ersticken führen
Lemierre-Syndrom (Fusobacterium necrophorum)
Weitere Erreger
o Angina agranulocytotica (opportunistische Erreger wie Anaerobier, Pseudomonaden und Candida-Spezies): Bei
immunsupprimierten Patienten (v.a. Agranulozytose) [1]
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FEEDBACK
Klassifikation
Die akute Tonsillitis wird anhand ihres Ausbreitungsstadiums unterteilt .
Angina catarrhalis
Angina follicularis
Angina lacunaris
Sind toxinbildende Gruppe-A-Streptokokken (Streptococcus pyogenes) Auslöser, können deren Toxine zu Scharlach führen.
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Symptome/Klinik
Es können sich unterschiedliche, oft unspezifische Symptome zeigen, die meist nicht auf den Auslöser schließen lassen.
Diagnostik
Körperliche Untersuchung mit Inspektion des Rachens
o Zervikale Lymphadenopathie (schmerzhaft geschwollene Kieferlymphknoten)
o Lokalbefund
Starke Rötung und Schwellung der Tonsillen
Ggf. Fibrinbeläge und Stippchen (gelb-weißliche Beläge) auf den Tonsillen
Lakunenartig erweiterte Krypten
Rachenabstrich
o Streptokokken-Schnelltest (hochspezifisch, aber wenig sensitiv)
o Bakteriologische Kultur
Blutuntersuchung (als Teil der Routinediagnostik nicht sinnvoll)
o Entzündungsparameter (CRP↑, BSG↑, Leukozytose)
o Bestimmung des Antistreptolysin-Titers
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Weiterführende Diagnostik
Diagnostische Verfahren [1]
Rachenabstrich
o Indikation: Bei positivem Centor-/McIsaac-Score von ≥3
o Zum Nachweis von β-hämolysierenden Streptokokken der Lancefield-Gruppe A (Streptococcus pyogenes)
Streptokokken-A-Schnelltest
Durchführung: Dabei wird Rachensekret mit einer Reagenzlösung gemischt und auf ein Testkit
aufgebracht
Nach wenigen Minuten ist das Ergebnis ablesbar
Interpretation: Der Schnelltest ist hochspezifisch, aber wenig sensitiv
Ein negatives Ergebnis schließt eine Infektion somit nicht aus
Ein positives Ergebnis in Kombination mit entsprechender Klinik bestätigt jedoch eine Infektion
Nachteilig: Hohe Kosten, die deutlich über den Kosten für eine mikrobiologische Untersuchung liegen
Bakteriologische Kultur
o EBV-PCR in Ausnahmefällen
o Multiplex-PCR oder Schnelltestverfahren auf virale Tonsillitiserreger sind prinzipiell möglich, aber aufgrund fehlender
therapeutischer Konsequenz i.d.R. nicht sinnvoll
Besonderheiten bei Verdacht auf EBV
o Erregerspezifische Serologie
o Erregernachweis
Besonderheiten bei Verdacht auf Diphtherie
o Kultureller Erregernachweis auf Spezialnährböden
o Nachweis des Diphtherie-Toxin-Gens mittels PCR
o Nachweis des sezernierten Toxins mittels Elek-Ouchterlony-Immunpräzipitationstest
Nicht empfohlen werden
o Routinemäßige Blut- und Urinuntersuchung oder kardiologische Diagnostik (EKG) [1][4]
o Bestimmung des Antistreptolysin-Titers (ASL-Titer) oder anderer Streptokokken-Antikörper-Titer
o Routinemäßige Verlaufskontrollen des Rachenabstrichs
Bei Risikofaktoren (chronische Systemerkrankungen, Immunsuppression, ARF/APSGN in der Eigen- oder Familienanamnese,
V.a. Scharlach oder sehr hoher Inzidenz von GAS-Infektionen) sollten fallorientiert Laboruntersuchungen erfolgen und die Indikation zur
Antibiotikatherapie großzügig gestellt werden! [4]
Eine asymptomatische Person hat auch bei positiven paraklinischen Parametern keine β-hämolysierende Streptokokken-Tonsillitis. Sie wird als
Träger bezeichnet!
Symptom Punkte
Kein Husten 1
Zervikale Lymphknotenschwellung 1
VOLLBILDTABELLEN-QUIZ
Centor-Score
0 ∼2,5%
1 ∼6–7%
2 ∼15%
3 ∼30–35%
4 ∼50–60%
Centor-Score (Rechner)
Symptome Punkte
Kein Husten 1
Zervikale Lymphknotenschwellung 1
Alter 3–14 J. 1
Alter 15–44 J. 0
Alter ≥45 J. -1
VOLLBILDTABELLEN-QUIZ
-1 oder 0 1%
1 10%
2 ∼17%
Modifizierter Centor-Score (McIsaac-Score)
3 ∼35%
4 oder 5 ∼50%
McIsaac-Score (Rechner)
Pathologie
Histologische Grundlagen: Tonsillae palatinae (Gaumenmandeln) [1][2]
Aufbau
Teil des Mukosa-assoziierten lymphatischen Gewebes (MALT)
Bestehen aus lymphatischem Grundgewebe mit Sekundärfollikeln
Interfollikuläre Zone entspricht der T-Zone
Oberflächenvergrößerung durch unzählige Krypten
Im Kryptenlumen finden sich häufig abgeschilferte Epithelzellen, Bakterien, Lymphozyten und Speisereste („Detritus“)
Die zerklüftete Oberfläche besteht aus mehrschichtigem, unverhorntem Plattenepithel
Umgeben ist die Tonsille von einer bindegewebigen Kapsel, von der feine Septen ins Organ ziehen
Funktion
Tonsillen sind Ort der Lymphozytenreifung und Plasmazellbildung mit konsekutiver Antikörpersekretion
o B-Lymphozyten in den Keimzentren
o T-Lymphozyten initiieren zellvermittelte Immunantwort
o Lymphozyten werden über die Krypten in die Mundhöhle und damit an den Gastrointestinaltrakt abgegeben
Seit Geburt persistierende Exposition des lymphoepithelialen Gewebes
gegenüber Antigenen (Viren, Bakterien, Nahrungsbestandteile etc.) → Induktion einer humoralen (und zellulären) Immunantwort →
Inflammation, an der Lymphozyten, Makrophagen und Granulozyten beteiligt sind → „Reifung“ des Immunsystems mit konsekutiver
Volumenzunahme des lymphatischen Gewebes (Hyperplasie)
Physiologischer Dauerentzündungsprozess
Ein bestimmtes Lebensalter, bis zu dem die Tonsillen eine essenzielle Bedeutung für das Immunsystem haben, lässt sich wissenschaftlich
nicht belegen [1]
Akute Tonsillitis
Entzündung der Tonsillen über das physiologische Maß hinaus, also mit zusätzlich bestehender klinisch relevanter Symptomatik
Histopathologisch: Unspezifische Entzündungsreaktion mit follikulärer Hyperplasie
o Durchwanderung des mehrschichtigen Plattenepithels mit Leukozyten
o Virale Tonsillitiden: I.d.R. lymphozytäre Entzündungsreaktion
o Bakterielle Tonsillitiden: I.d.R. granulozytäre Inflammation
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FEEDBACK
Differenzialdiagnosen
Klassische Form der akuten Tonsillitis
VOLLBILDTABELLEN-QUIZ
follicularis (gelb-
weißliche
Stippchen)
Angina
lacunaris (größer
e, fleckartige
Beläge)
Gerötete granulierende
(körnige)
Rachenschleimhaut
Erregerspektr
Zähe
Akute um
Schleimhautauflagerungen Variable Klinik
Pharyngitis [3] wie Angina t
Ggf. eitrige Stippchen
onsillaris
Ggf.
Variable Klinik
Rötung der Plica
Erregerspektr Sonderform der
salpingopharyngea
Seitenstrangangi um (Tonsillo-)Pharyngitis
Gerötete granulierende
na wie Angina t Vor allem bei
Rachenschleimhaut
onsillaris bereits tonsillektomierten
Ggf. eitrige Stippchen
Patienten
Erreger/Ätiologie Lokalbefund Klinische Besonderheiten
Herpesähnliche
Ulzerationen
Generalisierte Lymphknotenschwe
Fieberhafte Angina tonsillaris
llungen
Angina durch Inf (gerötete,
Epstein-Barr- Evtl. Organ-/Hautbeteiligung
ektiöse vergrößerte Tonsillen mit
Virus (EBV) Gabe
Mononukleose weiß-gräulichen Belägen)
von Aminopenicillin kontraindizi
oder Pharyngitis
ert!
Erreger/Ätiologie Lokalbefund Klinische Besonderheiten
Nicht-
nd
Bei Atem- oder
Schluckbehinderung Tonsilloto
mie-Indikation
Starkes Krankheitsgefühl
und Fieber
Keine Lymphknotenschwellu
ng
Opportunistische Im Rahmen
Schmutzige Nekros
Erreger einer Agranulozytose auftr
en und tiefe
o Anaerob etend (z.B. bei
Angina Ulzera der Gaume
ier Immunsuppression,
agranulocytotica nmandel
o Pseudo Therapie
Starker Foetor ex
monade mit Metamizol/Thyreostatika,
ore
n Leukämie)
Tonsillektomie kontraindiziert
Entzündung der
Auftreten bei systemischer oder
Mundschleimhaut
lokaler Immunschwäche
und
Angina durch Candida (bspw. durch die Anwendung
Candida albicans der Tonsillen mit
albicans inhalativer Corticosteroide)
weißlichen,
Siehe auch: Soor-Stomatitis -
abstreifbaren
Therapie
Belägen („Soor“)
Verkäsende,
ulzerierende
Tonsillitis Mycobacterium Gaumentonsillen
Sehr selten
bei Tuberkulose tuberculosis (flache Ulzera mit
granulierenden
Rändern)
Stadium 2:
Schwellung und
rote Verfärbung
der Tonsillen,
kleine
dunkelrote Enanth
eme, später
Papeln
Stadium 3:
Schmerzloses
Gumma
Pseudomembrane
Mandel- bzw. Rachen- Corynebacterium
n Faulig-süßlicher Mundgeruch
Diphtherie diphtheriae
Entzündung
überschreitet
Erreger/Ätiologie Lokalbefund Klinische Besonderheiten
meist Tonsillen un
d blutet leicht
Ausgeprägter
Lokalbefund
Synergistische
Meist einseitige ulze Geringe Allgemeinsymptomatik
Mischinfektion
röse Veränderung Häufig jüngere Männer
mit Treponema
Angina Plaut-Vincenti der Gaumenmand Siehe auch: Angina Plaut-
vincentii und
el mit Vincenti - Weitere
Fusobacterium
Schluckbeschwer Informationen
nucleatum
den
Starker Foetor ex ore
Weitere Differenzialdiagnosen
VOLLBILDTABELLEN-QUIZ
Erreger/Ätiologie Lokalbefund Klinische Besonderheiten
Schluckbeschwerden, Ki
eferklemme
Schwellung und
Bewegungseinschrän
kung
der Zunge mit Sprech
störung
Streptokokken Starkes
Angina Mundbodenphlegmone und ggf. -
Staphylokokken Krankheitsgefühl, Fie
Ludovici abszess
Anaerobier ber
Auftreten meist im
Anschluss an
Stomatitis, Karies,
Infekt der
oberen Atemwege od
er
Zungengrundtonsillitis
Erreger/Ätiologie Lokalbefund Klinische Besonderheiten
Häufig aerob-anaerobe
o Prevotella
spp. (anaer
ob)
Meist
unbeeinträchtigter All
Malignom gemeinzustand
(insb. Lymph Nicht-infektiös Meist einseitige Schwellung Ggf. B-Symptomatik
om) Bei Verdacht
immer histologische A
bklärung!
Eine sichere Differenzierung zwischen viraler und bakterieller Genese der Tonsillitis kann nur unter Berücksichtigung von anamnestischen
Angaben, klinischen Symptomen und Laborbefunden erfolgen!
Therapie
Konservativ
Symptomatische Therapie der akuten Tonsillitis
o Reichlich Flüssigkeitszufuhr
o Gabe von Analgetika (Paracetamol oder Ibuprofen)
Keine Aminopenicilline: Lösen bei EBV-Infektion i.d.R. ein Arzneimittelexanthem aus
[6]
Bei Streptokokkeninfektion zusätzlich: Antibiotikum
o Penicillin V (1. Wahl) oder Cephalosporin der 1. Generation
o Alternativ bei Penicillinallergie: Makrolide oder Clindamycin
o Siehe auch: Antibiotikatherapie bei Streptokokken-Tonsillopharyngitis
Wird klinisch eine EBV-Tonsillitis mit einer bakteriellen Tonsillitis verwechselt und fälschlicherweise ein Aminopenicillin gegeben, wird dadurch
häufig ein Arzneimittelexanthem ausgelöst!
Operativ
Indikationen
o Rezidivierende akute, eitrige und antibiotikapflichtige Tonsillitis
o Massive Tonsillenhypertrophie („kissing tonsils“)
o PFAPA-Syndrom (periodic fever, aphthous stomatitis, pharyngitis and cervical adenitis)
o Akute Poststreptokokken-Glomerulonephritis
o Peritonsillarabszess
o Einseitig vergrößerte Tonsille [5]
Verfahren
o Tonsillektomie (TE)
Vollständige Entfernung der Gaumenmandeln
Häufigste bedrohliche Komplikation (in ca. 5 % aller Tonsillektomien) sind therapiebedürftige Nachblutungen
Primärblutungen (<24 Std.) am OP-Tag, wenn die vasokonstriktiven Anästhetika nachlassen
Sekundärblutungen (>24 Std.) meist am 5.–8. postoperativen Tag, wenn sich die Fibrinbeläge der
Wunde ablösen
Meist erfolgt die Blutung aus dem Stromgebiet der A. facialis [2]
o Tonsillotomie (TT)
Teilentfernung der Gaumenmandel, bei der die Tonsillenkapsel erhalten bleibt
Insbesondere bei Tonsillenhypertrophie im Kindesalter
Größter Vorteil: Geringere Nachblutungs- und Schmerzrate
Trotz zahlreicher Vorteile dieses Verfahrens wird die Tonsillotomie insgesamt immer noch seltener durchgeführt als
die Tonsillektomie
Postoperativ dürfen aufgrund des Blutungsrisikos keine gerinnungshemmenden Schmerzmedikamente wie Acetylsalicylsäure (ASS) gegeben
werden!
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Konservatives Management
Symptomatische Therapie der akuten Tonsillitis
Ausreichende Flüssigkeitszufuhr
Körperliche Schonung
NSAID: Paracetamol oder Ibuprofen
Abschwellendes Nasenspray bzw. Nasentropfen bei verlegter Nasenatmung
Glucocorticoide (z.B. Prednison systemisch und/oder inhalativ) bei drohender Obstruktion der oberen Luftwege durch die
entzündeten Tonsillen
Keine Empfehlung von lokalen Antiseptika oder Anästhetika (Rachensprays, Lutschtabletten und Gurgellösungen): Kein gesicherter
Effekt
Zu beachten bei EBV-Infektion oder V.a. EBV-Infektion
o Glucocorticoide: Wirkung nicht belegt
o Nicht verabreicht werden sollten:
Paracetamol (Hepatotoxizität)
Aminopenicilline (Risiko der Entstehung eines Arzneimittelexanthems liegt bei ca. 90% bei Gabe
von Ampicillin oder Amoxicillin)
Aciclovir
Metronidazol
Wird klinisch eine EBV-Tonsillitis mit einer bakteriellen Tonsillitis verwechselt und fälschlicherweise ein Aminopenicillin gegeben, kann dadurch
ein Arzneimittelexanthem ausgelöst werden!
Indikation: Eine Antibiotikatherapie sollte nur bei Nachweis oder dringendem Verdacht auf eine β-hämolysierende Streptokokken-
Tonsillopharyngitis erfolgen ! Die antibiotische Therapie bei Streptokokken-Tonsillopharyngitis ist identisch mit der Therapie
des Scharlachs.
o Differenzierung mithilfe
McIsaac-Score und Centor-Score
und ggf. Streptokokken-A-Schnelltest
Zu beachten
o Der Unterschied der Symptombesserung zwischen Antibiotika- und Placebobehandlung beträgt durchschnittlich 16 Std.
o Antibiotikabehandelte Patienten sind zwar nach spätestens 24 Std. nicht mehr ansteckend, allerdings konnte keine
verminderte Ansteckungsrate von Kontaktpersonen und auch keine Fehlzeitenreduktion belegt werden
o Das Risiko einer immunogenen Streptokokken-Folgekrankheit ist in Deutschland sehr gering. Bei Nachweis von oder
klinischem Verdacht auf β-hämolysierende Streptokokken wird aktuell jedoch eine antibiotische Therapie empfohlen
Operatives Management
Tonsillektomie (TE)
Definition: Vollständige Entfernung der Gaumenmandeln
Indikationen [1][10]
Rezidivierende akute Tonsillitis
o Entscheidungsgrundlage
Zahl der Episoden in den letzten 12 Mon.
<3 Episoden: Tonsillektomie ist keine Option
3–5 Episoden: Tonsillektomie ist eine mögliche Option, wenn sich innerhalb der nächsten 6 Mon. weitere
Episoden ereignen sollten und die Zahl 6 (innerhalb von 12 Mon.) erreicht wird
≥6 Episoden: Tonsillektomie ist eine therapeutische Option
o Paradise-Kriterien (obsolete Kriterien zur Indikationsstellung der TE bei rezidivierender akuter Tonsillitis)
≥7 Episoden im vorausgegangenen Jahr oder
≥5 Episoden in jedem der beiden vorausgegangenen Jahre oder
≥3 Episoden in jedem der drei vorausgegangenen Jahre
Eine Tonsillitisepisode wird hier wie folgt definiert
Halsschmerzen plus min. 1 Zusatzkriterium
Fieber >38,3 °C
Zervikale Lymphadenopathie >2 cm
Exsudat auf den Tonsillen
Nachweis von Streptokokken-A im Rachenabstrich
[10]
Weitere Indikationen (unabhängig vom Vorliegen einer rezidivierenden akuten Tonsillitis)
o PFAPA-Syndrom (periodic fever, aphthous stomatitis, pharyngitis and cervical adenitis)
o Akute Poststreptokokken-Glomerulonephritis
o Peritonsillarabszess
o Einseitig vergrößerte Tonsille [5]
Operatives Vorgehen
Kurzbeschreibung: Kaliberstärkere Gefäße an der Außenseite der Tonsillenkapsel werden durchtrennt und durch Nähte
oder elektrochirurgische Maßnahmen verschlossen
o „Heiße“ Dissektion mit elektrochirurgischen Instrumenten (z.B. monopolare und bipolare Koagulation, LASER und
Radiofrequenzgeräte)
o „Kalte“ Dissektion ohne elektrischen Strom
OP-Methoden
o Bei Tonsillektomie ohne elektrochirurgische Maßnahmen (bei Dissektion und/oder intraoperativer Blutungsstillung)
Eingeschränkte intraoperative Übersicht wegen des Blutaustritts
Scheinbar erhöhtes Risiko von Primärblutungen
o Bei Tonsillektomie mit elektrochirurgischen Maßnahmen (bei Dissektion und/oder intraoperativer Blutungsstillung)
Scheinbar erhöhtes Risiko von Blutungen insgesamt
Insb. erhöhtes Risiko von Sekundärblutungen
o Tonsillektomie à chaud: Beim Peritonsillarabszess erfolgt die Abszesstonsillektomie nur bei Auftreten von Komplikationen
durch den Abszess bzw. bei Therapieversagen konservativer Maßnahmen
Jede Nachblutung bedarf einer Krankenhauseinweisung mittels RTW! Auch eine initial leichtgradige Blutung kann innerhalb kurzer Zeit dramatisch
werden. Das Legen eines i.v. Zugangs und das Bereitstellen von Blutkonserven sollte immer sofort erfolgen!
Postoperativ dürfen aufgrund des Blutungsrisikos keine gerinnungshemmenden Schmerzmedikamente wie Acetylsalicylsäure (ASS) gegeben
werden!
0 0%
1 <25%
2 <50%
3 <75%
4 >75%
Indikationen
Trotz zahlreicher Vorteile dieses Verfahrens wird die Tonsillotomie insgesamt immer noch seltener durchgeführt als die Tonsillektomie.
Weitere Aspekte
Eine Altersbeschränkung für die TT lässt sich nicht rechtfertigen
Stattgehabte Tonsillitiden sind keine Kontraindikation
Trotz inkompletter Tonsillenentfernung zeigt sich keine niedrigere Reduktionsrate der Halsschmerzepisoden bei jugendlichen
Erwachsenen im Vergleich zur TE
Abszedierungen im verbleibenden Tonsillengewebe sind nicht typisch
Rezidive von Tonsillenhyperplasie oder Tonsillitiden innerhalb des ersten postoperativen Jahres <10%
Operatives Vorgehen
Es stehen unterschiedliche Methoden zur Teilentfernung (Volumenreduktion) der Gaumenmandel zur Verfügung, bei denen die
Tonsillenkapsel erhalten bleibt. Die Überlegenheit eines bestimmten Verfahrens war bisher nicht nachweisbar.
o Tonsillotomie (TT)
o Subtotale/intrakapsuläre/partielle Tonsillektomie (SIPT)
o Radiofrequenz-induzierte Thermotherapie (RFITT) und Tonsillenablation (TA)
Jede Nachblutung bedarf einer Krankenhauseinweisung mittels RTW! Auch eine initial leichtgradige Blutung kann innerhalb kurzer Zeit dramatisch
werden. Das Legen eines i.v. Zugangs und das Bereitstellen von Blutkonserven sollte immer sofort erfolgen!
Postoperativ dürfen aufgrund des Blutungsrisikos keine gerinnungshemmenden Schmerzmedikamente wie Acetylsalicylsäure (ASS) gegeben
werden!
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Komplikationen
Akute Komplikationen
o Peritonsillarabszess (zwischen Tonsille und Tonsillenkapsel)
o Parapharyngealabszess (im Parapharyngealraum)
Langzeitkomplikationen
o Rezidivierende akute Tonsillitis (der Begriff „chronische Tonsillitis“ ist obsolet )
Zerklüftete, schlecht luxierbare Tonsillen
Narbengewebe im Tonsillengewebe
Peritonsilläre Rötung („Peritonsillitis“)
Iritis
Immunvermittelte Poststreptokokken-Erkrankungen (bei Streptokokken-Tonsillopharyngitis)
o Akutes Rheumatisches Fieber (ARF)
o Akute Poststreptokokken-Glomerulonephritis (APSGN)
o Endokarditis
o Chorea minor Sydenham
o Poststreptokokken-Arthritis
Es werden die wichtigsten Komplikationen genannt. Kein Anspruch auf Vollständigkeit.
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Prognose
Hohe Spontanheilungsrate
80% der Patienten sind am 3. Erkrankungstag auch ohne antibiotische Therapie fieberfrei und zu 30% ohne Schmerzen [2]
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Meldepflicht
Gemäß dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) besteht keine bundesweite Meldepflicht für die Tonsillitis im Allgemeinen. Es gibt jedoch eine
amtliche Meldepflicht für einige Situationen und Erreger.
Arztmeldepflicht
o Nach § 6 IfSG
Namentliche Meldepflicht beim Auftreten von ≥2 gleichartigen Erkrankungen, bei denen
„ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird“ und eine „schwerwiegende Gefahr für die
Allgemeinheit besteht“
Namentliche Meldepflicht bei Verdachts-, Krankheits- und Todesfällen von Diphtherie (§ 6 (1) IfSG)
o Nach IfSGMeldeVO (nur in Sachsen ):
Namentliche Meldepflicht bei Erkrankungs- und Todesfällen aufgrund konnataler
(angeborener) Infektionen durch Treponema pallidum
Namentliche Meldepflicht bei Ausscheidern von Corynebacterium-diphtheriae
o Nach IfSGMeldeVO und ThürIfKrMVO (nur in Sachsen und Thüringen ): Namentliche Meldepflicht bei Erkrankungs- und
Todesfällen durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A
Labormeldepflicht
o Nach § 7 IfSG
Namentliche Meldepflicht bei Erregernachweis von Corynebacterium diphtheriae
Ein Zufallsbefund von Neisseria meningitidis im Rachenabstrich bei asymptomatischen Patienten
ist nicht meldepflichtig
o Nach ThürIfKrMVO (nur in Thüringen ): Namentliche Meldepflicht bei Erregernachweis von β-
hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A, auch bei asymptomatischen Keimträgern
o Nach IfSGMeldeVO (nur in Sachsen ): Nicht-namentliche Meldepflicht bei Erregernachweis von Treponema pallidum, der auf
eine akute Infektion hinweist
Meldepflicht für Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 und § 34 IfSG
o Namentliche Meldepflicht von allen Infektionen, bei denen die Gefahr der Verbreitung besteht (§ 34 (6) IfSG)
o Namentliche Meldepflicht bei Verdachts- und Krankheitsfällen von Scharlach, sonstigen Streptococcus-pyogenes-
Infektionen und Diphtherie (§ 34 (1) IfSG)
o Namentliche Meldepflicht bei Auftreten von ≥2 gleichartigen, schwerwiegenden Erkrankungen, wenn als deren
Ursache Krankheitserreger wahrscheinlich sind (§ 34 (6) IfSG)
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Patienteninformationen
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Tonsillitis-Sonderformen
B08.-: Sonstige Virusinfektionen, die durch Haut- und Schleimhautläsionen gekennzeichnet sind, anderenorts nicht klassifiziert
o B08.5: Vesikuläre Pharyngitis durch Enteroviren: Herpangina
B27.-: Infektiöse Mononukleose
o Inklusive: Mononucleosis infectiosa, Monozytenangina, Pfeiffer-Drüsenfieber
D70.-: Agranulozytose und Neutropenie
o Inklusive: Angina agranulocytotica
o Exklusive: Transitorische Neutropenie beim Neugeborenen (P61.5)
A69.-: Sonstige Spirochäteninfektionen
o A69.1: Sonstige Fusospirochätosen
Nekrotisierend-ulzerös (akut): Gingivitis, Gingivostomatitis
Pharyngitis durch Fusospirochäten
Plaut-Vincent-Angina, Plaut-Vincent-Gingivitis
Spirochäten-Stomatitis
A51.-: Frühsyphilis
o A51.2: Primäraffekt bei Syphilis, sonstige Lokalisationen
Tonsillenlues im Primärstadium
o A51.3: Sekundäre Syphilis der Haut und der Schleimhäute
Condyloma latum
Syphilitisch: Alopezie† (L99.8*), Leukoderm† (L99.8*), Schleimhautpapeln [Plaques muqueuses]
Sekundäre Lues der Tonsillen
A52.-: Spätsyphilis
o A52.7: Sonstige floride Spätsyphilis
Glomeruläre Krankheit bei Syphilis† (N08.0*)
Gumma (syphilitisch), Syphilis, Spät- oder tertiäre
Spätsyphilitisch: Augenkrankheit, anderenorts nicht klassifiziert† (H58.8*), Bursitis† (M73.1-*), Chorioretinitis†
(H32.0*), Entzündung im weiblichen Becken† (N74.2*), Episkleritis† (H19.0*), Leukoderm† (L99.8*), Peritonitis†
(K67.2*)
Syphilis [nicht näher bezeichnetes Stadium]:
Knochen† (M90.2-*), Leber† (K77.0*), Muskel† (M63.0-*), Synovialmembran† (M68.0-*)
Lunge† (J99.8*)
Tonsillenlues
Akute Pharyngitis
J02.-: Akute Pharyngitis
o Inklusive: Akute Halsentzündung
o Exklusive: Abszess retropharyngeal (J39.0), Abszess pharyngeal (J39.1), Abszess peritonsillär (J36), Akute
Laryngopharyngitis (J06.0), Chronische Pharyngitis (J31.2)
o J02.0: Streptokokken-Pharyngitis: Rachenentzündung durch Streptokokken
Exklusive: Scharlach (A38)
o J02.8: Akute Pharyngitis durch sonstige näher bezeichnete Erreger
Exklusive: Pharyngitis durch Herpesviren [Herpes simplex] (B00.2), Pharyngitis durch infektiöse
Mononukleose (B27.-), Pharyngitis durch Influenza-Viren (Vesikuläre Pharyngitis (B08.5), nicht nachgewiesen
(J11.1), nachgewiesen (J09, J10.1))
o J02.9: Akute Pharyngitis, nicht näher bezeichnet
Pharyngitis (akut) - eitrig, gangränös, infektiös o.n.A., ulzerös, o.n.A.
Rachenentzündung (akut) o.n.A.
Seitenstrangangina (akut) - eitrig
J06.-: Akute Infektionen an mehreren oder nicht näher bezeichneten Lokalisationen der oberen Atemwege
o J06.0: Akute Laryngopharyngitis
Chronische Pharyngitis
J31.-: Chronische Rhinitis, Rhinopharyngitis und Pharyngitis
o J31.0: Chronische Rhinitis
Ozaena
Rhinitis (chronisch): atrophisch, eitrig, granulomatös, hypertrophisch, obstruktiv, ulzerös, o.n.A
Exklusive: Allergische Rhinopathie (J30.1-J30.4), Rhinopathia vasomotorica (J30.0)
o J31.1: Chronische Rhinopharyngitis
Exklusive: Rhinopharyngitis, akut oder o.n.A. (J00)
o J31.2: Chronische Pharyngitis
Chronische Rachenentzündung
Pharyngitis (chronisch): atrophica, granulosa, hypertrophica
Chronische Seitenstrangangina
Exklusive: Pharyngitis, akut oder o.n.A. (J02.9)
J36: Peritonsillarabszess
Inklusive: Phlegmone peritonsillär, Tonsillarabszess
Exklusive: Retropharyngealabszess (J39.0), Tonsillitis akut (J03.-), Tonsillitis chronisch (J35.0), Tonsillitis o.n.A. (J03.9)
Mundbodenphlegmone
K12.-: Stomatitis und verwandte Krankheiten
o K12.2-: Phlegmone und Abszess des Mundes
Exklusive: Abszess - Kiefer (K10.2-), parodontal (K05.2), periapikal (K04.6-K04.7), peritonsillär
(J36), Speicheldrüse (K11.3), Zunge (K14.0)
K12.20: Mund-(Boden-)Phlegmone
Angina Ludovici
Quelle: In Anlehnung an die ICD-10-GM Version 2023, DIMDI.
NOTIZEN
FEEDBACK
Quellen
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