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Notarztkurs Wiener Neustadt

POLYTRAUMA - ALGORITHMUS
Wolfgang G. Voelckel, Helmut Trimmel

Hintergrund
Unter einem Algorithmus versteht man allgemein eine genau definierte Handlungsvorschrift zur
Lösung eines Problems oder einer bestimmten Art von Problemen in endlich vielen Schritten. Ein
Standard ist eine vergleichsweise einheitliche, weithin anerkannte und meist auch angewandte (oder
zumindest angestrebte) Art und Weise, etwas herzustellen oder durchzuführen, die sich gegenüber
einer anderen Art und Weise durchgesetzt hat. Eine Übertragung dieser Begrifflichkeiten in die
Medizin ist von dem Problem biologischer Systeme begleitet, die eine konstante Reproduzierbarkeit
oder Vergleichbarkeit nur bedingt zulassen. Somit wird es leicht verständlich, dass für die Behandlung
des relativ uniformen Krankheitsbildes „Kammerflimmern“ bereits seit mehr als 40 Jahren Standards
und Algorithmen definiert sind.
Anders verhält es sich beim Mono- und Polytrauma. Die Auswirkung des Traumas auf den
Organismus ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Ebenso wenig ist ein Trauma
standardisierbar bzw. in der gleichen Schwere reproduzierbar. So kann beispielsweise ein Sturz aus 3
m Höhe in einem Fall tödlich enden oder von schweren Verletzungen gefolgt sein; in einem anderen
Fall bleibt der Patient jedoch un- oder nur leicht verletzt.
Es ist das Verdienst von Shoemaker, der erstmals 1988 zunächst retrospektiv 260 Fälle von stumpfen
Traumen analysierte, Fehler und typische Problemkreise der Behandlung aufzeigte und einen
Entscheidungsbaum für das Traumamanagement entwickelte. In einer nachfolgenden prospektiven
Anwendung dieser Entscheidungshilfen war es möglich die Traumamortalität um den Faktor 10 zu
reduzieren.
Prinzipiell muss für das Trauma die gleiche Sorgfalt und Schulung gefordert werden wie dies im
Rahmen der CPR schon lange der Fall ist. Im deutschsprachigen Raum kann derzeit auf die
Richtlinien bzw. Algorithmen des Arbeitskreises für Notfallmedizin und Rettungswesen verwiesen
werden.

Schritt 1: Unfallsituation erfassen, Vitalparameter evaluieren

Erfassen der
Diagnostischer Block
Unfallsituation

Atemwegskontrolle

HWS Immbilisation

Sauerstoff 12 l/min
Großlumiger Zugang

Check Up

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2. Schritt: Atemwege freimachen

Verdachtsdiagnose A
Polytrauma
A

Diagnostischer Guedeltubus ja
Atemwege frei?
Block Nicht Überstrecken !

ja Nein

Atemwege verlegt? Notfallintubation Laryngoskopie


HWS Stabilisation ! ja möglich ?

Nein

Koniotomie

3. Schritt: Atemstörung erkennen und behandeln

ja
B Atemstörung ? Maskenbeatmung

nein
Sauerstoff
10-12 l/min

Oxygenierung

Frühintubation

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Kriterien zur Intubation

Frühintubation

• Glasgow Coma Scale < 10


• Af < 10 und > 29 / min
• SaO2 < 90 % (< 85%)

• Querschnittssymptomatik mit Ateminsuffizienz

• Zusatzverletzungen
• syst. RR < 90 mmHg nach 2.000 ml Infusion
• instabiler Thorax, instabile Beckenfrakturen
• Fraktur von > 2 Röhrenknochen

4. Schritt – Spannungspneumothorax ausschließen

ja
B Atemstörung ? Maskenbeatmung

nein
Sauerstoff
10-12 l/min

Spannungs- ja Dekompression
pneumothorax ? im 2.-3. ICR MCL

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5. Schritt – Kreislaufsystem evaluieren – Kreislauf stabilisieren

ja
B Atemstörung ? Maskenbeatmung

nein
Sauerstoff
10-12 l/min

Spannungs- ja Dekompression
pneumothorax ? im 2.-3. ICR MCL
nein
Reanimation
C Zentraler Puls ?
bei Trauma
ja
ja
Spritzende Blutung ? Kompression

nein
Infusionstherapie
Vasopressor

Differenziertes Kreislaufmanagement

Kernfrage
Nein Kontrollierbare Blutung ? Ja

Fortschreitender Blutverlust
Blutung steht
Persistierende
Hypovolämie
Schädel-Hirn- Ohne SHT
Trauma

Small-Volume Permissive Volumenersatztherapie


Resuscitation Hypotension

Vasopressoren Syst RR nicht


RR > 90 mmHg > 80 -100 mmHg

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6. Schritt – Transport vorberiten

Gefährdete ja Dringliche Intubation unter


Atemfunktion ? HWS - Stabilisierung

nein

Check Up
Vitalparameter, Verletzungsmuster

Lagerung, Frakturimmobilisierung
Wundversorgung

7. Schritt - Auswahl und Vorinformation des richtigen Zielkrankenhauses

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Algorithmus für den traumatisch bedingten Kreislaufstillstand

Kreislaufstillstand in besonderen Situationen. Notfall Rettungsmed 2015; 18:833–903


ERC Leitlinien zur Cardiopulmonalen Reanimation, Kapitel 4

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