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Geologisches Gutachten

für den Bau der Reschenbahn.


Erstellt vom Oberstaatsbahnrat Ing. Max Singer.
Transkribiert vom L.-Abg. Sven Knoll.
Vorwort.

Das vorliegende geologische Gutachten zum Bau der Reschenbahn wurde vom
Oberstaatsbahnrat Ing. Max Singer in den Jahren 1906 bis 1918 erstellt und umfasst
die Teilstrecke von Landeck bis Nauders.

Auf Grundlage dieses Gutachtens, welches 1918 um eine Variante von Tösens bis
Nauders ergänzt wurde, begannen im April 1918 die Bauarbeiten für die
Reschenbahn. Es wurden umfangreiche Baupläne erstellt, die Linienführung
festgelegt, Grundstücke enteignet und die Zustimmung aller Gemeinden
eingeholt. Zwischen Landeck und Tösens wurden weite Teile der Bahnlinie bereits
errichtet. Eisenbahntunnels, Bahngebäude, Brücken und Bahndämme wurden
gebaut, die teilweise noch heute existieren.

Nach dem Ende des 1. Weltkrieges und der anschließenden Zerreißung Tirols ─ die
auch die Linienführung der Reschenbahn betraf ─ wurden alle Bauarbeiten
eingestellt. Am Ende des 2. Weltkrieges wurden nochmals kleinere Bauarbeiten
durchgeführt, die mit Kriegsende jedoch ebenfalls eingestellt wurden. Danach
geriet das Projekt der Reschenbahn größtenteils in Vergessenheit.

Nach der erfolgreichen Wiederinbetriebnahme der Vinschgaubahn sowie der


innovativen Anbindung einiger Skigebiete an die Pustertalbahn, keimte neuerlich
die Vision auf, die Reschenbahn zwischen Landeck und Mals endlich
fertigzustellen. Durch die Reschenbahn würde eine innertirolische Bahnlinie
geschaffen, welche direkt an internationale Verbindungen angeknüpft wäre.
Neben der Reduzierung des Individualverkehrs auf der Straße, entstünde durch die
direkte Anbindung der Skigebiete entlang der Strecke auch eine einzigartige,
autofrei erreichbare Tourismusregion.

Am 18. September 2015 hat sich der Süd-Tiroler Landtag einstimmig für den Bau
der Reschenbahn ausgesprochen. Seither gibt es umfangreiche politische
Initiativen für den Bau der Reschenbahn, an der auch der Kanton Graubünden
interessiert ist, da sich durch die Anbindung an die Unterengadinerbahn auch eine
direkte Verbindung in die Schweiz ermöglichen ließe.

Im März 2022 fand in Schuls im Kanton Graubünden ein Treffen von


Regierungsvertretern aus dem Bundesland Tirol, Süd-Tirol und Graubünden statt,
bei welchem vereinbart wurde, vertiefende Informationen für eine mögliche
Streckenführung einzuholen. Insbesondere geologische Gutachten sollen hiefür
erstellt werden.

Da ein umfassendes geologischen Gutachten für die Reschenbahn von Ing. Max
Singer bereits erstellt wurde ― welches jedoch in Vergessenheit geraten ist ― hat
der Gefertigte dieses Gutachten im österreichischen Staatsarchiv ausgehoben
und die 134 in Kurrent handgeschriebenen Seiten transkribiert. Dabei wurden auch
die detailgetreuen Skizzen und Pläne übernommen. Allfällige Abweichungen von
der heutigen Rechtschreibung sind dem Originaltext geschuldet.
Ob seiner detaillierten Untersuchungen und Schlussfolgerungen, die sogar die
Lokalisierung allfälliger Baumaterialien in den einzelnen Bauabschnitten beinhaltet
und damit von einer geradezu modernen Nachhaltigkeit zeugt, ist dieses
Gutachten geeignet, als Grundlage für die nunmehr beschlossenen Studien einer
möglichen Trassenführung zu dienen und soll der öffentlichen Hand somit Zeit und
Geld sparen.

Das vorliegende geologische Gutachten für den Bau der Reschenbahn wird den
politischen Verantwortungsträgern des Landes, den betroffenen Gemeinden sowie
allen Interessierten kostenlos zur Verfügung gestellt.

L.-Abg. Sven Knoll.

Bozen in Tirol, den 6. Juni 2022.


Inhalt.

Kapitel. Seite.

I. Die Schutt- und Schotterterrasse des Landecker Beckens. 1


A. Geologische Verhältnisse. 1
1. Entstehung des Beckens und seine Auffüllung. 1
2. Architektur des Beckens. 1
B. Bautechnische Verhältnisse. 2

II. Das Engtal von Schloß Landeck bis zur Pontlatzer-Brücke. 3


A. Geologische Verhältnisse. 3
1. Das Felsgebirge. 3
a.) Gesteinszonen. 3
b.) Schichtbau und Felsböschungen. 4
c.) Kreuzfaltung, Gesteinszertrümmerung und Lehnenbewegungen. 5
2. Der Felsuntergrund des Innbettes. 7
3. Diluviale und jüngere Schuttbildung im Engtale des Inn. 9
a.) Auffüllungen des Flussbettes. 9
b.) Die großen Schuttmassen der rechten Talseite. 10
c.) Die großen Schuttmassen der linken Talseite. 10
4. Wasserläufe und Quellen. 13
a.) Der Inn. 13
b.) Rechte Talseite. 13
c.) Linke Talseite. 14
B. Bautechnische Verhältnisse. 14
1. Geologische Fixpunkte für die Trassenführung. 14
a.) Die Einfahrt in das Inntal bei Landeck. 14
b.) Stationsplätze. 20
c.) Die Stapfener-Plaike. 20
d.) Der Gache Blick. 20
2. Einbauten in das veränderliche Flussbett. 20
3. Baustoffe. 21
a.) Sand. 21
b.) Schotter. 21
c.) Baustein. 21

Zusammenfassung zu Abschnitt I und II. 22

III. Die Prutzer Talweitung. 24


A. Geologische Verhältnisse. 24
1. Das Felsgebirge. 24
2. Felsuntergrund des Innbettes. 26
3. Diluviale und jüngere Schuttbildungen. 27
a.) Auffüllungen des Flussbettes. 27
b.) Schuttmassen der rechten Talseite. 27
c.) Schuttmassen der linken Talseite. 29
4. Wasserläufe und Quellen. 29
a.) Der Inn. 29
b.) Rechte Seite. 30
c.) Linke Seite. 30
B. Bautechnische Verhältnisse. 31
1. Trassenbestimmende geologische Einzelheiten. 31
a.) Rechte Talseite. 31
b.) Linke Talseite. 31
2. Einbauten in das veränderliche Flussbett. 32
3. Baustoffe. 32
a.) Sand. 32
b.) Schotter. 33
c.) Baustein. 33

IV. Das Inntal von Ried bis Tösens. 35


A. Geologische Verhältnisse. 35
1. Das Felsgebirge. 35
a.) Tektonik der Bündner Schiefer des Oberinntales. 35
b.) Gesteinszonen zwischen Ried und Tösens. 36
2. Der Felsuntergrund des Innbettes. 37
3. Diluviale und jüngere Schuttbildungen. 38
a.) Auffüllungen des Flussbettes. 38
b.) Schuttmassen der rechten Talseite. 39
c.) Schuttmassen der linken Talseite. 41
4. Wasserläufe und Quellen. 42
a.) Der Inn. 42
b.) Rechte Talseite. 42
c.) Linke Talseite. 46
B. Bautechnische Verhältnisse. 46
1. Trassenbestimmende geologische Einzelheiten. 46
a.) Rechte Talseite. 46
b.) Linke Talseite. 46
2. Einbauten in das Flussbett. 48
3. Baustoffe. 48
a.) Baustein. 48
b.) Schotter. 49
c.) Sand. 49

Zusammenfassung zu Abschnitt III und IV. 49

V. Das Trassenstück von Tösens bis Pfunds. 53


A. Bau und Gliederung der rechten Talwand. 53
4. Baustoffe. 55
B. Geologische Beschreibung des Trassenstückes von Tösens bis Pfunds. 55

VI. Das Trassenstück von Pfunds bis Hochfinstermünz. 62


A. Bau und Gliederung der rechten Talseite. 62
1. Pfunds ― Kajetansbrücke. 62
2. Kajetansbrücke ― Hochfinstermünz. 64
3. Baustoffe. 66
B. Geologische Beschreibung des Trassenstückes von Pfunds bis Hochfinstermünz. 67
1. Offene Strecke Pfunds ― Kajetansbrücke (einschließlich des Patscheitunnels). 67
2. Offene Strecke von der Kajetansbrücke bis zum Finstermünztunnel. 68
3. Finstermünzer Tunnel. 70
a.) Gesteinsbeschaffenheit und Lagerung. 70
b.) Gesteinszonen. 71

Variante von 1918.


Geologisches Gutachten über die Trassenführung zwischen Tösens und Nauders. 74
―1―

Geologisches Gutachten
für den
Bau der Eisenbahnlinie Landeck ― Mals.

Teilstrecke Landeck ― Nauders.


Vergl. Technisch – geologisch. Bericht 1 u. 2

I. und II. Das Inntal von Landeck bis zur Pontlatzer Brücke.
(Kristalline Zone)

I. Die Schutt- und Schotterterrasse des Landecker Beckens.

A. Geologische Verhältnisse.

1.) Entstehung des Beckens und seine Auffüllung:

Von Bruggen bis unterhalb Zams ist das Sanna- beziehungsweise Inntal
beckenartig erweitert. Nördlich von Zams tritt der Inn aus den kristallinen Schiefern
in das Kalkgebirge über und das Tal verengt sich wieder auf seine normale Breite.
Die Einschnürungsstelle ist durch einen auffälligen Rücken von triadischem
Kalkfelsen gekennzeichnet, dem Rest einer alten Barre im alten Talrelief, oberhalb
welcher der Inngletscher das Landecker-Becken ausgekalkt hat.
Nach dem Abschmelzen der Gletscher ergossen sich die beiden Flüsse Rosanna u.
Inn ungefähr in ihrer heutigen Richtung in das bei Zams noch geschlossene Becken
und füllten es durch Ablagerung ihrer Geschiebe allmählich auf.
Die weitaus stärkeren Beiträge kamen aus dem Inntal, so dass sich vor dessen
Austritt aus dem Felsgebirge eine mächtige Terrasse in Form eines sehr flachen
Mündungsdelta's aufbaute. Nach der schließlichen Durchsägung des Fellsbarre
von Zams durch den Wasserfall des Inn, musste sich das Bett in den aufgelandeten
Massen rasch vertiefen, wobei es durch den Fluss gegen die linke Talseite gedrängt
wurde. So entstanden die Terrassen zu beiden Seiten des Inn, auf welchen die
Ortsteile Angedair und Perfuchs liegen. Zwischen der Oberfläche des alten
Inndeltas und dem gegenwärtigen Flussbett wurde durch seitliche Wanderungen
desselben zwei Unterstreifen ausgewaschen.

2.) Architektur des Beckens:

Der Felsuntergrund des Landecker–Beckens liegt in der ursprünglich vom Gletscher


ausgekalkten Breite in einer Tiefe, welche für die Fundierungen praktisch nicht
mehr erreichbar ist. Nur in der Nähe der felsigen linken Uferstrecken senkt er sich
langsamer ab, da hier das Bett auf eine mäßige Breite durch den Wasserlauf in
waagrechtem Sinne bergwärts (gegen Norden) gedrängt wurde. (Vergl. Skizze Nr.
1) Über dem Felsgrund, der aus Quarzglimmerphyllit besteht, liegt wahrscheinlich
eine Decke von Grundmoräne und Schlier, die aber möglicherweise flußaufwärts
nur bis zum Viadukte der Arlbergbahn reicht.
―2―

Über dem Schlier dürften sandig–thonige Lagen mit eingebetteten runden


Findlingen folgen. Darüber liegt die schotterige Hauptmasse, die von der
Untergrenze etwa bis zur Höhe der Reichsstraße im allgemeinen immer gröber und
blockreicher wird.
Die Terrassen oberhalb der gegenwärtigen Flußsohle sind als Deltabildung in
unregelmäßiger Weise sowohl aus gerundetem (weit hergeführtem) wie aus
ziemlich kantigem (aus der Nähe stammenden) Materiale zusammengesetzt,
wobei alle Aufbereitungsstufen zwischen Sand und großen Blöcken vertreten sind.
Im Großen und Ganzen wird das Materiale mit der zunehmenden radialen
Entfernung vom Austritt des Inn aus dem Engtal feiner.
Doch bestehen beträchtliche Unregelmäßigkeiten, welche auf die ungleiche
Schußkraft der einzelnen in das Becken mündenden Katastrophal-Hochwässer,
sowie auf die Verschiedenheit der Geschiebeführung bei normalem Verlauf und
bei gleichzeitigen Muhrbrüchen zurückzuführen sind.

B.) Bautechnische Verhältnisse.

Die Zusammensetzung der Beckenauffüllung oberhalb der heutigen Flußsohle


erlaubt die Anlage einer normalen Einschnittsböschung von 1:1 bis 1: 5/4.
Lehmige und nasse Nester können nur in sehr bescheidenem Umfang auftreten.
Das Materiale ist für die Dammschüttung sehr geeignet.
Die Ergiebigkeit an Baustoffen ist jedoch eine begrenzte, da die durchschnittliche
„Korngröße“ für die Verwertung ungünstig ist. Es werden sich jedoch immerhin
brauchbare Schmitzen von Bausand, Lagen von Schotter und insbesondere
Blöcken, die zu Bruchstein verwendbar sind, vorfinden. Die Findlinge
glimmerreicher Gesteine sind jedoch mit Vorsicht auszusuchen, da dieselben bei
sandig-schotteriger Lagerung gewöhnlich faul werden.
Die Fundamentplatten oberhalb der gegenwärtigen Flußsohle sind für
festgelagerten, sandig-grobschottrigen Grund zu bemessen. Die Baugruben für
Innbrücken-Widerlager zwischen der Sannamündung und der südlichen
Holzbrücke in Landeck sind großflächig für wasserdurchtränktes, sandiges
Materiale anzulegen.
Ob die tragfähigen gröberen Geschiebe in eine gegen Unterwaschung sichere
―3―

Tiefe unter die Flußsohle hinabreichen, oder ob im ungünstigsten Fall der erwähnte
Schliergrund die Herstellung eines Pfahlrostes erforderlich macht, läßt sich mit voller
Sicherheit nur für bestimmte Übersetzungspunkte und durch Sondierungen
feststellen.

II. Das Engtal von Schloß Landeck bis zur Pontlatzer-Brücke.

A. Geologische Verhältnisse.

1.) Das Felsgebirge:

a.) Gesteinszonen:

Die Grundzüge der Tektonik der kristallinen Zonen zwischen Landeck und der
Pontlatzer-Brücke wurden im „Technisch-geologischen Bericht“ Nro. 2 erörtert.
Die technisch wichtigen Einzelheiten des Schichtbaues und der
Gesteinsbeschaffenheit bedürfen jedoch noch einer eingehenden Darstellung.
Die Spezialkarte der geologischen Reichsanstalt zerlegt das genannte Gebiet in
drei, beziehungsweise vier Gesteinszonen, welche Einteilung auch Professor Blaas
in seinem „geologischen Führer durch Tirol“ beibehält. Die nördlichste Zone besteht
aus quarz- und glimmerreichen Phylliten (Quarzphyllit) vom Habitus jener Gesteine,
die der Ingenieur schlechthin als festen Glimmerschiefer bezeichnet. – Ihr folgt eine
mittlere Zone von Muskovitglimmerschiefer, und eine südliche von Gneisphyllit, aus
welcher in der Karte 1:75.000 noch ein Zug fester Flasergneise ausgeschieden ist.
Die Begehungen des Bahngebietes zeigten, dass eine scharfe Abgrenzung der
Gesteinsarten nach lokalen Beobachtungen undurchführbar ist, da zwischen
denselben ganz allmähliche Übergänge, aber auch übergreifende
Wiederholungen der Gesteinsausbildung bestehen. Nach den jüngsten
Forschungsergebnissen über kristalline Schiefer steht diese Beobachtungstatsache
im vollen Einklang mit dem Gesetz der Gesteinsmetamorphose, die vom
Gebirgsrand gegen das Innere von Quarzphyllit zum Gneisphyllit allmählich
fortschreitet.
Zur leichteren Bezeichnung der einzelnen Felsarten wurde die Abgrenzung der
Karte 1:75.000, die aus großen Gesichtspunkten erfolgt ist, in die Karte 1:25.000
übernommen, nur ist der Zug der festen Flasergneise in Übereinstimmung mit E.
Sueß und Professor Blaas, als nicht vorhanden weggelassen.
Die Gesteine der nördlichen und der mittleren Zone bestehen im wesentlichen aus
Glimmer und Quarz. Bei den sogenannten Quarzphylliten sind die Bestandteile
häufig derart getrennt, daß der Quarz härtere Lagergänge und Knauern bildet,
der feinschuppige (serizitische) Glimmer aber die Lagerflächen in feingefüllten,
glänzenden, zusammenhängenden Häuten überzieht.
Beim Muskovitglimmerschiefer sind Quarz und weißer Glimmer ziemlich
gleichmäßig als Korn und Blättchen gemengt.
Die Gneisphyllite der dritten Zone bilden sich aus letzterem Gestein durch das
hinzutreten kleiner Feldspathkristalle, wodurch der im Namen aus gedrückte
Übergang zum Gleis entsteht. Die drei Mineralkomponenten erscheinen jedoch nur
in ganz kleinen Kriställchen, und hiedurch unterscheidet sich der Gneisphyllit
nachteilig vom deutlich bis grob kristallinen und als Baustein geschätzten
Flasergneis.
―4―

b.) Schichtbau und Felsböschungen:

Der Schichtbau ist für die ganze Zone von Landeck bis zur Pontlatzer-Brücke durch
ziemlich gleichmäßig 80° Ost streichende, steil gestellte, vorwiegend gegen Süden
fallende Faltenzüge charakterisiert.

Wie die Skizze Nr. 2 zeigt, tritt bei dieser Faltung stellenweise auch steiles Nord-
Fallen auf und wo durch Bauten ein weniger eng gepresster Faltenbug
durchschnitten wird, sieht man auch flacheres Süd- und Nord-Fallen. Diese
Hauptform der Schichtung, welche den allgemeinen Streichen der ostalpinen
Faltung entspricht, gibt einen beiläufigen Überblick über die Gestaltung der
Böschungsverhältnisse. Felsböschungen erscheinen fast ausschließlich am rechten
Ufer, an welchem die Bänke vorwiegend steil bergauswärts fallen. Sofern bloß
Schichtung und nicht auch ausgeprägte Ablösungsklüfte in Betracht kommen,
ergeben sich die ungünstigsten Böschungsverhältnisse dort wo die Bahnachse zum
Streichen parallel läuft, die günstigsten wo sie dasselbe senkrecht durchschneidet.
Dement sprec hend finden sich die s teilsten natürlichen Felsw ände,
beziehungsweise Anschnittsböschungen der Reichsstraße nächst Landeck, wo Tal-
und Streichrichtung noch einen Winkel von 60° einschließen, so dass in kernigen
Felspartien die allerdings sehr bedenkliche Anlage von Halbgallerien möglich war.
– Dann wechselt die Neigung von Felsgehänge und Böschung mit dem
Schnittwinkel, der im Ganzen rasch abnimmt. Gegenüber der „Stapfener–Plaike“
läuft die Straße fast im Streichen der Felsbänke, und die Ausführung der
Steilböschungen bei der Tieferlegung der Reichsstraße war nur in Folge besonders
guter Beschaffenheit des Felsens möglich. Nichtdestoweniger erfolgte während
des Baus eine plötzliche Absetzung von mehreren hundert Kubikmetern, und auch
künftig dürften noch größere Räumungen notwendig werden.
Unterhalb der Pontlatzer–Brücke durchschneidet der Inn die Schichten wieder
nahezu rechtwinklig, das Tal zeigt infolgedessen neuerdings hohe, steile Felswände
―5―

und erlaubt die Anlage steiler Kunstböschungen.

c.) Kreuzfaltung, Gesteinszertrümmerung und Lehnenbewegungen:

Neben der Hauptlagerung nach O.W. bis W.N.W. streichenden Falten, zeigt das
Felsgebirge eine Stauchung im Streichen die von flacher, offener Wellung bis zu
engen vollkommen überschlagenen Falten schwankt.

Sie verrät den Einfluss eines sekundären Ost- West- Schubes auf das durch einen
Nord- südlichen Hauptschub bereits gefaltete Gebirge. Die Wirkung der beiden
Schübe hat sich verschieden geäußert: In dem vollkommen eingespannten
inneren Teil der kristallinen Scholle, dem Gneisphyllit, kam es zu einer bruchlosen
Kreuzfaltung nach beiden Schubrichtungen, aber unter ausgesprochenem
vorherrschen des Ost- West- Streichens. Die mittlere Zone zeigt bereits weit
vorgeschrittene Aufklüftungs-Erscheinungen und Faltenzerreißungen, wobei jedoch
der einzelne Gesteinsblock noch sein festes Gefüge behielt. Die ungünstigste
Einwirkung erfolgte auf die Randzone gegen das Sannatal: Hier war offenbar zur
Zeit des Ost- West- Schubes bereits die Möglichkeit leichten Ausweichens kleinerer
Gebirgsglieder gegeben, und es trat eine Doppelwirkung ein. Die genügend
eingespannten zusammenhängenden Partien des Quarzphyllites erfuhren eine
bruchloser Kreuzfaltung. Jene Gebirgsteile, die aber nach der Höhe ausweichen
konnten, wurden zwischen den festen Rizzen unter völliger Zertrümmerung
vollkommen umgefaltet, so dass ihr heutiges N– S– Streichen sprunghaft vom O.W.
Streichen der festgebliebenen Felsmassen abweicht. Das in die N.S. Richtung
umgefaltete Gestein ist bis ins kleinste Element zerdrückt, gewährt dem Wasser
ungehindert Eingang und liegt wie eine fremde Schuttmasse in den Falten der starr
gebliebenen, rizzenartig aus dem heutigen Oberflächenrelief aufragenden
―6―

Felsmassen. Die Quetschzonen sind vom rein geologischen Standpunkte noch


immer anstehender Fels. Bautechnisch sind sie aber wie eine durchnässte,
zusammenhangslose Schuttmasse zu behandeln.
Diese merkwürdige Erscheinung, die sich ohne Bezugnahme auf die
gebirgsbildenden Vorgänge weder verstehen noch erklären lässt, gibt den
Gehängen von Landeck bis Stapfen ihr eigentümliches Gepräge. Die Austiefung
des Inntales ist nach einer solchen Grenze zwischen gesundem und zerquetschtem
Gestein erfolgt. Daher der auffällige Unterschied zwischen dem Aussehen der
rechten Talseite, an der nur kleine Quetschmassen hängen, und der linken, an
welcher die aus dem Gefüge geratenen Felsmassen zum Teil schon
niedergebrochen sind, zum Teil noch immer als lebendige Lehne gegen den
Innfluß verschieben.

Sobald der linke Lehnenfuß durch die Einnagung des Flusses angegriffen wird,
erfolgt ein Nachbrechen oder langsames Nachschieben der gelockerten oder
schon losen Massen, und hiedurch wird der Fluß genötigt, das zwar starre aber
todte rechte Ufer rascher anzugreifen, als das lebendige linke. So erklärt sich auch
die größere Steilheit des rechten Ufers, das mit Rücksicht auf das
Bergauswärtsfallen der Schichten unter normalen Verhältnissen flacher sein müßte,
als das linke. Die linke Lehn war für ein früheres Stadium der Innsohle bereits zur
Ruhe gekommen, das heißt sie war durch Bergstürze, Schlipfe und Rutschungen
entsprechend ihrem Gefüge geböscht worden. Die gegenwärtige rasche
Eintiefung an einigen Stellen des Inn und im Thialgraben löst aber neuerliche
erhebliche Lehnenbewegungen aus. Von diesem Gesichtspunkte ist die
Rutschlehne mit betoniertem Uferschutz unmittelbar oberhalb Landeck und die
Stapfener-Plaike zu betrachten. Ein unvorsichtiges Anschneiden benachbarter
Lehnenteile könnte ähnliche Erscheinungen zu Folge haben. Ganz besondere
Lehnenbewegungen vollziehen sich im oberen Thialgraben, in welchem sich ein
ungeheurer Muhrengang vorbereitet. Von der Mündung in den Inn bis gegen die
Kote 1.600 gleiten die zermürbten Schiefer beider Ufer längs der festeren Felskerne
―7―

in das Bachbett ab. Die Erscheinung wird durch den Quellenreichtum dieser
Region begünstigt. Oberhalb der Thialmühle, ca. 250m vom linken Innufer entfernt,
bildet der feste Felsgrund eine enge Klamm, welche sich beim Abgang der
durchwegs bestärkten Schuttmassen verklausen und notwendig zu einem
plötzlichen Muhrbruch führen muß. Daß in den letzten Jahrzehnten kein größerer
Muhrgang erfolgte, hat seine Ursache blos darin, daß das Inbewegungsetzen der
Schieferhänge augenscheinlich jungen Datums ist, und daß bei dem kleinen
Niederschlagsgebiet zum Losreißen und Auswerfen der Schuttmassen ein
besonders starker Wolkenbruch verbunden mit Schneeschmelze notwendig ist.
Vom „Neuen Zoll“ flußaufwärts ist die linke Talseite ziemlich vollkommen stabilisiert.
Die rechte hingegen zeigt eine bedenkliche Aufklüftung der Felsmassen, die hier
eine unruhige Lagerung an nehmen. Der Fuß der Lehne oberhalb des „Neuen
Zolles“ sieht aus wie mit losen Blöcken bespickt. Die Blöcke gehören aber meist
zum anstehenden Fels und die sonderbare Oberflächenerscheinung ist eine Folge
der schon erwähnten Lockerung des Gebirgsgefüges durch den Ost- West- Schub.
Steigt man an der Lehne aufwärts zum Steilabbruch des „Gachen Blick“, so findet
man immer kräftigere Spalten und Klüfte, bis sie in der Nähe des Gipfels weit
aufklafften und schliefbar werden. Der ganze schuttfreie Teil des Berges befindet
sich im Zustand völliger Auflösung und kann beim geringsten Anstoß
niederbrechen. Daß alle Vorbedingungen eines großen Bergsturzes vorhanden
sind, läßt sich zweifellos feststellen. Wann derselbe eintritt vermag niemand
vorauszubestimmen. Das Ereignis kann ebensogut während des Baues, wie nach
hundert Jahren eintreten. Die Erfahrung vom „Langentobel“ verweist die Trasse auf
das bei der vorhandenen Talbreite ziemlich sichere linke Ufer.
Von der „Gachen Blick“-Runse gegen die Pontlatzer-Brücke ist der Hang auf eine
längere Strecke vom Schutt der älteren Berg- und Felsstürze bedeckt. Wo der
blanke Fels wieder in der Straßenböschung erscheint, ist er nicht mehr zerklüftet
und bildet steile, standhafte Wände.

2.) Der Felsuntergrund des Innbettes:

Die drei engsten Stellen des Talabschnittes liegen bei Schloß Landeck, bei der
Stapfener-Plaike (unterhalb des „Neuen Zolles“) und bei der Pontlatzer-Brücke. Sie
bezeichnen die Reste alter Barren im Taltrog des Inngletschers, oberhalb welcher
der Felsgrund auf beträchtliche Tiefe ausgekalkt ist.
a.) In der Enge bei Schloß Landeck ist der feste Fels des rechten Ufers nur auf eine
kurze Strecke, an schon oberflächlich kenntlichen Stellen erreichbar. Vielfach
setzen die Wände aber steil in die Tiefe. Der morsche Fels des linken Ufers liegt
zwischen der oberen Straßenbrücke und dem betonierten Uferschutz, ziemlich
nahe der Oberfläche, hat aber von da ab durch die Muhrgeschiebe des
Thialgrabens und die gegen Süden anschließenden Bergschlipfe und- Stürze eine
beträchtliche Überlagerung.
b.) Die steilen Wände am rechten Ufer gegenüber der Stapfener-Plaike dürften
wohl eine schmale Abrasionsstufe „b“ besitzen, die eigentliche Felssohle liegt aber
wahrscheinlich 10–20m unter Niederwasser.
c.) Bei der Pontlatzer-Brücke durchbricht der Inn den harten Gneisphyllit senkrecht
zum Streichen, und die günstigen Böschungsverhältnisse bedingen an und für sich
schon ein enges steilwandiges Flußbett. Die Felssohle liegt aber nur an der engsten
Stelle nahe dem Niederwasser.
―8―

Beim Bau der neuen Straßenbrücke geriet man nicht nur mit dem ersichtlich
ungünstig gelegenen linken, sondern auch mit dem unmittelbar an den Fels
geschmiegten rechten Widerlager in durchweichten Schlier, und war zur
Ausführung nicht veranschlagter Pfahlroste gezwungen. Zwischen den Stellen a.)
und b.) ist der Felsgrund am linken Ufer praktisch überhaupt nicht mehr erreichbar,
am rechten aber stets nur in unmittelbarer Nähe blanker Felsrippen oder Wände
(Vergl. Auch die Skizze Nr. 6).
―9―

Am linken Ufer folgt oberhalb der Stapfer-Plaike zunächst die Ackerterrasse


(Nummer 704) der topographischen Karte mit dem skizzierten Profil:

Beim Stadel (Nummer 704 der topographischen Karte) besteht das Ufer aus
blankem Gneisphyllit. An der Lehne trägt derselbe kleinere Auflagen von
lehmigem, sandig, schotterigen Material, das infolge von Durchnässung zur
Absitzung neigt. Der Fels verschwindet bei einer Holzriese unter eine gegen den Inn
zu steil geböschte, auf der Sandbank (der Karte) aufreihende Schotterterrasse.
Der Kopf nördlich Runs, an welchem dieselbe abschließt, ist Fels, die beckenartig
zurücktretende Runserau eine wahrscheinlich diluviale Auffüllung. Sie endet am
Nordrand der steilen Felsschroffen, welche bis nahe zur Pontlatzer-Brücke
unmittelbar vom Inn bespült werden, und dann aber dem Schuttfuß rasch
bergaufwärts ziehen. Der Felsuntergrund der Innsohle liegt daher mit Ausnahme
verhältnismäßig kurzer, schon oberflächlich kenntlicher Strecken in einer Tiefe, auf
welche bei Entwurf und Veranschlagung der Kunstbauten nicht mehr gerechnet
werden kann.

3.) Diluviale und jüngere Schuttbildungen im Engtale des Inn:


(Zur Morphologie der großen Formen)

a.) Auffüllungen des Flussbettes:

Über den verdeckten Felsgrund liegen überall jüngere (fluviatile) Auffüllungen,


welche an der Oberfläche das für Gebirgsflüsse charakteristische Gemisch
gerundeter grober Schotter, Mugel und Blöcke mit feinem, die Zwischenräume
füllenden Sand zeigen.
Die Mächtigkeit dieser Schichte, die vielfach direkt auf dem Fels liegt, läßt sich
nicht mit voller Sicherheit angeben. In allen beckenartigen Erweiterungen des
Flußbettes, insbesondere oberhalb der Barren bei Schloß Landeck, der Stapfener-
Plaike und der Pontlatz-Brücke, ist unter derselben eine Auskleidung des Felsreliefs
mit thoniger Grundmoräne und eine wasserdurchtränkte Auflandung mit feinen
Sinkstoffen (Schlier, Wellsand) zu erwarten.
― 10 ―

b.) Die großen Schuttmassen der rechten Talseite:

Von Landeck aufwärts begegnen wir zunächst bei Straßen-km: 152. 870/750 eine
zwischen Felsrippen eingelagerte größere Masse von gebundenem kantigem
Schutt mit eingelagerten runden Schottern und Blöcken aus dem Inn,
wahrscheinlich Reste eines vorgeschichtlichen Muhrbruches aus dem Thialgraben.
Es folgt bei Straßen-km: 152.4 50/90 eine Senke in den Steilwänden mit einer
kräftigen Decke von festgelagertem Schutt aus dem anstehenden Gebirge, den
Resten einer vom Inn durchfressenen Quetschzone (Vergl. S. 6).
Am Südende der steilen Felsböschungen der Reichsstraße schiebt sich eine
mächtige Trümmermasse kegelartig gegen das Innbett vor. (Straßen-km: 152.2 bis
151.8)
In der Beilage Nr. 2 zum Technisch-geologischen Bericht Nro. 2 ist sie als klassische
Zone eingezeichnet. Zwischen den ober der Straße befindlichen Gebäuden, der
„Jagglshütte“, und dem Inn zeigen die Anschlüsse anscheinend anstehenden,
wenn auch morschen Fels. Die eingehende Detailuntersuchung vom 31. Oktober
1906 erbrachte die Gewissheit, dass die ganze kegelartige Zone ein ungeheurer
Bergschlipf ist, in welchem große Felspartien trotz des Heruntergleitens und der
Zertrümmerung nur wenig aus der ursprünglichen Streif Richtung abgelenkt
wurden, daher den Eindruck von anstehendem Fels erwirken.
Infolge reichlicher Wasserführung (vergl. Seite 23) der oberen und gegen Landeck
gekehrten Kegelseite, dürfte der Quarzphyllit untertags vielfach stark zersetzt sein.
Auch die gegen Süden anschließende Moränenzone erscheint in der erwähnten
Beilage Nro. 2.
Sie besteht aus vorwiegend kleinstückigem Schotter und Schutt in fester bis harter,
lehmiger Bettung.
Diluvialen Ursprungs sind auch die großen, zum Teil lehmig gebackenen
Schottermassen bei der Holzbrücke in Straßen-km: 151.1 und die mit älteren
Sturzblöcken untermischten und von jüngeren überdeckte Ablagerung unter den
Schroffen beim Wirtshaus „Gigle“.
Am linken Ufer des Pitzbaches liegt gleichfalls eine mächtige, sandig-schotterige
Masse diluvialen Alters, die nach oben mit einem flachen Wiesenboden
abschließt. Sie steht durch kleine Schotterreste in Verbindung mit dem
ausgeprägten Grundmoränenrücken am rechten Ufer des Mühlbaches. Auch
dessen linkes Ufer und die Hauptlehne bis über „Altenzoll“ trägt kleinere diluviale
Terrassen.
Der Mühlbach ist zugleich der einzige Wasserlauf am rechten Innufer, der einen
nennenswerten Schwemmkegel aus abgespültem Moränenmaterial aufgeschüttet
hat.
Die letzte große Schuttmasse vor der Pontlatzer-Brücke liegt unter dem „Gachen-
Blick“ (Straßen-km: 145). Sie baut sich — vielleicht schon über Bergstürze aus der
Diluvialzeit — aus jüngeren abgestürzten Blöcken des normalen und des durch
Serpentin-Injektion grün gefärbten Gneisphylites auf, und läßt jederzeit
beträchtliche neuerliche Felsstürze erwarten.

c.) Die großen Schuttmassen der linken Talseite:

Die linke Talseite ist — wie schon die flachere Neigung und dichte Wald- und
Wiesendecke anzeigt — reicher an Schuttmassen als die rechte. Die
Unterscheidung zwischen anstehendem Fels und losen aufgelagerten Massen ist
― 11 ―

aber insbesondere bis zum „Gromlachhaus“ nur auf Grund genauer Untersuchung
möglich.
Das Südende der besiedelten Landecker Terrasse schließt nächst der oberen
Brücke an die Hauptlehne an, welche aus dem zerdrückten durch den Ost-West-
Schub umgefalteten und reichlich wasserführenden Fels besteht. Die
Anlagerungsgrenze ist durch die Bautätigkeit verwischt, doch liegt der ganze
bogenförmige Bruchrand des großen Schlipfes über dem betonierten Uferschutz
schon in der zerrütteten Felszone, die sichtbar bis zum linken Ufer des Thialgrabens
zieht, aber infolge ihres Wasserreichtums noch kleinere ausgerutschte Massen mit
dem charakteristischen Schlipfprofil aufweist.

Nur die bereits abgeglittene Masse ist im geologischem Sinne als Schutt zu
betrachten. Bautechnisch ist der zerdrückte Fels hier allerdings nur um ein geringes
besser.
Beide Ufer des Thialgrabens weisen an der Mündung terrassenartige Reste eines
Muhrkegels auf, welcher den Inn gestaut hatte und dann wieder fast gänzlich
abgetragen wurde.
Vom rechten Ufer des Thialgrabens bis zu jener Runse der topographischen Karte,
die von der Kote + 1126 ausgeht, zieht sich eine vorwiegend aus großen Blöcken
bestehende Schuttzone, aus welcher etwa 60m über dem Galmiger-Weg der
anstehende Fels aufragt.
Ihre Entstehung ist zum Teil auf Bergschlipfe, überwiegend aber auf freie Bergstürze
zurückzuführen. Von Nord– gegen Süd nimmt die Festigkeit der Blöcke im
allgemeinen zu, der Wasserreichtum ab, so daß auch das Innere dieser
Trümmermassen gegen Süden weniger zersetzt sein dürfte. Der Fuß gegen den Inn
― 12 ―

besteht durchwegs aus großen, festgelagerten Blöcken, die auf einfache Weise in
künstlichem Verband gebracht werden könnten.
Von der obgenannten Runse bis zu der dem „Kellerle“ benachbarten ist der
Haupthang ziemlich schuttfrei. Am Ausgang der vier Runsen liegen kleine
Aufschwemmungen, die auf der „Gromlach-Terasse“ aufruhen. Die letztere
besteht aus lehmigen Schottern, zeigt infolge des scharfen Angriffs durch den Inn
die E rsc h einung d es so g enan nt en „ Gr uch nf eis “ kan n ab er kein e
Bauschwierigkeiten verursachen.
Vom „Gromlachhaus“ bis zu dem gegen Nordwest vorgeschobenen Gehöft auf
dem „Urgener-Kegel“ folgt eine Region großer, fester Sturzblöcke, zum Teil von
bedeutenden Abmessungen. Der Verband der Masse ist ein so inniger, daß das
angefressene Innufer Böschungen aufweist, die infolge ihrer Steilheit nach
Schichtenplan oder Querprofil für Fels gehalten werden könnten.
Die überaus breiten Anlandungen des alten „Urgbach“-Kegels bestehen aus
gebundenen groben Muhrschottern, die bei der Ortschaft „Urgen“ sogar
hochwandige, steile Böschungen gegen den Inn bilden.

Gegen Südosten verschwindet der „Urgbach“-Kegel in der jüngeren


Flußauflandung der „Urgerau“, welche sich im Staubereich des
„Urgbaches“gebildet hat. Auf dieser Schotterebene sitzt wieder der kleinere Kegel
des „Mezan“- oder „Zanbaches“.
An diese schließt sich die „Stapfener-Plaike“ welche bereits im „Technisch-
geologischen Bericht Nro. 2“ beschrieben wurde.
Von der „Stapfener-Plaike“ bis zur Pontlatzer-Brücke ist der Haupthang mit
Ausnahme der Schroffen zumeist von glazialem, oder jüngeren Schutt bedeckt.
Erwähnenswerte Massen sind nur die schon vorhin angeführte Ackerterrasse,
(Vergl. Skizze Nro. 7) ferner lehmige, zum abrutschen geneigte Schotter (topograf.
Karte S. Nro. 505), die auf der Schotterbank nördlich des „Runserkopfes“ aufsitzen;
die gleichfalls schon genannte Auffüllung der „Runserau“ und schließlich die
Ausläufe der großen Zone festgelagerten Sturzschuttes unter den Schroffen bei der
Pontlatzer-Brücke.
― 13 ―

4. Wasserläufe und Quellen:

a.) der Inn:

Da sich die vorstehenden Ausführungen fast ausschließlich mit dem eigentlichen


Inntal befassen, ist hier nur wenig nachzutragen.
Besondere Beachtung vom Baustandpunkt verdient der Prozeß der Ausgleichung
der Innsohle, der noch in vollem Gange ist.
Die Zerlegung des Längenprofils in flache und stark geneigte Strecken ist auf die
Eigentümlichkeit der glazialen Erosion (Vergl. Skizze Nro 5 auf Seite 8), sowie auf die
Bildung von Staustufen durch die Schuttablagerung der Gletscher
beziehungsweise Wasserläufe aus den Seitentälern zurückzuführen. Die rasche
Sohlenvertiefung findet ihren deutlichsten Ausdruck in den abgefressenen großen
Schwemmkegeln (in dieser Strecke nur Thial- und Urgener-Kegel, vergl. Skizze Nro.
9) und an den drei Engstellen. Bei Schloß Landeck und der „Stapfener-Plaike“ führt
die rasche Sohlenvertiefung am festen Ufer zur Bildung von Steilwänden, am
beweglichen zu Abrutschungen der Lehne. Bei der Pontlatzer-Brücke bestehen für
beide Ufer die gleichen günstigen Verhältnisse. Die Sohle tieft sich also zwischen
den Wänden ohne seitliche Verschiebung ein. Dieser Prozeß soll durch die
Beseitigung der alten Pontlatzer-Holzbrücke einen plötzlichen, auch für Laien
bemerkbaren Fortschritt gemacht haben. Die gleiche Wahrnehmung wird von der
„Prutzer-Brücke“ berichtet (Mitteilung des Postmeisters von Prutz), so daß sich das
Innbett auch noch in der Prutzer-Talweitung eintiefen dürfte.

b.) Rechte Talseite:

An der Spitze des kegelförmigen „Jaggelshütten“-Bergschlipfes (Straßen-km: 152.2


– 151.8) entspringt etwa bei 960m eine kräftige Quelle (am 31. Oktober 1906 ca.
1Sek lit.), die zusammen mit tiefer gelegenen Wasseraustritten einen bachartigen
Ablauf bildet, der zur Wiesenbewässerung auf dem „Kegel“ und eines
Muldenboden oberhalb seiner südlichen Felsumrandung benützt wird. Diese
Quellen könnten für Bahnzwecke nutzbar gemacht werden.
Der nächste nennenswerte Wasserlauf ist der „Pitzbach“ der topographischen
Karte, dessen steiles Bett im Fels liegt, und der auf dem ebenen Schotterboden
zwischen Straße und Haupthang einen flachen Schwemmkegel auflandet.
Auch der Mühlbach führt in felsigen, klammartigen Bett bis nahe an die
Reichsstraße, von welcher er in geschlossenem Bett über seinen Schwemmkegel in
den Inn führt.
Das Gestein, die Decke von lehmiger Grundmoräne und auch die sonnseitige
Lage sind für die Wasseransammlung an der rechten Talseite ungünstig. Die
spärlichen Lehnen- und Quellenwässer werden durchwegs aufgefangen und zur
Bewässerung der Kulturböden auf den alten Glazialterrassen verwendet (vergl.
Auch „Techn.-geolog. Bericht Nro. 2, B. Morphologische Verhältnisse). Die rechte
Talseite weist daher außer den genannten Stellen nur kleinere, trockene Runsen
auf, die allerdings bei starken Wolkenbrüchen erhebliche, mit Lehne, Sand und
Schotter untermischte Wassermassen führen dürften. Die Schuttlager unter dem
„Gachen-Blick zeigen nur geringe Spuren von Wasser. Wahrscheinlich sind aber
sowohl im Schutt, wie in dem aufgeklüfteten Berginneren kräftige Wasseradern
vorhanden.
― 14 ―

c.) Linke Talseite:

Die linke schattenseitige Lehne ist schon in Folge ihre ausgedehnten, durchlässigen
Schuttdecke und der vorwiegenden Bewaldung wesentlich wasserreicher als die
rechte.
Die Zone der umgefalteten und zerquetschten Quarzphyllite vom Grat zwischen
Sanna und Inntal bis zur Runse P. Nro. 751, ist naturgemäß das quellenreichste
Gebiet. Größere Wassermengen sind am linken Ufer des Thialgrabens bereits
gefaßt, liefern aber ein sehr häufig durch erdige Bestandteile und
Glimmerblättchen getrübtes Wasser, ein Mißstand, an welchem nach Ansicht der
Landecker die bekannte Unruhe des Geländes Schuld trägt.
In der Höhe 1400 – 1500, dann bei 1300m wären Wasserfassungen von 5 – 7,
beziehungsweise 2 Sekundenliter auf anscheinend noch ruhigem Gelände
durchführbar. Immerhin würde es sich empfehlen, vorher zu untersuchen, ob die
Trübung in den bestehenden Leitungen auf mangelhafte Erfassung oder
tatsächlich auf Geländebewegungen zurückzuführen ist.
Am Fuß der Lehne von der oberen Landecker Brücke bis zur Runse 751 entspringen
zahlreiche kleine Wasseradern, die vor der Ausführung von Erdbauten unschädlich
abzuleiten wären.
Der Quellenreichtum dieses ganzen Gebietes kommt dem „Thialbach“ zugute,
über welchen auch schon das Wichtigste in früheren Abschnitten enthalten ist.
Wiederholend mag nochmals auf die eminente Muhrgefahr infolge der
ausgedehnten Schuttbewegungen, des Holzreichtums der rutschenden Lehnen
und der zur Verklausung wie geschaffenen Felsklamm nächst der Mündung
hingewiesen werden. Kleine Muhregänge können in dem geschlossenen Bett
unschädlich abgehen, und blos eine vorübergehende Stauung des Inn bewirken.
Der „Urgbach“ hat sich im Anschluß an sein Felsbett ein schon von der Kegelspitze
an gegen Ausbruch gesichertes Bett in seine früheren Auflandungen eingefressen.
Bei Ausführung einer genügenden Lichtweite besteht keine Gefahr für den
Bahnbestand. (Vergl. Skizze Nro. 9)
Ein gleiches gilt für den benachbarten „Mezan“- oder „Zan-Bach“. Von da ab bis
zur „Pontlatzer-Brücke“ besitzt auch das linke Ufer keinen ausgebildeten Wasserlauf
mehr, sondern blos Runsen von Charakter kleiner periodischer Wildbäche. An
Quellgebieten, aus welchen Wasser für Bahnzwecke entnommen werden könnte,
kommen nur der südliche obere Teil der „Stapfener-Plaike“ und die Lichtung mit
den drei Quellenzeichnungen „Q“, nördlich des Punktes 1501, der topografischen
Karte in Betracht.

B.) Bautechnische Verhältnisse.

1.) Geologische Fixpunkte für die Trassenführung:

a.) Die Einfahrt in das Inntal bei Landeck.

Die linke Lehne des Inntales gibt sich dem kundigen Auge des Bauingenieurs sofort
als „schlecht“, als unruhig zu erkennen. Worin die Gefahr liegt, welche Folgen ein
bestimmter Bauvorgang nach sich ziehen kann, läßt sich nur nach dem
geologischen Aufbau des Geländes beurteilen. Für die Trassenführung von der
Station Landeck bis gegen Straßen-km: 152.0 kommen drei scharf
― 15 ―

auseinanderzuhaltende Elemente in Betracht.

1.) Die dem Felsgebirge vorgelagerte Schutt-Terrasse des alten Inndeltas (Seite
1 bis Seite 3 dieses Gutachtens), in welcher keine geologischen
Schwierigkeiten bestehen, die technisch durchaus gutartig ist, und deren
Untergrund im schlimmsten Falle pilotierte Fundamente für die Innbrücke
erheischt.

2.) Das anstehende, aber durch Umfaltung völlig zermürbte Felsgerüste der
linken Talseite, das durch die rasche Eintiefung des Inn zum Teil in unfertiger,
weil noch zu steiler Böschung steht, von eindringenden Wässern durchsetzt
wird, und sich durch Abgleiten der zermorschten Massen auf den festen
Felskernen entlastet. Die größte Gefahr solcher Bergschlipfe besteht
zwischen den südlichsten Häusern von Landeck – Perfuchs und dem
Thialgraben. Der Zeitpunkt und der Umfang einer solchen Felsbewegung ist
unberechenbar, da der Verband der Quetschmassen mit den harten
Kernen nicht feststellbar ist. (Über die Ursachen vergl. Seite 5 bis Seite 7)

3.) Lose, in keinerlei Verband mit dem Anstehenden befindliche Schuttmassen.


Zu diesen zählt das Lehnenstück zwischen der oberen Landecker-Brücke und
den südlichsten Häusern; die bereits abgerutschte Schlipfmasse oberhalb
des betonierten Uferschutzes; die kleinen terrassenartigen Reste des
Thialkegels; die Blockmassen vom rechten Ufer des Thialgrabens bis zur
Runse S. Nro. 751.

Das technische Verhalten dieser Massen ist schon durch ihre Herkunftbezeichnung
gekennzeichnet, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß die Wasserführung
zwischen der oberen Brücke und dem Thialgraben am größten ist, südlich
desselben abnimmt und auch an Gefährlichkeit verliert, weil das Materiale in
gleicher Richtung immer gröber und blockreicher wird (Bergsturz). Wie sich lose,
allfällig durchweichte Massen glimmerreicher Gesteine bei der Ausführung von
Baugruben oder Einschnitten verhalten, ist bekannt. Gerade die am Südende der
Enge kegelartig vorquellenden Blockmassen (Seite 10 und 10/12) bieten trotz ihres
― 16 ―

bedenklichen Aussehens keine Gefahren. Der Beweis hiefür liegt in dem steilen
Profil, das der Inn in die ursprünglich in Verbindung gestandenen Blockmassen
eingefressen hat.

Als aktives, die Gleichgewichtsverhältnisse dieser drei Gebirgsglieder


beeinflussendes Element ist die Erosionskraft des Inn in Rechnung zu ziehen. Das
Flußgefälle in der Engstelle ist an und für sich groß, wobei noch die Muhrgänge des
Thialgrabens eine Staustufe geschaffen haben, welche der oberhalb gelegenen
Flußstrecke zugute kommt, in der Partie des Bergschlipfes aber eine umso heftigere
Sohlenvertiefung erzeugt.

Jeder Eintiefung „e“ entspricht aber ein zunächst schlipfartiges, dann allmähliches
Nachbrechen des gelockerten Ufers. (In der Schutt-Terasse unterhalb der
nördlichen Strassenbrücke ist dieser Prozeß, der auch für Schuttufer gilt, infolge der
horizontalen Wanderung des Flußbettes und oberflächlicher Erhärtung des
Materiales zum Stillstand gekommen und hat unfertige Böschungen hinterlassen)
Nimmt man also das Gefahrenmoment von Abbrüchen des felsigen aber
zerdrückten Lehnmaterials „2“ in Kauf und sucht dasselbe allenfalls durch
Entwässerungsstollen und Entlastungsböschungen zu mindern, so wäre der Bau
einer offenen Linie am linken Ufer unter folgenden Bedingungen durchführbar.

1.) Ausreichende Höhe und Lichtweite bei der Übersetzung des Thialgrabens;
wobei die Konstruktions-Unterkante mindestens 5m über der bestehenden
Wegbrücke liegen; die Lichtweite ca. 25m betragen müsste.

2.) Keine Verminderung des Durchflußprofiles der Engstellen durch die


Bahnanlagen.
― 17 ―

3.) Vollkommene Fixierung der Innsohle durch Einbau von Grundschwellen


allenfalls mittelst Betonsinkwalzen „System Feuerlöscher“.

4.) Gründliche, dem Bau vorauseilende Entwässerung der nassen Lehnenteile.

5.) Tunlichstes, eventuell vollständiges Vermeiden von Anschnitten zwischen der


oberen Innbrücke und dem Thialgraben. Erdböschungen sind unzulässig; die
breitbasigen Futtermauern erhalten vergrößerten Anzug 1:1/4 oder
vergrößerte Kronenstärke und sind bis zum Verschnitt mit dem Gelände; bei
brüchigem Fels auch höher zu führen. — Möglichste Beschränkung im
Anschneiden südlich des Thialgrabens mindestens 1m hohe, breitbasige
Grabenmauern, Böschungen 1:1½. —

Die Linie ist also in der Hauptsache auf zu stützenden, das Gelände blos
belastenden Kunstbauten zu führen, die entweder zur Vermeidung eines
durchlaufenden Längsschlitzes viaduktartig mit breiten Pfeilern und unter dem
Gelände liegenden Sparbogen, oder in kurzen, sorgfältig an das Gelände
angemauerten Stücken („Ringen“) als geschlossene ¼ füßige Stützmauern,
ausgeführt werden können.
_______ . _______

Die Erhaltung einer derart, unter strenger Beobachtung aller Vorsichtsmaßregeln


hergestellten Linie wird aber trotzdem ungünstig sein.
Abgesehen von der Gefahr katastrophaler Bergschlipfe oder Muhrbrüche,
abgesehen von der kurzfristigen Erneuerung der Sohlensicherung im Innfluß, wird
die Erhaltung der Lehnenbauten beträchtlichen Aufwand erfordern, da die
Tendenz des langsamen aber stetigen Nachschiebens nicht völlig zu bannen ist. Es
ist nachgewiesen, daß sehr alte, scheinbar vollkommen festgelagerte Bergstürze in
der nassen Jahreszeit auf geneigter Unterlage beträchtlich wandern.
Die Arlbergstrecke zwischen der Haltestelle Landeck–Perfuchs um Kilometer 76.0
gibt bei gleicher geologische Beschaffenheit das beste Beispiel für das Verhalten
schuttbedeckter Lehnen des glimmerreichen Quarzphyllites.
Selbst wo der Fuß der Lehne vollkommen trocken und durch ein breites Vorland
dem Angriff der Sanna entzogen ist, wandert die Linie trotz reichlicher
Entwässerungsbauten zutal, die Futter- Graben- und Stützmauer sind verschoben
und mussten schon mehrfach erneuert werden. Hiebei wird die
Bewegungstendenz ersichtlich immer kräftiger, je schmäler das flache Vorland
wird, und ist am stärksten unterhalb km: 74.9/75.0, wo die Sanna infolge eines
Wehrbaues die Bahn bespült.
Die Bahn liegt hier in einer Mulde, viaduktartig, also ohne Anschnitt, auf Mauern
geführt, die eine Durchfahrt enthalten. Das ganze Bauwerk ist zutal gedreht, und
nur durch vier vorgesetzte kräftige Pfeiler u.s.w. vor dem Einsturz bewahrt worden.
Die stärkste Drehung entspricht, selbst wenn man blos 1:20 ursprünglichen Anzug
voraussetzt, einem Horizontalweg von rund 1.5m. Berücksichtigt man, daß
sicherlich gleichzeitig ein waagerechtes vorschreiten des Fußes stattfindet, so
erscheint die in Landeck herrschende Ansicht, daß die Linie seit der Erbauung
schon um mehrere Meter zutal gewandert sei, vollkommen glaubwürdig. Die
Nutzanwendung dieser Erfahrung auf die Schnittlehne im Inntal, die nicht nur des
Vorlandes entbehren, sondern kräftig vom Inn bearbeitet werden eröffnet keine
erfreuliche Aussicht für die Erhaltung der Bauwerke.
― 18 ―

_______ . _______

Die offene Linienführung am linken Innufer ist also rein bautechnisch betrachtet
möglich.
Die hohe Übersetzung des Thialgrabens würde aber entweder zum Überschreiten
der Höchststeigung von 15‰ zwingen, was betriebstechnisch unzulässig ist, oder zu
ganz besonderen baulichen Schwierigkeiten im Ortsbereich führen, welche im
Vereine mit den vielen Nebenanlagen die Baukosten außerordentlich erhöhen
würden.
Vom Erhaltungsstandpunkt sprechen sowohl die Gefahr katastrophaler
Bergschlipfe und Muhrgänge, wie das nicht aufhaltbare, stetige Talwärtsschieben
des Bahnkörpers gegen die Linienführung am linken Innufer.
Mit Rücksicht auf die geologischen Verhältnisse dieses Ufers muß auch von der
Anlage von Tunnels abgeraten werden.
Es ergibt sich somit die Notwendigkeit, die Möglichkeit einer Trassenführung am
rechten Ufer zu untersuchen.

_______ . _______

Über den von seiten der k.k. Eisenbahn-Baudirektion bereits in Erwägung gezogen
ca. 2 km langen Tunnel von der Station Landeck bis oberhalb des Jaggelshütten-
― 19 ―

Bergschlipfes wurde im „Technisch-geologischen Bericht Nro. 2“ schon ein


vorläufiges Gutachten abgegeben.
Andeutungen der an jener Stelle erwähnten, infolge der Höhe der
Dislokationsgrenze gegen die Kalkalpen möglichen Komplikationen, sind durch ein
dunkelgraugrünes Eruptionsgestein gegeben, das östlich der Landecker-Kirche in
kleinen Steinbrüchen aufgeschlossen ist. Es scheint sich jedoch um ein vereinzeltes,
gangartiges Vorkommen zu handeln, das auch bei mehrfacher Wiederholung
unbedenklich wäre, da das Ganggestein äußerst hart und dicht ist, und den
Quarzphyllit am Kontakt nicht nachteilig verändert hat.
Die Ergänzungs-Begehung vom 31. Oktober 1906 bestätigte, dass der Tunnel nach
Durchfahrung der Schutt-Terrasse des alten Inndeltas ausschließlich den steil
gestellten, vorwiegend Süd-fallenden, gefalteten, Quarzphyllit durchschneiden
würde. Untertags liegende Einfaltungen oder Aufbrüche von Triaskalk sind nicht zu
erwarten. Hingegen können auch im Berginneren kleinere druckhafte und nasse
Zonen schutterartig zerrütteten Gesteins auftreten. Im Ganzen ist der Quarzphyllit
jedoch ein hartes, standfestes Tunnelgestein, in welchem das eingeleisige Profil
zumeist ohne Ausmauerung hält. Die Wasserführung des festen Gesteins ist eine
sehr geringe, der stärkere Zulauf längs Verwerfungsklüften oder Quetschzonen
kann keinen bedenklichen Umfang annehmen.

Da die scharfe oberflächliche Abgrenzung der ebenen Vorterrasse gegen den


geneigten Felshang, der sich ungefähr mit gleicher Neigung in die Tiefe fortsetzt, in
der topografischen Karte, beziehungsweise den Schichtenplänen kenntlich ist,
entfällt die Zeichnung eines geologischen Tunnelprofiles.

Die dritte Möglichkeit der Einfahrt in das Inntal wäre die Trassenführung links der
Arlbergbahn unter Unterquerung der Reichsstrasse, wobei die Linie auf dem
rechten Innufer bleiben würde. Geologische Schwierigkeiten bestünden hiebei
nicht.
Die technische Durchführbarkeit dieser Lösung kann mangels aller Behelfe nicht
überprüft werden. Augenscheinlich größere Kosten würde die Stadtbahn-Strecke
knapp unter den Häusern am rechten Ufer des Inn verursachen. Diesem
Mehrerfordernis und der mutmaßlich wegen Erschütterung der Dependance des
Hotel Post zu zahlenden Entschädigung stünde die Ersparnis zweier Innbrücken
gegenüber. Am Felsufer des Inn ist die offene Führung dadurch erschwert, daß
keine Einengung des Flusses stattfinden darf und daß größere Felssprengungen
den Verkehr auf der Reichsstraße und die ohnehin schon bedenklichen
Halbgallerien gefährden würden. Hingegen bestehen für die Ausführung eines
Lehnentunnels mit genügender Fleischstärke ziemlich günstige Verhältnisse. – Um
die Tunnellänge nicht übermäßig zu vergrößern, wäre die Bahn offen um die
Schuttmasse Straßenkm: 151.8 – 152.2 zu führen.
Dies bedingt zumindest die Freihaltung und Befestigung des bestehenden
Innprofiles, die leicht durchführbare Ableitung der den Schutt durchnässenden
Quellwässer (Vergl. S. 13), und den Einbau verstärkter, bis auf Strassenhöhe
reichender Futtermauern.
Da die Schuttmasse aus teilweise hausgroßen, abgesessenen Felstrümmern
besteht, ist keine eigentliche Rutschung zu befürchten. Das langsame Verschieben
findet jedoch auch hier statt, wodurch zum Beispiel die den scheinbaren Fels
verkleidende Futtermauer der Reichsstrasse zerschoben wurde.
― 20 ―

Mit der Klarstellung und Zergliederung der geologischen Schwierigkeiten und der
Formulierung der hievon unmittelbar abhängen Bau-Maßnahmen ist die
Grundlage für eine rein technisch-wirtschaftliche Entscheidung über die Frage der
Einfahrt in das Inntal gegeben.

b.) Stationsplätze:

Für die Anlage einer Betriebsstation zwischen Landeck und Prutz sind zwei
geeignete Plätze vorhanden: Am rechten Innufer an der Mündung des Pitzbaches
östlich von Fliess, am linken Ufer der Urgerau. Beide Flachböden sind
grobschotterige – blockige Auffüllungen oberhalb des alten Urgbachkegels und
tragen die jüngere Schwemmkegel des Pitz- beziehungsweise des Zap-Baches
(Vergl. Seite 12).
Die Urgerau bildet hinsichtlich der Höhenlage, des Grundwasserstandes und der
Einfahrt in den Tunnel zur Umgehung der Stapfener-Plaike die günstigeren
Verhältnisse.

c.) Die Stapfener-Plaike:

Die Äußerung im „Technisch-geologischen Bericht Nro. 2“ ist nichts wesentliches


mehr hinzuzufügen. Die Bemerkungen über Schichtlage und Strassenbau auf S.8
sprechen zu gunsten der vorgeschlagenen Linienführungen im Tunnel. Die
Westspitze der brüchigen Felswand mit der Rückfallkuppe erlaubt die
Innübersetzung gegen den Punkt + 842 der topografischen Karte zu führen. – Das
linksufrige Widerlager einer allfälligen oberen Brücke könnte knapp zum Widerlager
der Wegbrücke beim „Neuen Zoll“ kommen.

d.) Der Gache Blick:

Um die Linie gegen einen allfälligen Bergsturz vom „Gachen Blick“ wirksam zu
schützen, müßte die schmale Runser-Felsnase durchtunnelt und die Nivellette
soweit gehoben werden, daß eine Umfahrung der Runser-Au an der Hauptlehne
möglich wird.
Dies bedingt aber auch in der Fortsetzung einen Tunnel durch das Nordende der
linksufrigen Pontlatzer Schroffen.

2.) Einbauten in das veränderliche Flussbett:

Sämtliche Einbauten in das Flußbett zwischen Landeck und der Pontlatzer-Brücke


müssen nach Art einer zusammenhängenden Flußregulierung ausgeführt werden.
Bei Außerachtlassung dieser Vorsicht könnte der Fall eintreten, daß die an einer
Stelle ausgeführten Uferschutzbauten binnen weniger Jahre eine derartige
Eintiefung der Flußsohle hervorrufen, dass die flußaufwärts gelegenen Bauwerke
ihre Fundamente verlieren.
In erster Linie ist daher die Sohle in den Engstellen durch Querbauten
(Grundschwellen) zu fixieren und das erforderliche gegenwärtig schon äußerst
knappe Durchflußprofil aufrecht zu erhalten.
In den beckenartigen Talweitungen kann die Linie zur Vermeidung von
Lehnenbauten vielfach auf dem Schottervorland aufgedämmt geführt werden.
― 21 ―

Die Fundierungstiefe der hiebei auszuführenden Längsbauten (Ufer- und


Dammschutz) darf nicht mit einem starren Normalmaß festgesetzt, sondern nur den
Gefälleverhältnissen und der Lage gegen die Stufen des Längenprofiles angepaßt
werden.
Sind letztere durch Querbauten fixiert, so werden deren Kosten durch verringerte
Fundierungstiefe der Längsbauten reichlich herein gebracht.

3.) Baustoffe:

a.) Sand:

Trotzdem die Linie zwischen Landeck und der Pontlatzer-Brücke entlang des Inn
läuft, ist die Beschaffung reschen guten Mauersandes ziemlich umständlich.
Die gegenwärtigen Flußablagerungen enthalten viel feinen backenden Wellsand,
doch kommen auch Lagen reschen Mauersandes vor, dessen Gewinnung nur
durch die eingelagerten Mugel und Blöcke erschwert ist.
Versuchsweise Aufdeckungen in den breiten Beckenauffüllungen und den
niederen Vorterrassen der Lehne werden genügend ausbeutungswürdige Lager
ergeben.
Die diluvialen, über die heutigen Flußsohle liegenden Ablagerungen versprechen
nur zum Teil eine Ausbeute an Sand, da die lehmige Grundmoräne vorherrscht.
Aus den Schwemmkegeln der Seitenbäche dürfte sich infolge des vorherrschend
glimmerreichen und bei dem kurzen Talweg groben Materiales nur wenig
geeigneter Sand gewinnen lassen.

b.) Schotter:

Der Bedarf an Bahnschotter für die Umgebung von Landeck läßt sich – falls von der
Zufuhr mittelst Schotterzügen abgesehen wird – aus der alten Deltaterrasse durch
Schlägeln des vorwiegend gröberen Schuttes decken.
Der Inn enthält wenig für Bahnschotter geeignete Lagen, die gleichfalls in den
Anfüllungen der Talweitungen und in den Niederterrassen zu suchen sind.
Hingegen liefern die glazialen Ablagerungen gute Grubenschotter, insbesondere
am linken Ufer des Pitzbaches.
Gegen die Herstellung von Schlägelschotter aus gesundem Quarzphyllit,
Glimmerschiefer und Gneisphyllit ist nichts einzuwenden, doch besitzt der
Gneisphyllit von diesen Gesteinen die günstigsten Eigenschaften.
Eckiger, grober Schotter dürfte sich auch in den Schwemmkegeln der Seitenbäche
und Runsen finden.
Für Strassenherstellungen kommen neben den backenden Grubenschottern aus
den Diluviallagern nur Kalkschotter aus der Gegend von Zams, wo der Kalk auf das
rechte Innufer übergreift, in Betracht.
Kalk – und Dolomitschotter ließen sich aber auch in beliebigen Mengen von
beiden in Innufern zwischen der Pontlatzer-Brücke und der Entbruck erzeugen.

c.) Baustein:

Der Umstand, daß die Pfeiler des Inn-Viaduktes der Arlbergbahn aus Kalkstein
gemauert sind, läßt darauf schließen, daß die Ergiebigkeit der Landecker-
― 22 ―

Deltaterrassen eine geringe war. Da die Einschnitte der Arlbergbahn über dem
Straßenniveau und in beträchtlicher Radial-Entfernung von der eigentlichen
Talmündung liegen, werden die Aufschlüsse der Vinschgaubahn wesentlich
blockreicher sein.
Der anstehende Quarzphyllit der rechten Talseite ist für die Steingewinnung nicht
besonders geeignet, da die ebenen Schichten äußerst glatte, glimmerige
Lagerflächen besitzen, an welchen der Mörtel nicht haftet. Bei den ohne Bruch
verknittert gefalteten Bänken ist dieser Übelstand weniger fühlbar, insbesonders wo
reichlich Knauern und Gänge vom Quarz auftreten. Der Quarzphyllit läßt nur eine
ziemlich rohe Bearbeitung zu, doch ist die Herstellung kleinerer Quadern aus
ausgesuchten Stücken möglich. Für diese Zwecke dürfte sich auch das kleine
Vorkommen des harten Eruptionsgesteines nächst der Landecker-Kirche eignen.
Der Glimmerschiefer der mittleren Zone besitzt dieselben technischen
Eigenschaften, wie der Quarzphyllit.
Der Gneisphyllit ist im allgemeinen fester und besser zu bearbeiten, auch die
Mörtelanhaftung ist größer, doch eignet sich auch dieses Gestein nicht zur
Erzeugung größerer Quader, die wahrscheinlich aus erratischem Flasergneis oder
Granit des Kaunser-Tales zu beschaffen sein werden. Einschlägige Erhebungen
wurden nicht durchgeführt.
An der linken Talseite befinden sich zwei große Blocklager, die viel Bausteine liefern
können. Das eine liegt gegenüber Strassen-km: 151. 6/8 am Gallmiger-Weg, das
zweite befindet sich östlich des Gromlachhauses und dürfte auch
Hornblendeschiefer enthalten.
Mit Ausnahme der Zonen des gedrückten Gesteines wird sich an dem wenigen
Stellen, an welchen das linke Ufer blanken Fels zeigt, Bruchstein gewinnen lassen.
Am Ostende der Stapfener-Plaike führt der Hornblendeschiefer auffallenderweise
Einlagen von kristallinen Marmor, die sich bei genügender Ausdehnung vielleicht
zur Erzeugung von Bruchstein und Weißkalk verwerten ließen.
Der Gneisphyllit zwischen Runs und der Pontlatzer-Brücke eignet sich jedenfalls zur
Anlage von Steinbrüchen.
Leicht bearbeitbarer Kalkstein wäre an beiden Ufern zwischen der Pontlatzer-
Brücke und Entbruck vorhanden.
Im Ganzen ist daher lagerhafter Bruchstein und rauher Schichtenstein überall in
ausreichender Menge und mit geringen Verführungsweiten zu beschaffen.

Zusammenfassung zu I und II:

In den vorangehenden Ausführungen sind alle die Trassenführung und den Bau
beeinflußenden wesentlichen geologischen Verhältnisse vollkommen klargelegt. Es
bedarf daher für diese Zwecke keine Sondierungen, und damit wird der erste,
wenn auch kleine wirtschaftliche Erfolg der geologischen Bodenuntersuchung
greifbar. Der volle Wert derselben kann sich erst während der Bauausführung und
insbesondere bei der Erhaltung der Linie geltend machen.
Für das Detailprojekt sind wohl noch Einzelnheiten festzustellen. Die meisten kann
der Gefertigte schon heute mit Sicherheit und ohne Schurfarbeiten beantworten.
Die übrigen lassen sich mit äußerst kleinem Kostenaufwand durch wirklich
planmäßig angeordnete Sondierungen unschwer feststellen.
Die Strecke Landeck — Pontlatzer-Brücke enthält für denjenigen, der sich die
vorstehenden Ausführungen zu eigen gemacht hat, keine Unbekannten mehr. Sie
― 23 ―

besteht aus den beschriebenen Gefahrpunkten mit indifferenten


Zwischenstrecken.
Eine Ausfeilung der schwierigen Defilétrasse ist nur auf Grund von Schichtenplänen
möglich. Ohne Rücksicht auf rein bautechnische Momente, wie
Strassenkreuzungen und dergleichen ergibt sich aber die folgende:

Geologische Trasse:

1.) Von Landeck links der Arlbergbahn und auf's rechte Innufer abschwenkend,
längs desselben zu den Schroffen von Schloß Landeck. Von hier falls möglich
offen – sonst im Lehnentunnel, aber stets unter ausreichender Hochführung
der Nivellette gegenüber und ober dem Thialgraben zu der offenen zu
umfahrenden Schuttmassen, Strassen-km: 152.2 – 151.8
(„Jaggelshütten“schlipf)
1a) Als Variante:
Die nur als Regiebau ausführbare offene Linienführung auf dem linken Ufer, mit
einem selbst bei Einhaltung der Forderungen S. 16 bis 17 bedeutendem Risiko für
Bau und Erhaltung.

2.) Vom Ostende der Schuttmassen die geologisch indifferente Talstrecke bis zur
Stapfener-Plaike. Am rechten Ufer, mit Ausnahme des ersten Kilometers, mit
großem Aufwand an Mörtelmauerwerk und bedeutenden Felssprengungen,
am linken Ufer vorwiegend als Erdarbeit verbunden mit Flußbauten.

3.) Im Bereiche der Stapfener-Plaike unbedingt auf der rechten Talseite in


ausreichender Höhe über dem Fluß, entweder offen, oder sicherer im Tunnel.

4.) Von da ab bis zum Sturzbereich des „Gachen Blick“ wieder eine geologisch
indifferente Talstrecke. Das linke Ufer ist technisch vorzuziehen.

5.) Gegenüber dem „Gachen Blick“ unbedingt am linken Ufer in ausreichender


Höhe, mit Umfahrung der „Runser-Au“.

6.) Von da ab eine geologisch indifferente Talenge, in welcher die Wahl der
Talseite von der Linienführung flußaufwärts der Pontlatzer-Brücke abhängt.

_______ . _______

Diese vom technisch-geologischen Standpunkt günstigste Trasse ist in der


topografischen Detailkarte ersichtlich gemacht.

Landeck, am 22. Dezember 1906.

Ing. Max Singer m.p.


― 24 ―

Geologisches Gutachten für den Bau der Eisenbahn-Linie: „Landeck — Mals“.


Teilstrecke Landeck — Nauders.

III. Die Prutzer Talweitung.


(Der Nordrand des geologischen Fensters im Oberinntal)

A.) Geologische Verhältnisse.


(Vergl. „Technisch-geologisch. Bericht Nro.2)

1.) Das Felsgebirge:

Innaufwärts von der Pontlatzer-Brücke kommt die Bahnanlage nur wenig in


Berührung mit dem anstehenden Fels. Es kann daher von einer
zusammenhängenden Darstellung der komplizierten geologischen Verhältnisse
abgesehen werden, und es genügt die im „Technisch-geologischen Bericht Nro. 2“
enthaltene Angaben durch den Nachtrag technisch wichtiger Einzelheiten zu
ergänzen.
Die auffällige Vergrößerung der Talbreite oberhalb der Pontlatzer-Brücke hängt
sowohl mit den tektonischen Verhältnissen, als mit der verstärkten Erosionswirkung
der vereinigten Gletscher beziehungsweise Gewässer des Kaunser- und Inntales
zusammen.
Etwas 0.70 km der rechten und 0,8 km der linken Talwand flußaufwärts der
Pontlatzer-Brücke gehören geologisch noch zum Gneisphyllit der kristallinen
Scholle. Erst hier liegt der Nordrand des geologischen Fensters, das durch die
Abtragung der überschobenen kristallinen Gesteine entstand und die
darunterliegende lepontinische Serie (Bündner-Schiefer) zutagetreten läßt.
Die beiliegenden Profile I und II zeigen den Aufbau beider Ufer. Charakteristisch für
die ganze Talweitung ist die äußerst heftige Verfaltung der einzelnen
Schichtkomplexe und der nicht minder wechselnden Erhaltungszustand der
Gesteine. Neben völlig rissefreien, feinkristallinen festen Kalkschollen finden sich
sandartig zerfallende, zerpreßte Dolomite. Die Quarzite erscheinen in den
mannigfaltigsten Texturen und Farben.
Als dünnblätterige, kalkreiche Schiefer, sogenannte bunte Bündner Schiefer, und
anderseits in festen überwiegend aus Quarz bestehenden Bänken, welche die
steile, von der Burgruine Landeck bekrönte Felsrippe, das „Quarzit-Riff“ mit dem
Sauerbrunn bilden. Das technisch ungünstigste Gestein sind dunkle, tonreiche oder
graphitische Schiefer, äußerst dünnblättrige Schiefer, die leicht verwittern. Als
Einlagerung enthalten sie dünne Platten eines harten schiefrigen Sandsteines.
Das Streichen der Schiefer ist im Mittel 50° O, also ungefähr N-O, erfährt aber
infolge der starken Faltung stellenweise beträchtliche Ablenkungen. Dabei fallen
die Schichten, abgesehen von einigen sichtbaren Falten und dem
Überschiebungsrand fast durchgängig steil nach Norden.
In der unmittelbaren Umgebung der großen Kalkblöcke haben sich die weichen
Schiefer völlig der Oberfläche der exotischen Blöcke angeschmiegt, zeigen daher
eine sehr unruhige Lagerung.
Eine sichere Altersbestimmung der Gesteine der Prutzer-Talweitung ist in
Ermanglung von Fossilfunden bisher noch nicht gelungen. Nach der
Gesteinsbeschaffenheit wären die Kalk- und Dolomitschollen samt ihren dunklen
Liegendschiefern der unteren Trias zuzuzählen. Die Quarzite und Talkquarzschiefer
― 25 ―

sind möglicherweise pernisch.


In der Nähe der Talsohle sind die Kalkgesteine in einzelnen kleinen Schollen
abgeschnürt, die in den Schiefern förmlich eingewickelt sind.
Gegen Süden wird die Prutzer-Talweitung am linken Innufer von einem Felsrücken
begrenzt, auf welchem sich die Wege, die von Prutz und Ried nach Ladis führen,
vereinigen. (Topogr. Karte + 1038) Der Fuß desselben wird vom Inn bespült, und
zeigt thon- und graphitreiche, von Quarzknauern und Gängen durchschwärmte
graue, meist dünnblättrige Bündner-Schiefer.
Als rechtsufriger Rand der Talweitung kann der Punkt + 871 der Reichsstraße
angenommen werden.

Die Störungslinien dürften sich infolge der unbedeutenden Eingriffe des Bahnbaues
in das Felsgebirge technisch kaum bemerkbar machen. Die größte ist der
ausgewitterte Nordrand der Hauptüberschiebung, welcher von „Ober-Asters“ zum
„Außergufler“ läuft. Eine zweite Dislokationslinie ist durch die Prutzer- und Obladiser-
Mineralquellen gekennzeichnet.

_______ . _______

Die Lehnenteile, an welchen die Trasse mit dem anstehenden in Berührung


kommen kann, sind folgende:
Am rechten Ufer:
1.) Von der Pontlatzer-Brücke bis zu der kleinen auffallend weiße Blöcke
führenden Runse, welche von der Südseite des „Außergufer“ herabführt,
reichen die Schroffen des Gneisphyllites. Das Streichen ist nahezu senkrecht
zur freien Wand, das Fallen steil bis saiger. Zu beachten sind die
dünnschiefrigen, phyllitischen Partien am „Erzbach“; das übrige Gestein hat
Gneischarakter, und ist äußerst standfest.

2.) An die obgenannte Grenzrunse schließt die Zone der großen Kalkblöcke;
anstehender Kalkfels wird nicht berührt.

3.) Am Nordrand des flachen, durch den „Faggenbach“ aufgeschüttelten


Schwemmlandes folgt eine üppige Wiesenfläche, die einen eigenartigen,
wahrscheinlich durch Injektion eruptiver Gesteine buntgefärbten,
quarzreichen Phyllit verdeckt.
Das Gestein wird von einem Haufwerk loser Blöcke überlagert welches
infolge reichlicher Wasserführung rutschgefährlich ist.

4.) Gegen Süden hebt sich ein Schroffen hellgrauer fester und dunkler, thoniger,
zugleich mehrblättriger Bündner-Schiefer über die Depression oder Phyllite.
Das mürbe Gestein ist stark gestört und neigt zu Ablösungen. Infolge der
geringen Wandhöhe kann keine erhebliche Gefahr für die Bahnanlage
entstehen.
Von da ab wird in Bahnhöhe an der rechten Lehne der Prutzer-Talweitung
kein Fels mehr angetroffen.

Am linken Ufer:
1.) In der ganzen Strecke von der Pontlatzer-Brücke bis zu den nördlichsten
Häusern von „Entbruck“ ist das Anfahren von Felsen ausgeschlossen.
― 26 ―

2.) Von diesen Häusern, (zwischen welchen der Weg zu den „Astershöfen“
durchführt) gegen das „Quarzitriff“ steht grauer, meist fester Kalkstein an.
Eine große Scholle desselben wird als Steinbruch abgebaut.

3.) Der Kalk wird vom Quarzitkomplex unterteuft, welcher sowohl bunte,
dünnblättrige Schiefer, als standfesten, gebankten Quarzit umfaßt. Er reicht,
mit Ausnahme des „Riffes“ zumeist von Moräne bedeckt, bis zum
„Wolfsbach“.

4.) Vom „Wolfsbach“ bis zum Felsrücken + 1038 besteht der Hang aus grauen,
bald kalkreichen, bald quarzreichen petrographisch mannigfaltigen
Bündner-Schiefern. Eine kleine Strecke weit sind ihnen unbedeutende Reste
diluvialer Konglomerate und Sandsteine angelagert.

Die vom Inn bespülte Nase ist von äußerst ungünstigen Ablösungsklüften (str. 30°
West, f 70° Ost) durchzogen, welche zur Bildung überhängender, sturzgefährlicher
Wandpartien führten.

2.) Der Felsuntergrund des Innbettes:

Die Lehnen, welche den Boden der Prutzer-Talweitung umrahmen, sind mit
Ausnahme der im vorigen Abschnitt genannten Steilflächen von Schutt bedeckt.
Unter den linksufrigen Schroffen des Gneisphyllites liegt festgebackenes Blockwerk,
die sanfter geneigten Hänge der lepontinischen Gesteine sind fast durchgängig
von lehmiger, harter Grundmoräne überzogen. Der alte Inngletscher hat hier ein
tiefes Becken ausgeschliffen, das vor dem Durchbruch der Gewässer längs des
heutigen Inntales als Gletschersee mit feinem Schlier, Sand und Schotter aufgefüllt
wurde. Gegenwärtig tauchen die geneigten Felslehnen mit ihrem Überzug von
G r u n d m o r ä n e e r s t o b er h a l b d e r f l a c h e n , a b e r w e i t a u s g ed e h n t en
Aufschwemmungen des „Faggenbaches“ empor. Der eigentliche Felsgrund liegt
in ungewöhnlich großer Tiefe, auf welche bei Bauanlagen keine Rücksicht mehr
genommen werden kann.
Eine feste Ziffer läßt sich bei den Eigenheiten der Gletscher-Eroysion nicht
angeben.
Bei der Pontlatzer-Brücke mag der Fels gegen 20m unter der Flußsohle liegen. Im
Prutzer-Becken dürfte dieser Wert auf mehr als das doppelte ansteigen, am
Übergange in das normale Inntal bei der Felsnase + 1038 im halben Abstand der
Hauptlehnen wieder auf 15—20m sinken. Unmittelbar an der vom Inn
angegriffenen Wand der Nase liegt die Abrasionsstufe beträchtlich höher, kann
aber noch immer 6–8m Überlagerung besitzen.
Für die Zwecke des Bahnbaues dürften diese unbestimmten Angaben genügen.
Genaueres läßt sich nicht angeben, da blos die negativen Erfahrungen von
ausgeführten Bahnbauten, bei welchen der Felsboden nicht gefunden wurde
vorliegen.
Erst die positiven Ergebnisse einer systematischen Abbohrung eines Beckens
würden es ermöglichen bei künftigen Voraussagen ohne neuerliche Bohrungen
verläßliche Werte zu ermitteln.
― 27 ―

3.) Diluviale und jüngere Schuttbildungen.

a.) Auffüllungen des Flussbettes:

Entsprechend der tiefen Lage des Felsgrundes spielen die Auffüllungen in der
Prutzer-Talweitung eine wesentlich größere Rolle als im Engtal gegen Landeck.
Sie ermöglichen es die Trasse fast durchwegs auf Schwemmland zu führen und sie
hiedurch von dem komplizierten Bau des Felsgebirges unabhängig zu machen.
Von der Pontlatzer-Brücke bis zur Verbindungslinie der „Asters-Höfe“ mit Punkt +
1053 südöstlich des „Untergufer“ liegen die Auffüllungen des Beckens noch frei.
Dann werden sie am rechten Ufer von den weitausgedehnten Überguß-
Schüttungen des „Faggenbaches“ bedeckt, die einen flachen Kegel bilden, auf
welchem Prutz liegt.
Am linken Ufer greift der in der Hauptmasse noch diluviale Schwemmkegel des
vom „Frommes“ herabfließenden Baches in die Beckenauffüllungen ein.
Zwischen der Prutzer-Brücke und der Felsnase + 1038 liegt eine flache, nur aus
Ablagerungen des Inn bestehende Au, auf welcher der „Wolfbach“ seinen meist
sandigen Detritus absetzt.

Ein schematischer Querschnitt der Beckenauffüllung würde zuunterst die


Überkleidung des Felsens mit lehmiger Grundmoräne in der Ausbildung als
Lehmbeton oder als Lehm mit einzelnen runden gekritzten Geschieben zeigen,
darüber Schlier mit dem Vorstoß der unter Wasser aufgebauten, diluvialen
Schwemmkegel der in das Becken mündenden Seitenbäche und dem gleichzeitig
zum Absatz gelangten horizontalen Schichten der nach oben zu gröber
werdenden Geschiebe des Hauptwasserlaufes. In letzteren sind lagenweise
Wiederholungen vorwiegend feiner oder grober Sedimente anzunehmen.
An der heutigen Oberfläche liegen normale Flußablagerungen, die entsprechend
dem geringen Gefälle ziemlich sandreich sind, insbesondere im Gebiet der
gegenwärtigen Hochwässer („Tullenau, Wolfbach-Au“).

b.) Schuttmassen der rechten Talseite:

Unter den Schroffen des Gneisphyllites baut der „Erzbach“ einen kleinen
― 28 ―

Schwemmkegel in den Inn, der „Guferbach“ und kleinere Runsen setzen ihre
Geschiebe auf dem ebenen, grundwassergetränken Vorland der
Beckenauffüllung ab.
Die schon im Abschnitt erwähnten, teilweise hausgroßen Blöcke der Kalkregion
sind zu den Schuttmassen zu zählen. Sie rühren wahrscheinlich von einem bereits
zur Diluvialzeit erfolgten Bergsturze her und liegen auf blockreicher, auch kristalline
Gestein führender, lehmiger Grundmoräne, die letztere bildete eine schmale
Terrasse, über welche ein Holzweg läuft und bringt als wasserundurchlässige
Unterlage das in der Kalkregion gesammelte Wasser in starken Quellen zum Austritt.
Soweit diese Zone unmittelbar vom Inn bespült wird, sind alle lehmigen und
feineren Bestandteile ausgewaschen, und die zurückgebliebenen großen Blöcke
bilden einen natürlichen kräftigen Uferschutz.
In der gleichfalls schon erwähnten, anschließenden Region der bunten Phyllite sind
nur unzureichende Aufschlüsse vorhanden, die blos eine starke Zertrümmerung des
Gesteins erkennen lassen, aber keine Abgrenzung von Schutt und Anstehendem
ermöglichen. Die Blockgröße ist auch hier mitunter eine sehr bedeutende, die
Gesteinbeschaffenheit kann aber bei der ziemlich starken Wasserführung trotzdem
Anlaß zu Rutschungen geben. Ein Anschneiden dieses Lehnenteiles ist möglichst zu
vermeiden.
Der Bündnerschiefer-Schroffen unterhalb des Bildstockes 960 der topografischen
Karte bezeichnet das Nordende einer Reihe von kultivierten Diluvialterrassen,
welche sich über den „Faggenbach“ bis zum Südrand der Putzer-Weiterung
erstrecken.
Die der Felslehne unmittelbar aufliegenden Teile sind meist gerundeter
Glazialschutt, sowohl als lehmige harte Grundmoräne, wie in sandreicher, völliger
Ausbildung auftretend. Darüber liegt kleinstückiger, lehmig gebundener Schutt aus
Bündner-Schiefer, so in den scharfrandigen, aus dem gestreckten Haupthang
vortretenden und einfüßig abgefressenen Resten eines Schwemmkegels unter den
„Fallpauser-Runsen“ und in den Terrassen oberhalb der Reichsstraße bei Punkt 871.
Das Anschneiden dieser trockenen Schuttmassen und die Verwendung des
gelösten Bodens für Dammschüttungen ist durchaus unbedenklich.
Hingegen kann ihre Fortsetzung unter den Talboden in grundwasserführenden
Baugruben den Eindruck einer nicht tragfähigen Schmiermasse machen.
Der Schwemmkegel des „Faggenbaches“ bedeckt mehr als zwei Drittel der Sohle
der Putzer-Talweitung. Da blos die tiefsten 3 Kilometer des Kaunser-Tales im
Bündner-Schiefer liegen, die anschließenden 22 Kilometer bis zur Gepatsch-Alpe
und die Gletscherregion durchwegs quarzreichen kristallinen Gesteinen
angehören, so erscheinen die weicheren Schiefer nur als untergeordneter, wenig
gerundeter Gemengeteil in den vollkommen rundgeschliffenen, harten, dabei
reichlich mit Sand untermischten Geschieben. Der „Faggenbach“ hat jedenfalls
viel Grundmoränen-Material ausgewaschen und im Kegel abgesetzt, seine
Auflandungen dürften daher wenigstens in einzelnen Lagen durch mäßigen
Lehmgehalt gebunden sein. Dabei wird die Stückgröße der in Schwemmkegel
aufgehäuften Massen ziemlich großen Schwankungen unterworfen sein, da die
einzelnen Muhrgänge ihren Ausgangspunkt an verschiedenen Stellen des Tales
haben und auch schon an der früheren Lagerstätte ungleich aufbereitetes
Moränenmateriale mitbringen.
― 29 ―

c.) Schuttmassen der linken Talseite:

Der in Abschnitt II des „Gutachtens“ erwähnte Blockschutt unterhalb der Schroffen


des Gneisphyllites reicht flußaufwärts der Pontlatzer-Brücke auf etwa 1 km Länge
bis zum Wasserspiegel, während ihm weiter flußaufwärts die jüngeren
Aufschwemmungen der „Tullenau“ vorgelagert sind. Möglicherweise liegt dieser
Gneisphyllitschutt auf Grundmoräne, wie es für die Kalkblöcke des rechten Ufers
erwiesen ist. Die Schuttmasse ist fest gelagert, besteht zumeist aus großen Blöcken,
deren Zwischenräume durch feineres Material gefüllt sind und zeigt kein Anzeichen
nennenswerter Wasserführung.
Die natürliche Böschung ist dementsprechend steil, ein kräftigeres Anschneiden
der Massen würde daher den Einbau von Futtermauern verlangen, wäre aber in
diesem Falle unbedenklich. Die Schuttzone endet an einer Runse, welche die
Strasse nächst der Tullenauer-Kapelle erreicht, und in welcher in der Höhe 920 die
Überschiebung des Dolomites durch den Gneisphyllit aufgeschlossen ist.
Es folgt gegen Süden ein mächtiger, von der Strasse bogenförmig umkreister alter
Schwemmkegel. Wo der selbe an die Lehne anschließt ist überall noch thonige
Grundmoräne erhalten. Der Kegel selbst besteht aus der abgeschwemmten
Grundmoräne des darüberliegenden arg gestörten Gebietes, in welchem der
Gletscher meist schon tektonisch gelockerte Kalke, Quarzite und thonhaltige
Schiefer zu Brei verrieben hat. Das Materiale wird ungefähr die ungünstigen
Böschugsverhältnisse des feuchten Löss zeigen und zu Ausschalungen neigen.
Anschnitte müßten daher entweder sehr flach angelegt und befestigt, oder durch
Futtermauern abgeschlossen werden.
Der Südrand des Kegels liegt bei den nördlichsten Häusern von „Entbruck“.
In der Kalkregion bis zum Quarzitriff finden sich an der Lehne schwächere Lagen
feuchten Glazialschuttes, aus welchen die Kalkschollen, der Quarzit und die
bunten Talkquarzitschiefer (insbesondere oberhalb der Häuser) vorlugen.
Südlich der Steilwand des Quarzitriffes ist die ganze Depression bis zum
„Wolfsbach“ mit kantigem Schutt der Talkquarziten und bunten Schiefer erfüllt. Wo
die obere, fest gebackene, aber trotzdem etwas wasseransammelnde
blockreiche Schuttdecke durchrissen ist, tritt die an kleinen gekritzten Geschieben
reiche Grundmoräne vom Charakter des festen Lehmbetons hervor.
Die Auflandungen des „Wolfsbaches“ auf dem flachen, vom Hochwasser
überströmten Auboden sind unbedeutend.
Vom rechten Ufer des „Wolfsbaches“ bis zur Felsnase + 1038 begegnet man Resten
einer diluvialen Talauffüllung, zum Teil als wenig mächtige äußerlich gut erhärtete
Konglomerate und Sandsteine, zum Teil als etwas mächtigere, aber schwächer
gebundene Schotter- und Sandlagen, beide an dem die Hauptlehne bildenden
Bündner-Schiefer haftend.

4.) Wasserläufe und Quellen:

a.) Der Inn:

Infolge des geringen Talgefälles, sowie der reichlichen Geschiebeführung des


„Faggenbaches“ und der flussaufwärts einmündenden Seitenbäche neigt der Inn
in der „Putzer-Talweitung“ von Natur aus eher zur Aufladung als zum Uferangriff.
Nach dem Ersatz der hölzernen Joch-Brücken bei Pontlatz und Prutz durch
― 30 ―

freitragende Eisenbrücken soll sich die Flussrinne so beträchtlich eingetieft haben,


daß die Hochwässer die durch den Inundationsdamm geschützten Felder am
rechten Ufer oberhalb des Ortes gegenwärtig nicht mehr erreichen.

b.) Rechte Seite:

Der „Erzbach“, der „Guferbach“ und die kleineren Wasserrisse in den


Gneisphyllitschroffen kommen nur als Wildbäche in Betracht, können aber bei
Wolkenbrüchen ziemlich viel gröbere Geschiebe mitreißen.
Das 25 km lange Kaunsertal konnte aus Zeitmangel nicht begangen werden.
Nach Mitteilung des k.k. Forstmeisters Huber in Ried, des besten Kenners der
Seitentäler und Gräben bestände aber gegenwärtig keine Gefahr durch große
Muhrgänge.
Die topografische Karte läßt größere Anbruchsgebiete blos oberhalb der flachen
Talstrecke von „Nufels“ bis „Vergötschen“ erkennen, in welcher die Hauptmasse
der Muhrschötter zum Absatz kommen mußte. Andererseits erscheint jedoch das
Profil des künstlichen „Faggenbach“-Gerinnes auf dem Schwemmkegel in
Anbetracht des ausgedehnten Niederschlags-Gebietes für
Katastrophalhochwässer als ungenügend, so daß ein Ausbrechen gegen die
Ortschaft, verbunden mit Versanden und Verschottern der Felder, durchaus nicht
ausgeschlossen ist.
Verwertbare und noch nicht zu Bauernhöfen gehörige Quellen liegen nur auf der
im Abschnitt 3, b.) erwähnten schmalen Terrassen allerdings in verhältnismäßig
tiefer Lage. Die Möglichkeit einer Fassung oberhalb der natürlichen Austrittsstellen
ist äußerst fraglich. Die allenfalls aus der benachbarten Zone der Phyllite künstlich
aufschließbaren Wässer dürften an Menge gegen die vor genannten Quellen
beträchtlich zurückstehen. Im Gebiet des Kalkes können nach den geologischen
Verhältnissen in großer Höhe über der Talsohle Quellen auftreten, die sich
systematisch suchen ließen.

c.) Linke Talseite:

Die unbedeutenden Runsen im Gneisphyllit entsenden das bei Niederschlägen


ablaufende Wasser in den dicht bewaldeten groben Schutt, der nirgends
erheblich angegriffen wird.
Die bei der „Tullenauer“-Kapelle mündende größere Runse führt etwas
Quellwasser, das ungefähr bei 950 m an der Überschiebungsgrenze austritt.
Im Gebiet der aus dem Dolomit kommenden Wasseradern südlich der
„Astershöfe“ ließen sich möglicherweise in der Höhe 1100 und darüber kleinere
Wasserentnahmen durchführen.
Hinsichtlich der Tagwässer und Geschiebeführung ist der am Osthang des
„Frommes“ entspringende Bach der kräftigste, an- und für sich aber ein
unbedeutender Wasserlauf, der im Sommer nur mit Hilfe eines kleinen Stauweihers
zur Bewässerung des Schwemmkegels ausreicht.
Auch der „Wolfsbach“ ist nur ein schwaches Wässerlein, das bis nahe an die Mühle
im Felsbett läuft und sich dann unter Aufschüttung seines vorwiegend sandigen
Detritus in die Au ergießt.
Die Kalkregion bis zum Quartzitriff enthält nur schwache Quellen, da der Überzug
von Grundmoräne und die emporgequetschten undurchlässigen Hüllschiefer die
Ansammlungen größere Wassermengen verhindern.
― 31 ―

Oberflächliche Wasseraustritte sind mehrfach zu finden, so zum Beispiel aus dem


Quarzitschutt, ein wenig nördlich des Prutzer-Kalvarienberges in der Höhe 917.
Auch am rechten Ufer des „Wolfsbaches“ findet sich bei circa 890 eine schwache
Quelle mit reichlichem Absatz von Kalktuff.
Wirklich kräftige und wenig kalkführende Quellen finden sich erst in der
überschobenen Gneisdecke in der Höhe 1550–1600, vergleiche das „Kressbründl“
der topografischen Karte.

_______ . _______

B. Bautechnische Verhältnisse.

1.) Trassenbestimmende geologische Einzelheiten:

Die Trassenführung in der Prutzer-Talweitung ist insolange eine vollkommen freie, als
sie keine Tunnelbauten oder großen Einschnitte bedingt, da die Linie fast
durchwegs als Talbahn in Schutt und Schotter sicher über die tektonischen
Komplikationen des Felsgebirges geführt werden kann. Geologische Fixpunkte sind
daher nicht vorhanden, doch bestehen örtliche, leicht vermeidbare
Schwierigkeiten, welche im Folgenden zum Teil wiederholend, aufgezählt werden.

a.) Rechte Talseite:

In den Gneisphyllit-Schroffen ist auf die dünnenschiefrige Zone nächst dem


„Erzbache“ sowie auf ausreichende Durchflussweite für diesen und den
„Guferbach“ Bedacht zu nehmen.
Längs der Wiesenfläche mit den bunten Phylliten ist die Trasse von der Lehne
abzurücken um das anschneiden zu vermeiden.
Diese Lage ist bis über den kleinen Schroffen im Bündner-Schiefer beizubehalten,
um Raum für das unschädliche Abbrocken der morschen Schiefer zu schaffen.
Von da ab bis zum „Faggenbach“ bestehen keinerlei geologische
Schwierigkeiten.
Die Bachübersetzung läge am vorteilhaftesten möglichst weit gegen das
geschlossene Tal hinaufgerückt. In den ziemlich hohen Damm wären außer der
Hauptöffnung zwei als Hochwasser-Durchlässe wirksame Durchfahrten für den
rechtsufrigen Weg zur Brücke bei „Unter-Faggen“ und für den linksufrigen nach
Prutz anzuordnen.
Die weitere Strecke bis Punkt + 871 enthält keine heiklen Stellen.

b.) Linke Talseite:

Das Anschneiden des Geneisphyllit-Schuttes unter den Schroffen ist ungefährlich,


der auf alle Fälle vorteilhafte Einbau von Futtermauern meist schon durch steile
Oberfläche bedingt.
Das ungünstigste Materiale für Erdarbeiten ist in dem alten Schwemmkegel
nördlich „Entbruck“ zu erwarten. Größere Einschnitte lassen sich bei der geringen
Neigung der Kegelerzeugenden leicht vermeiden, umsomehr, als diese Trasse am
günstigsten als Uferlinie geführt wird. Für Ein- beziehungsweise Anschnitte wären
― 32 ―

Grubenmauern vorzusehen.
Im Falle die Linie zur Vermeidung der schienengleichen Kreuzung westlich der
Reichsstrasse geführt würde, darf das Quarzitriff mit der Sauerbrunn Grotte nicht
durchtunnelt werden. Selbst größere Felssprengungen können zum Ausbleiben der
bereits sehr schwachen Quelle führen, wie es sich bei der Erweiterung der
Brunnengrotte gezeigt hat.
Trotzdem der Säuerling keinen besonderen Wert hat, würden bei einer
Beeinträchtigung der Quelle jedenfalls sehr bedeutende
Entschädigungsansprüche erhoben werden.
Im übrigen könnte die Linie ohne Gefahr an der Lehne geführt werden, wenn auf
die Abfuhr der Schwitzwässer aus dem Schutt und die Eigenheiten der
Grundmoräne im Bauentwurf Rücksicht genommen wird.
Die Lehne längs der „Wolfsbach“-Au würde infolge der Stationsanlage schwerlich
angeschnitten werden. Auf Felsböschung in den äußerlich erhärteten Schottern
und Sanden wäre hiebei nicht zu rechnen.
Die offene Umfahrung des Felsrückens +1038 würde wegen Steinschlaggefahr
zumindest ausgiebige Beräumungen erfordern. Eine Durchtunnelung wäre bei
ausreichender Fleischstärke gegen den Inn vorzuziehen.
Trotz der geringen Überlagerung wären etwa zwei Drittel des Tunnels mit leichtem,
der Rest mit schwerem Druckprofil auszumauern.
_______ . _______

Da die Trassenführung im Wesentlichen von der Beschaffenheit der flußaufwärts


anschließenden Strecke des Inntales abhängt, kann sie erst im Zusammenhang mit
dem folgenden Abschnitt erörtert werden.

2.) Einbauten in das veränderliche Flussbett:

Entsprechend der großen Talbreite und dem geringen, gleichmäßigen Gefälle ist
die Anlage der Längsbauten innerhalb des Putzer-Beckens weniger heikel, als im
Engtal gegen Landeck.
Die natürlichen Veränderungen des Flußbettes gehen hier hauptsächlich vom
„Faggenbach“ aus, dessen Geschiebeablagerung gegenüber der Mündung
einen stärkeren Angriff des linken Ufers bewirkt.
Auf die Eintiefung der Flußrinne infolge des Umbaues der alten Jochbrücken wurde
schon mehrfach hingewiesen. Es würde sich empfehlen, in der Zeit bis zur
Bauausführung zu beobachten, ob dieser Vorgang bereits abgeschlossen, oder
noch im Fortschreiten ist, um die Fundierungstiefe der Uferschutzbauten danach
richten zu können.
Entlang des Felsrückens + 1038 besitzt der Inn infolge der Einengung des Flußbettes
selbstredend eine verstärkte Erosionskraft.

3.) Baustoffe:

a.) Sand:

Die diluvialen Ablagerungen dürften mit Ausnahme der spärlichen Reste an der
Lehne der „Wolfsbach-Au“ hauptsächlich wegen des großen Gehaltes an Lehm
― 33 ―

und anderen Zerreibungsprodukten, teilweise auch wegen zu groben „Kornes“


keinen Mauersand liefern.
Hingegen dürften die mächtigen Aufschwemmungen des Inn und insbesondere
des „Faggenbaches“ reichlich reschen Sand enthalten.
Feiner, zu Verputzarbeiten geeigneter Sand liegt in der Wolfsbach-Au zutage.

b.) Schotter:

Die Schottergewinnung aus den oberhalb des Talbodens gelegenen


Diluvialablagerungen des linken Innufers dürfte gleichfalls durch den großen
Gehalt an Lehm und anderen Feinstoffen, bei jenen des rechten Ufers durch
Mugel und Blöcke beeinträchtigt sein.
Die Ablagerungen des Inn und des „Faggenbbaches“ lassen gute – wenn auch
häufig durch ungeeignete Materialien abgeteilte Lager von Flußschotter erwarten.
Schlägelschotter kann aus dem Schutt des Gneisphyllites, insbesondere aber aus
den Kalkschollen erzeugt werden, aus welchen das einzig gute Material für
Strassenherstellungen zu gewinnen wäre.
Die Verwendung des festeren Quarzitschuttes südlich des Säuerling-Riffes für
Bahnschotter kommt erst in letzter Linie in Betracht.

c.) Baustein:

In der Nähe der Pontlatzer-Brücke liefert der Gneisphyllit reichlich guten Bruchstein
und ausnahmsweise kleinere Quadern. Die steilgestellten, fast senkrecht zur freien
Fläche in den Berg streichenden Bänke des rechten Ufers sind infolge dieser Lage
schwer in Steinbrüchen abzubauen. Viel günstiger stellt sich die Gewinnung aus
den losen Blockmassen des linken Ufers.
Weiter gegen Süden bietet die Kalkregion reiche Ausbeute an Bruchstein, vielleicht
auch an Quadern. Am rechten Ufer reichen die losen Kalkblöcke in
unerschöpflichen Mengen bis zum Inn herab.
Die im Schiefer steckenden Kalkschollen des linken Ufers liegen zwischen den von
„Asterhöfen“ und dem „Frommes“ kommenden Bächen in der Höhe 940—1100 m;
oberhalb der Häuser von „Entbruck“ liegt der Kalk ganz nahe der Strasse, der Fuß
der steinbruchmäßig aufgeschlossenen Scholle hat die Höhe 905 m.
Die Quarzite können südlich des Sauerbrunnriffes aus der lockreichen Decke der
Senke gewonnen werden. Zur Mauerung sind nur feste, fast ausschließlich aus
Quarz bestehende Stücke zu verwenden, da die schiefrigen Stücke einerseits zu
geringe Festigkeit besitzen, anderseits reich an Mineralien der Talkgruppe sind,
welche fettig-glatte Lagerflächen bilden und die Mörtelanhaftung verhindern.
Die Bündner-Schiefer enthalten keinen Baustein.
Größere Quadern müßten, falls der Triaskalk sich als unzulänglich erweist, aus den
kristallinen Gesteinen oder erratischen Blöcken des Kaunsertales beschaffen
werden.

Landeck, am 19. Jänner 1907.

Ingr. Max Singer m.p.

Mit 1 Beilage (geologische Profile durch die Prutzer Talweitung.


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― 35 ―

Geologisches Gutachten für den Bau der Eisenbahnlinie: „Landeck — Mals“.


Teilstrecke: Landeck — Nauders:

IV. Das Inntal von Ried bis Tösens.


(Gebiet der Bündner-Schiefer)

A. Geologische Verhältnisse.

1.) Das Felsgebirge:

a.) Tektonik der Bündner Schiefer des Oberinntales:

Die fast geradlinig gegen NO gerichtete Strecke des Inntales zwischen Ried und
Finstermünz liegt durchaus im Gebiet der mit dem Sammelnamen „Bündner-
Schiefer“ belegten Gesteine, die vom Nordrand des geologischen Fensters bei der
Pontlatzer-Brücke bis zum Valeriegraben bei Nauders zutage treten.
Die Schwierigkeiten der geologischen Gliederung dieses Komplexes kennzeichnet
Professor Paulke in den „Geologischen Beobachtungen“ im Antirhätikon Freiburg i.
B. 1904, mit den Worten: „über der Wald- und Wiesenregion zeigt das
Schiefergebiet ein Bild öder Einförmigkeit, so daß den Geologen beim ersten
durchwandern fast ein Grauen befällt, vor der Aufgabe in dieser Schieferöde
Ordnung zu suchen.
Mühsame und sorgfältige Beobachtungen im engeren Bahngebiete führten
trotzdem zu einer für den technischen Zweck genügenden Einsicht in den Bau des
Felsgebirges.
Die nördlichste und am verwinkelsten gebaute Zone der Putzer-Talweitung ist
schon im Abschnitt III beschrieben. Sie enthält mit Ausnahme einer Nebenfalte
durchwegs nach Norden fallende, mitunter steil gestellte Gesteine. Etwa 300 m
südlich von Gfrans bezeichnet eine 80° NO streichende Linie die Umkehr des
Fallens, das von da ab mit Ausnahme kleinerer Sekundärfalten stets nach Süden
gerichtet ist. Diese Linie ist also die Axe des Hauptgewölbes der Bündner-Schiefer,
welches jedoch durchaus nicht nach dem einfachen Normalschema gebaut ist.
Nördlich der Gewölbeaxe sind Streckung und Faltenbögen durchaus nach West
geneigt; südlich derselben weisen sie konstant nach Ost. Dabei tritt mehrfach ein
Wechsel der Gesteinbeschaffenheit ein, bis von der Linie Hinter-Rauth-
Patscheibach gegen Süden die ziemlich gleichmäßigen grünsteinführenden Kalk;
Kalkthon- und Kalksandsteinschiefer herrschen werden. Auch das Streichen erfährt
wiederholt Änderungen. In der Prutzer-Talweitung ist es vorwiegend nach NO
gerichtet. Vom Südrand derselben bis zur Axe des Hauptgewölbes beherrscht
diese Richtung auch das linke Innufer. Am rechten hingegen streichen die Schiefer
mehr O.N.O. auch OW. und in den höheren Gehängeteilen sogar mitunter W.N.W.
Südlich der Gewölbeaxe herrscht bis zur Linie Hinter-Raut-Patscheibach nahezu
konstantes Streichen nach 80° O (magnetisch O.W.) und von da ab gegen den
Valeriebach überwiegt das Streichen in NO und O.N.O. Nahe den Gipfeln der
Schieferberge ist das Streichen überwiegend gegen N.N.O und auch N.S.
gerichtet.
Diese Richtungsgrößen zeigen an, daß der vom Inn durchschnittene Komplex der
Bündner-Schiefer entweder schon aus vor der Faltung diskordant gelagerten
Schichtreihen hervorging oder, was wahrscheinlicher ist, aus einer Reihe
übereinander geschobener Gebirgsschollen zusammengestaucht wurde.
― 36 ―

Insbesondere scheinen die Kalk- und Dolomitschollen, die Quarzite und Talk-
Quarzitschiefer (Bunte Bündner-Schiefer) eine besondere (triadische) Decke zu
bilden. Die einzelnen Decken besitzen stark wechselnde Mächtigkeit und sind
durch Brüche zerstückt. Auch die Axse des Hauptgewölbes ist keine reine
Faltenaxse, sondern entspricht einer Dislokationsfläche, längs deren der südliche
Flügel der Antiklinale gehoben ist.

b.) Gesteinzonen zw. Ried u. Tösens:

Im Talabschnitte vom Südrand der Putzer-Weiterung bis Tösens gehören die


Gehänge zu folgenden Gebirgsgliedern:
Die im entsprechenden Abschnitt des III. Teils dieses Gutachtens erwähnten Thon-
und graphitreichen, quarzführenden meist dünnblättrigen grauen Schiefer reichen
gegen Süden zunächst bis zu einer ungefähr Ostwestlich durch die Mündung des
Fendler- und Schwemmbaches laufenden Linie längs deren sie an einen Zug von
vorwiegend hellgrünen, dünnblättrigen talkig-quarzitischen bunten Bündner-
Schiefer grenzen. Die letzteren stehen mit den Liegendschiefern der Kalkschollen
des Burgschroffen in Zusammenhang und enthalten auch kleinere Blöcke von
Triaskalk eingewickelt. Eine leicht zugängliche Scholle liegt oberhalb des Kalkofens
zunächst dem linken Widerlager der Innbrücke für den Weg Ried– Fiss.
Inn aufwärts von dieser Brücke bis über die Lourdes-Grotte sind den Schiefern
wieder Reste diluvialer schirmbildender Konglomerate vorgelagert (Vergl.
Abschnitt III Wolfsbach-Au).
Gegen 800 m Uferstrecke flußauf vom Widerlager gehören noch zum bunten
Bündner-Schiefer, dann folgt wieder der schon erwähnte graue Schiefer, gleichfalls
quer über das Tal streichend am besten in der Fraunser-Klamm und an der Blauen
Wand bei Ried aufgeschlossen. Einzelne festere Lagen erinnern an thonreiche
dunkelgraue Kalksandsteinschiefer. Am linken Inn Ufer gemessen, ist die
Horizontallänge dieses zweiten Zuges der grauen Schiefer blos 400 m.
Von da ab bis zur Hauptaxse der Antiklinale wird das Gestein fester und
kristalinischer und bildet petrographisch einen Übergang zwischen grauen
thonreichen Kalksandsteinschiefer und hellgrauen bis weißlichem, gneisähnlichen
Bündnerschiefer.
Südlich der Antiklinalaxe und über Tösens bis gegen die Kajetansbrücke reichend
besteht das Felsengebirge aus dem gneisähnlichen Bündner-Schiefer,
anscheinend dem tiefsten Teil des Schiefergewölbes, der durch die Hebung des
Südflügels über die heutige Talsohle gehoben wurde. Dieses merkwürdige Gestein,
das bei oberflächlicher Betrachtung für Flasergneis gehalten werden kann, enthält
einzelne Züge kalkreichen, glimmerigen Kalksandsteinschiefers, die wahrscheinlich
weniger stark metamorphisiert sind, als die Hauptmasse. In dieser ist die steil nach
Süden fallende Schichtfläche noch zu erkennen, obwohl die Faltung stellenweise
bereits so heftig ist, daß die Faltenbüge, wie Rundholzbündel aneinander
geschoben sind (grobe Griffelbildung). Das Streichen ist konstant 80–85° O, die
Streckung horizontal oder schwach Ost geneigt. Nahezu senkrecht zum Streichen
(20° W) verläuft eine ausgeprägte meist steil nach West fallende Ablösungskluft,
welche die Entstehung von Schroffen am rechten Ufer begünstigt (Vergl. die
Wände zwischen Freitzberg und Breithaslach).

_______ . _______
― 37 ―

Infolge des Kalkreichtums der Schiefer setzten die Schwitzwässer ausgedehnte


Überzüge von Kalktuff und Sinter ab. Solche Bildungen finden sich insbesondere
auf den Talquarzitschiefern mit eingewickelten, teilweise zerquetschten
Kalkblöcken nahe dem Südrand der Putzer Weitung am schönsten in der Höhe
1090 am Weg von Prutz nach Fendels. An dieser Stelle sind sie auch in der Karte
1:75.000 der geologischen Reichsanstalt — allerdings in viel zu großer Ausdehnung
— eingetragen. Die Kalktuff-Fläche dieser Karte am linken Inn-Ufer gegenüber Ried
ist unrichtig, da dieser Uferstreifen in kleinerem Umfange von den schon erwähnten
Diluvial-Konglomeraten bedeckt wird.
_______ . _______

Der ursprünglich im anstehenden Fels ausgeschliffene Taltrog zwischen Ried und


Tösens hat in der Höhe der heutigen Flußsohle eine Breite, die zwischen 400 und
800 m schwankt. Die Einengung auf die viel geringere Breite des Flußbettes, wird
durch den kräftigen Vorstoß der ungeheueren alten (abgestorbenen) und der
ebenfalls bedeutenden noch im Aufbau begriffenen jüngeren Schwemm-Kegel
bewirkt.
Zum Teil sind auch noch ausgedehnte glaziale Ablagerungen vorhanden.
Diese Auffüllungen sind so mächtig, daß eine Talbahn zwischen Ried und Tösens
am rechten Inn-Ufer blos an der Felsnase mit dem Heiligen nördlich des
Schwemmbaches (Seite 889 der topogr. Karte) und in den tiefen Ausbuchtungen,
die der Inn in den Christinerkegel gewaschen hat, (bei + 928 und oKO der
topografischen Karte) mit dem anstehenden in Berührung kommen kann.
Selbst am linken Ufer, das an vielen Stellen vom Fluß angegriffen wird, liegen am
Ausgang der Seitentäler ausgedehnte Schuttmassen, und auch die scheinbar
nackten Felshänge besitzen vielfach 1–3 m starke Decken von
zusammengebackenem Hangschutt. Der eigentliche Fels würde also auch hier nur
auf verhältnismäßig kurze Strecken angeschnitten werden.

2. Der Felsuntergrund des Innbettes:

Von der im Abschnitt III erwähnten Felsnase am Südrand der Prutzer-Talweitung


flußaufwärts sinkt der Felsgrund des Innbettes wieder in beträchtliche, für
Bahnausführungen unerreichbare Tiefe ab und tritt erst wieder bei der Brücke
zwischen Tösens und Tschuppbach nahe an die Oberfläche.
Die Mühlarbeit des Innflußes erfolgt in diesem Teilabschnitt in Folge der kräftigen
Seitenbäche des rechten Ufers vorwiegend durch horizontale Verlegung des
Bettes von der rechten gegen die linke Talseite. Wo die letztere noch
Grundmoränenüberzug aufweist, liegt die Felssohle trotz der Nähe des Flußbettes in
verhältnismäßig großer Tiefe. Wo hingegen die seitliche Erosion bereits den felsigen
Haupthang erreicht hat, findet sich längst der angegriffenen Uferstrecke wieder
die hochliegende Abrasionsstufe (in der Skizze punktiert) so z. B. im Gebiet der
bunten Bündner Schiefer oberhalb der Innbrücke bei Ried und bei den Tösener
Brücken.
― 38 ―

3. Diluviale u. jüngere Schuttbildungen:

Die ausgedehnten Schutt- und Schottermaßen, welche das Felsgerüst vor allem an
der rechten Talseite überziehen, sind meist direkt oder indirekt glazialen Ursprungs.
Sie bestehen aus zusammenhängenden Decken vorwiegend lehmiger
Grundmoräne auf ursprünglicher Lagerstätte oder aus sekundären Anhäufungen
in den riesigen Muhrkegeln.

a.) Auffüllungen des Flußbettes:

Die Mächtigkeit der sandig schottrigen bezw. blockreichen Auffüllungen des


Innbettes läßt sich schon nach den Angaben über die Lage des Felsuntergrundes
einschätzen.
Die tiefste Schichte ist jedenfalls Grundmoräne in der Ausbildung als Lehmbeton,
die sich auch an die Talhänge hinauf zieht (vergleiche die Skizze Nro. 14 S.38).
Nach dem Abschmelzen des Hauptgletschers im Inntal entstanden die
schattseitigen großen Kare des rechten Hauptkammes nach längerer Zeit kleine
Eisströme (K Gletscher) welche am Austritt in das Haupttal abschmolzen. Das
vorgeschobene Eis und die abgelagerten Schuttmassen führten zu Stauungen des
Inn-Flußes und zur Bildung von Auffüllungsböden oberhalb der Seitentäler (vergl.
Ried und Steinbrücke).
Bei dem allmähligen Schwinden der Kargletscher gingen die Ablagerungen am
Ausgang der Seitentäler in gewöhnliche Muhrkegel über. Die glaziale Basis der
letzteren ist nur beim Christinerkegel, längs dessen das Flußbett beträchtlich
eingetieft ist, aufgeschlossen.
In den Auffüllungen des Flußbettes spielen die Bündner Kalk und Kalkthonphyllite
eine vorherrschende Rolle, da von Prutz aufwärts mehr als 50 km des Inntales in
diesen Gesteinen liegen. Große Stücke dieser weichen Schiefer können nur am
Austritt der Seitentäler oder unter Steilwänden vorkommen. In der Flußstrecke
schleifen sie sich rasch zu Schottergröße und zu Sand auf. Ihr Reichtum an Kalk und
der Thongehalt bewirken ein kräftiges Backen der Flußablagerungen.
― 39 ―

b.) Schuttmassen der rechten Talseite:

Die diluvialen Terrassen von kleinstückligem festgebundenen Schieferschutt, die im


III. Abschnitt erwähnt sind, setzen sich über den Südrand der Putzer-Talweitung
gegen den Felsrücken mit der Heiligenstatue fort.
Von da ab überkleidet festgebundene Grundmoräne (Lehmbeton) den
Haupthang und zieht als fast geschlossene Decke, teilweise kleine Terrassen
bildend, über den Schwemmbach, Mühlegg und Hohlegg, wo wieder einzelne
Felsflächen vortreten. Diesem Lehnenüberzug gehören die kleinen bereits
gefaßten Quellen längs des Weges vom Rieder-Kapuziner-Kloster nach Mühlegg
an.
Die Mündung des vereinigten Fendler- und Schwemmbaches ist in Grundmoräne
und eine ältere Muhrterasse eingeschnitten. Der gegenwärtige Schwemmkegel ist
eine junge noch im Aufbau begriffene (lebende) Bildung, die fast durchwegs aus
abgeschwemmten Glazialschottern des Einzugsgebietes besteht. Die Korngröße ist
ziemlich mannigfaltig, doch überwiegen Mugel, Schotter und Sand bei weitem
gegen die großen Blöcke. Der Lehmgehalt der Aufschwemmung wechselt
beträchtlich, in der Hauptsache genügt er für eine gute Bindung des Materiales.
Die mächtigste Schuttbildung dieses Talabschnittes ist der alte (abgestorbene)
vom Inn zum großen Teil wieder abgetragene Schwemmkegel des
Christinerbaches. Seine ursprüngliche Form ist nicht nur durch den Fluß, sondern
auch durch den Strassenbau, durch Wiesenbewässerung u.s.w. undeutlich
geworden. Der Entstehung dieses Kegels aus dem Kargletscher wurde bereits
gedacht.
Zwischen Ried und Tösens sind aus dem Kegel einzelne eingeebnete Terrassen
herausgewaschen.
Die unteren Schichten des Kegels sind reich an großen Blöcken, die in der vom Inn
bespülten Strecke einen leicht verstärkbaren natürlichen Uferschutz bilden.
Das Bachbett ist auch am Austritt aus der Hauptlehne tief in den Kegel
eingeschnitten (za. 20 m unter der Kegelspitze). Unterhalb der Reichsstraße ist es
beträchtlich erweitert und enthält circa 30 m unter der Ruine des St. Christina-
Kirchleins eine Zwischen-Terrasse, vielleicht die Oberfläche der Moränenbasis des
Kegels.
― 40 ―

Die außerordentlich steile Böschung gegen die Kirchen-Ruine zeigt, daß auch der
obere Teil des Kegels vollkommen fest gebunden ist. Die hohen Böschungen
gegen den Inn besitzen den gleichen Charakter.

Am oberen Rande weisen sie zahlreiche hohltrichterartige Auswaschungen auf,


die manchmal nur durch schmale Kämme voneinander getrennt sind. Falls die
Trasse längs des Inn geführt wird, ist diese beginnende Runsenbildung abzubauen.
An die schmale Felsentblößung bei + 928 der topogr. Karte, auf welcher eine
schwache Quelle Kalktuff absetzt, schließt im Bereich der Strasse der Blockschutt
von den Schroffen des gneisähnlichen Bündner Schiefer. Er reicht bis an den
Nordrand des Schwemmkegels des Breithaslachbaches, dessen äußerster Rand
ursprünglich mit jenem des Christinerbaches in Verbindung gestanden sein mag.
Das rechte Bachufer überragt an der Kegelspitze die Sohle nur um 1,5 Meter, so
daß der Bach nach dieser Seite leicht ausbrechen kann. Im Bereiche des Ortes
Breithaslach wird der Kegel vom Inn scharf angegriffen und zeigt die
charakteristische Parabelböschung gebundener Schuttmassen.
― 41 ―

Gegen Süden verschmilzt er mit den Ausläufern des ursprünglich ungeheueren


später stark abgetragenen alten Kegels des Urgler oder Tösnertalbaches.
Die nördliche Verschneidung dieser Aufschwemmung mit der Hauptlehne ist durch
(in Höhe 970) teilweise felsige Parallelterassen zum Inn undeutlich gemacht. Das
Kegelmateriale ist fest gebunden und das von der Spitze an stark eingetiefte Bett
zeigt bei den Häusern von Egg sichtlich alte 1/5 füßige Steinböschungen.

c.) Schuttmassen der linken Talseite:

Die Südflanke des Grenzrückens der Putzer-Talweitung (topogr. Karte + 1038) trägt
schwächere Decken von Grundmoräne und Hangschutt und in den tieferen Teilen
sind dem Felshang diluviale Konglomerate und schräg geschichtete Schotter und
Sande vorgelagert.

Längs des Weges vom Vereinigungspunkt + 1038 nach Ried finden sich mehrere
Meter starke Decken von kleinstückigem gebundenen Hangschutt und
andererseits von lehmiger Grundmoräne.
Der Schwemmkegel des Urgenebenerbaches ist flußab der Schwemmbach-
Mündung von dem durch die jüngsten Muhrgänge gegen das linke Ufer
getriebenen Inn stark abgefressen und zeigt das steile Parabelprofil ähnlich der
Skizze Nro. 17.
Das Kegelmateriale ist ziemlich feinstückig und gut gebunden (abgeschwemmt
Grundmoräne).
Oberhalb der Innbrücke für den Weg Ried — Fiss folgen wieder einige
Konglomeratschirme und dünne Decken von feinem Hangschutt, die gegen den
Fraunserbach stärker werden.
D e r Fraunserbach selbst hat einen Kegel aufgeschüttet, dessen südliches Ende
nach den zahlreichen Urgesteinsmugeln zu schließen eine Auswaschung aus der
glazialen Basis des Christinerkegels ist.
Flußaufwärts ist der Lehne eine schmale Terasse mit großen Granitblöcken (in der
topografischen Karte erkennbar) vorgelagert, welche ebenfalls zum
Kegeluntergrund gehören dürfte.
― 42 ―

Ungefähr 100 m südlich des Punktes + 895 in der topografischen Karte ist auch
noch die Grundmoräne erhalten, die einige hübsche Erdpyramiden bildet.
Die anschließende Strecke ist vielfach felsig, trägt aber stellenweise Auflagen von
fest gebundenem Plattelschutt der Bündnerschiefer mit einzelnen eingebetteten
Sturzblöcken, die gegen den Stadel 904 der topografischen Karte immer
mächtiger werden und örtlich das folgende Profil aufweisen.

Der Schwemmkegel das Argebaches ist ziemlich jung und nur in seinem
rechtsufrigen Teil vom Inn erheblich angefressen. Das Materiale ist ziemlich fein und
gut gebunden.
Für sämtliche Schwemmkegel gilt die Bemerkung, daß die Ablagerungen in der
Richtung der Talmündung (des Ausschusses) am gröbsten, gegen die Kegelränder
am feinsten und sandreichsten sind.

4.) Wasserläufe und Quellen:

a.) Der Inn:

In der Talstrecke zwischen Ried und Tösens werden Einengungen des Innbettes
durch die Schwemmkegel gebildet, längs deren stets vergrößertes Gefälle und
verstärkte Eintiefung herrscht, während oberhalb derselben Anlandungen
abgesetzt werden. Sämtliche Seitenbäche der rechten Talsenke insbesondere der
aktive Muhrgang des Schwemmbaches, drängen den Inn gegen das linke Ufer.

b.) Rechte Talseite:

1.) Der gefährlichste Muhrgang dieses Talabschnittes kommt aus den knapp vor
― 43 ―

dem Verlassen der Hauptlehne vereinigten Gerinnen des Fendler- und des
Schwemmbaches. Die Einzugsgebiete der beiden Bäche sind ungefähr gleich
groß und reichen bis an den im Gneis liegenden Hauptkamm zwischen Inn und
Kaunsertal. Durch die Einsattlung des Rückens, der beide Bäche trennt, führt
zwischen + 1535 und + 1621 ein kräftiger Werksgraben aus dem Schwemmbach zu
der Säge am linken Hang des Fendlerbaches. Das Einzugsgebiet des letzteren ist
gut verwachsen, größere Schuttmengen können nur aus den Gneiskämmen
oberhalb der Baumgrenze in den Bach gelangen. Hingegen ist fast das ganze
Gerinne des Schwemmbaches (eigentlich „Gschwentbach“) im Glazialschotter
eingeschnitten, die im unteren Bachlauf verhältnismäßig geringe Mächtigkeit
besitzen, im Oberlaufe jedoch zu ungeheueren Lagern anschwellen.

Bis zur Höhe 1200–1300 m ist das Bett des Schwemmbaches (ebenso wie jenes des
Fendelsbaches) fast durchgängig in den weichen Schieferfels eingenagt und von
1050–1200 m klammartig verengt. Die Zufuhr von Glazialschotter erfolgt nur von
den steilgeböschten Anrißflächen der Ufer (Plaiken), die in der topografischen
Karte kennbar sind. Im Oberlauf des Baches liegt aber das ganze Profil
ausschließlich der Sohle im Glazialschutt. Hier setzt auch die noch unvollendete
Verbauung ein, die aus drei Hauptsperren in Mörtelmauerwerk an der Vereinigung
der drei Bachäste (topografische Karte 1600–1620) und aus zahlreichen kleineren
Sperren aus Rundholz besteht.
Zur Stabilisierung der unfertigen, nicht haltbaren Böschungen (Plaiken) sind
einzelne steile Böschungsstufen mittels Rundholzwehrungen und die geneigten
Flächen durch Anpflanzungen befestigt. Das hochstämmige Holz ist auf dem linken
Ufer (Gemeinde Ried) vollständig, auf dem rechten (Gemeinde Fendels) blos
teilweise abgestockt, so daß die rechtsufrigen Bruchränder noch vielfach
überlastet sind.
Die Verbauungsarbeiten wurden vor einigen Jahren nach Erschöpfung der
bewilligten Geldmittel in unvollendetem Zustand eingestellt.
Nach den Angaben des Gemeindevorstehers Handle von Ried hat sich der
Zustand des Anbruchsgebietes trotzdem infolge Stabilisierung der Böschungen und
― 44 ―

des hiedurch ermöglichten Anwasserns in einer kaum erhoffen Weise verbessert.


Tatsächlich ist nach Ausführung der Sperren kein großer Muhrgang mehr erfolgt.
Trotz dieses kurzfristigen Beharrungszustandes im Anbruchsgebiet, fragt es sich, ob
durch die bestehenden Verbauungen für die offene Querung des Muhrgebietes
die genügende Sicherheit geschaffen bzw. ob dieselbe durch Ausgestaltung der
Verbauungsarbeiten überhaupt erreichbar ist.
Die Schuttbildung an den kahlen Gneiskämmen ist infolge der frostreichen Lage
(durchlaufende Kammhöhe 2600 m) eine äußerst lebhafte. Die Beiträge, welche
bei starken Gewitterregen aus diesem Schuttgürtel in den Schwemmbach
kommen, entziehen sich jeder Verbauung.
Der gefährlichste Teil des Anbruchsgebietes im Glazialschotter liegt zwischen 1600
und 2100 m Höhe, wo gleichfalls der Frost und im Sommer der starke
Temperaturwechsel zum reichlichen Abtrieb losgesprengter Teile der
unbewachsenen Böschungsflächen führt. Da die normalen Regen im Ober-Inntal
erfahrungsgemäß sehr schwach sind, die katastrophalen Güße sich aber erst nach
mehreren Jahren wiederholen, so muss eine große Anhäufung loser zur
Muhrbildung geneigter Schotter im Ausbruchsgebiete stattfinden. Dieser Vorgang
wird sich so lange abspielen, bis die steilen Böschungen für den Ansatz eines
natürlichen oder künstlichen Pflanzenschutzes genügend abgeflacht sind.
Sieht man von den möglichen Veränderungen an der Bachsole völlig ab, so
erkennt man aus der Skizze Nro. 20, welche ungeheure Schottermenge bis dahin in
verhältnismäßig kurzer Zeit zu Tal gefördert werden muß.
Diese Skizze deutet gleichzeitig an, daß die Abflachung der Böschungen noch
durch einen zweiten Umstand bedingt wird. In der Glazialdecke wechseln
Lehmbetonlagen mit mehr völligen wasserführenden Schichten, was zu plötzlichen
Absetzungen der steilen Böschungsteile führt. An diesen Verhältnissen vermögen
auch die erwähnten Rundholzbewehrungen auf die Dauer nichts zu ändern.
Die Sohlensicherung durch die Talsperren, läßt schon heute den Übelstand
erkennen, daß die kleinen Werke von dem sich allmählich anhäufenden Schotter
fast völlig überdeckt sind. Wenn sie nun auch zur Zeit verstärkten Wasserabflußes
als fixe Sohlenpunkte wirken, so können sie es nicht verhindern, daß der Bach
infolge des Mindestgefälles von 33 Prozent sich beim geringsten Hindernis zwischen
den Sperren seitlich gegen die Böschung wirft und sie energisch angreift.
Ablenkungspunkte werden durch die großen in die Grundmoräne eingebetteten
Felsblöcke gebildet. Um wenigstens die Sperren gegen Unterwaschung der
Einwurzelung zu schützen, müßten dieselben an den Böschungen auf
entsprechende Höhe schräge hinauf geführt werden. Alles in allem, wird man
zusammenfassend feststellen, daß sie jene Sicherheit gegen Muhrgänge, welche
für die offene Führung der Linie im Mündungsgebiet des Fendler- und
Schwemmbaches notwendig ist, bei den gigantischen Abmessungen des
Anbruchsgebietes ohne Aufwendung unverhältnismäßig großer Geldmittel nicht
erzielen läßt. Es kann daher auch die Beteiligung der Bahnverwaltung an der
Verbauung, — so wünschenswert und vorteilhaft eine solche Maßregel in anderen
Fällen sein mag — hier nicht empfohlen werden. Die einzige betriebssichere
Trassenführung am rechten Innufer besteht in einer vollkommenen Unterführung
des Muhrganges.

D i e Quellenarmut der Bündner-Schiefer, auf welche schon im Technisch-


geologischen Bericht Nr. 2 verwiesen wurde, macht sich auch in der Umgebung
von Ried bemerkbar. Die in der topografischen Karte verzeichneten Quellen (Qu
― 45 ―

o) zwischen den Fendler und Christinerbach wurden sämtlich besichtigt. Es sind


durchwegs ziemlich dürftige tuffbildende Schwitzwässer aus den lehmigen
Glazialschottern.
Gleichen Ursprungs aber im August mit 3–4 Sekundenlitern fließend, sind die
Quellen am oberen Wassertal, (an der Vereinigung der von Gfrans und Ried
kommenden Wege nach Fendels) eine Runse am linken Ufer des Fendlerbaches.
Sie liegen zwischen 1300 und 1400 m und sind trotz der großen Leitungs-Länge für
die Wasserversorgung von Ried in Aussicht genommen. Während des Winters
1906/7 sollen Ergiebigkeitsmessungen vorgenommen werden. Auch dieses Wasser
ist stark kalkhaltig und tuffbildend. Die kleinen Quellen aus dem Glazialschottern
längt des Weges vom Rieder-Kapuziner-Kloster nach Mühlegg liefern das
minderwertige Wasser für das Hotel Post.
Die Wiesen zwischen der Kirche, dem Haupthang und der neuen Strasse sind
reichlich grundwasserführend und angeblich erst durch die Stauwirkung des neuen
Strassendammes versumpft. Der Ursprung des Wassers wurde nicht untersucht, es
dürfte jedoch den Grundwasserströmen der Reste des Christinerkegelns
entstammen, in welche auch der beste Brunnen von Ried jener im Schloß
Sigmundsried, hinabreicht.

2. Der Christinerbach entwässert ein großes Kar, in welchem ähnlich wie beim
Schwemmbach ausgedehnte Lager vom Grundmoräne angebrochen sind. Die
Verteilung der Gefälle und die gut ausgebildete Bachrinne sind für die
gleichmäßige Abfuhr der Geschiebe wesentlich günstiger als beim
Schwemmbach.
Ein seitliches Ausbrechen eines Muhrganges ist unmöglich, da das tiefe Gerinne
geschlossen bis zum Inn führt. Eine Begehung des Einzugsgebietes hat nicht
stattgefunden, da nach dem Ergebnis der Besichtigung von Saurücken aus bei
dem unversehrten Bestande des 1832 erbauten blos zirca 9 m weiten
Strassendurchlasses und bei der leichten Übersetzbarkeit des Baches hiezu kein
Anlaß vorlag.
Nach Angabe des Gemeindevorstehers Handle in Ried befindet sich im oberen
Graben (nächst der Stalanzer Alpe) eine sehr kräftige, gute und kalkfreie Quelle.
Nach der Karte 1:75000 der geologischen Reichsanstalt läge dieselbe an der
Überschiebungsgrenze, wo der Bündner Schiefer unter den Gneis einschließt. Diese
Linie ist überhaupt der einzige Streifen, an welchem günstige Bedingungen für die
Quellbildung bestehen.

3 . ) D er Breithaslach-Bach ist nach dem Zustand seines Schwemmkegels zu


schließen nicht besonders muhrgefährlich. An der Mündung in den Inn läßt er sich
günstig übersetzen. Zur Sicherung der Bahn gegen die auf Seite 45 erwähnte
Möglichkeit des Ausbrechens über das rechte Ufer wäre ein kurzer Schutzdamm
von der Austrittsstelle aus dem felsigen Haupthangkegel abwärts zu führen.

4.) Der Urgler- oder Tösnertalbach entwässert ein sehr großes zumeist aber gut
verwachsenes Einzugsgebiet. Das tief in den Kegel eingesenkte Bachprofil vermag
überdies selbst beträchtliche Muhrgänge unschädlich in den Inn abzuführen.
Die Quelle am linken Ufer des Platzbaches (topographische Karte za. 1440 m) ist
eine sehr schwache Ader aus dem Glazialschotter. Der Seitenbach, welcher zum
Punkt + 1728 in den Pfundser Tschey Wiesen zieht, entspringt aus kräftigen
Rasenquellen.
― 46 ―

c.) Linke Talseite:

Am linken Ufer hat der Talabschnitt Ried — Tösens blos zwei nennenswerte Bäche
aufzuweisen, die eine große morphologische Ähnlichkeit zeigen, den Beutelbach
und Argebach. Beide besitzen einen verhältnismäßig langen Oberlauf mit kleinen
An b ruc hs f läc he n im G lazi als ch o tt er und eine n s t eilen , k lam mar t ig
eingeschnittenen Abfall über das linksufrige Gehänge des Inntales, auf dessen
Sohle ein Schwemmkegel aufsitzt. Die Entfernung vom Ausgang der Klamm bis zum
Inn ist so gering, daß der Schwemmkegel bei entsprechender Regulierung des
Gerinnes in der Höhe gefahrlos übersetzt werden kann.
Die in der topografischen Karte eingetragene Quelle am Wege von Ried nach Fiss
ist sehr schwach und entspringt oberflächlich aus der Schuttdecke.

B.) Bautechnische Verhältnisse.

1.) Trassenbestimmende geologische Einzelheiten:

a.) Rechte Talseite.

Die einzige erhebliche Schwierigkeit für eine rechtsufrige Trasse liegt in der bereits
sicheren Querung des vereinigten Fendler- und Schwemmbaches. Zwischen Prutz
und Tösens ließe sich die Linie sonst billig längs des rechten Inn-Ufers führen im
Bereich des Muhrganges müßte sie aber auf einen langen offenen Viadukt von
entsprechender Lichthöhe liegen. Abgesehen davon, daß dieses kostspielige
Bauwerk bald eingemuhrt wäre, würde die hohe Lage der Nivellette zum
Aufsuchen des Hanges der Hauptlehne, beziehungsweise der ihr vorgelagerten
Schuttmassen (Diluvialmassen und alten Schwemmkegel) zwingen.
Sobald die Linie aber an der Lehne geführt wird, zwingt schon die Form des
Schwemmkegels und der Leitmauern des Gerinnes zur Unterfahrung des
Muhrganges. Die örtliche Geländeform drängt also zu derselben Lösung wie der
Zustand des Einzugsgebietes.
Da der Kegel im mittleren Teil vorwiegend aus gröberem, lehmig backenden
Schutt- und einzelnen großen Blöcken aufgebaut ist, bereitet die Unterfahrung
keine technischen Schwierigkeiten. Die aus feinerem, Sand- und schotterreichen
Materiale bestehenden seitlichen Kegelflanken sind für die Ausführung offener
oder gedeckter Einschnitte günstig.
Die Umfahrung der vom Inn mit steiler Böschung abgefressenen alten
Schwemmkegel des Christiner- und des Breithaslach-Baches kann nach den bei
der Vinschgaubahn unter ähnlichen Verhältnissen gemachten Erfahrungen keine
Schwierigkeiten bereiten.

b.) Linke Talseite:

Für eine Trassenführung am linken Inn-Ufer beginnen die Schwierigkeiten schon bei
der im III. Abschnitt mehrfach erwähnten Felsnase mit Punkt + 1038 am Südrand
der Prutzer-Talweitung.
Die Südseite dieser Nase, in der topografischen Karte als Schuttfeld (Plaike)
gezeichnet, ist vollkommen aufgeklüftet und brüchig und besitzt überdies zum
Abgleiten geneigte alte Schotterdecken.
― 47 ―

Skizze Nummer 21

Das skizzierte Profil Nro. 21 geht flußaufwärts in das Profil Nro. 18 auf Seite 41 über.
Die Trasse müsste also vom Ausgang des im Abschnitt III besprochenen Tunnels
möglichst weit in den Inn gerückt werden. Die hiezu notwendigen
Uferschutzbauten wären sehr tief zu fundieren, um sie gegen die von der Fendler-
Muhre ausgehenden Veränderungen des Flußbettes widerstandsfähig zu machen.
Durch die Vorstöße der Fendler-Muhre wurde der Inn gegen das linke Ufer
geworfen und hat einen erheblichen Teil des Urgenebnerbach-Kegels
abgetragen, so daß gegenüber der topografischen Karte schon sehr
beträchtliche Veränderungen bestehen. Die Umfahrung dieses Kegelst würde
immer wieder solchen Angriffen ausgesetzt sein, müßte daher sehr tief fundierte
Schutzbauten und wegen der Aufstauung des Inn eine entsprechende Höhenlage
erhalten.
Die zirca 800 m lange Uferstrecke flußaufwärts der Ried-Fisser-Brücke würde
gleichfalls ziemlich kostspielige Herstellungen erfordern.
Das für den Bau und insbesondere für die Erhaltung ungünstigste Stück der linken
Talseite liegt zwischen dem Punkten + 895 und 904 der topografischen Detailkarte.
Das Vorhandensein von Decken glazialen Ursprunges, sowie von jüngerem
gebundenen Hangschutt wurde bereits auf Seite 46 besprochen.
Außer den auf den Lehnenfuß wirkenden Angriffen des Inn übt hier die geringe
Gliederung der linken Lehne einen nachteiligen Einfluß. Die Abwässerung des alten
Gletscherbodens von Serfaus erfolgt in zahlreichen kleinen Runsen, welche die
Schuttdecken durchschneiden und abschwemmen, so daß sich die ganze fast
kahle Lehne im Zustand des Abtragens befindet. Der Bau würde durch die Anlage
von Stütz- und Futtermauern, insbesondere aber der vielen Durchlässe, die
Erhaltung durch die unaufhörlichen Räumungsarbeiten sehr verteuert werden.
― 48 ―

2.) Einbauten in das Flussbett:

Den im Vorstehenden gemachten Angaben über den Verlauf des Felsgrundes und
die Erosionsverhältnisse ist nichts wesentliches hinzuzufügen.
Es kann nur neuerdings auf die Tendenz des Flußes die Gefällsverhältnisse zwischen
den Engstellen und den Talweiterungen auszugleichen und die Abhängigkeit der
Fundierungstiefe vom Längenprofil der Sohle hingewiesen werden.
Die Engstellen werden im Talabschnitt Ried ― Tösens durch die Schwemmkegel
gebildet. Für den Einbau von Querschwellen zur Sohlensicherung scheint
vorderhand keine Notwendigkeit zu bestehen.

3.) Baustoffe:

a.) Baustein:

Die grauen, meist dünnblättrigen thonreichen Bündnerschiefer und die bunten


Talkquarzitschiefer enthalten keine Bausteine. Eine Ausnahme macht die kleine
dolomitische Kalkscholle oberhalb des Kalkofens bei der Rieder-Innbrücke.
Im Gebiet der Kalkglimmer und Kalksandsteinschiefer nördlich der Antiklinallinie ist
der Fels nur spärlich entblößt. Die geologische Möglichkeit der Gewinnung von
minderem Bruchstein ist vorhanden.
Südlich der Antiklinallinie, im Gebiet der gneisähnlichen Bündner-Schiefer, ist das
Gestein im allgemeinen zur Mauerung geeignet. Die Auswahl muß aber mit
Sorgfalt erfolgen, da das Gefüge durch außergewöhnliche Zusammenpressungen
in einzelnen Zonen, insbesondere, wo Griffelbildung auftritt, gelockert ist. Am
Breithaslach-Bach zeigen sich auch starke weiße Ausblühungen (Magnesiumsulfat)
die sonst nur den grauen und bunten Schiefern nördlich der Antiklinale eigen sind,
und als Anzeichen mangelnder Wetterbeständigkeit zu betrachten sind.
Der anstehende Fels liegt am rechten Ufer fast durchwegs weitab der Strasse, am
linken fehlt oft der Platz für Steinbrüche, die auch unter viel Abraum leiden würden.
Für die Umgebung von Ried kann man den Quarzit und Kalkstein von Entbruck zu
führen. Bei entsprechender Baueinteilung ließe sich auch fester Kalkstein
(petrografisch Dolomit) vom Nordhang des Burgschroffens mit Schlitten oder
Rutschen an die Reichsstraße fördern.
Von losen Steinlagern dürfte die bewaldete Schuttzone unter den Schroffen
zwischen Freitzberg und Breithaslach am ergiebigsten sein. Eine einschlägige
Untersuchung wurde nicht durchgeführt. Die großen Schwemmkegel enthalten
wohl durchwegs auch feste, meist dem Urgebirge entstammende Blöcke. Wegen
der relativ geringen Menge und der festen Bindung des Kegelmateriales muß aber
von einer Gewinnung in größerem Umfang abgesehen werden, so daß man nur
auf die unbedeutende aus den Einschnitten abfallende Kubatur zählen kann.
Größere Anreicherungen von Blöcken finden sich in den unmittelbar angegriffenen
Uferstrecken, wo sie jedoch als natürlicher Uferschutz zu belassen sind.
Abbauwürdige Lager ziehen sich nur vom südlichen Teil des Fraunser-Kegels
gegenüber dem Christiner-Bach eine Strecke weit flußauf. Einige zutage liegende
Granitblöcke sind künstlich zerspalten, scheinen sich aber in Folge „falscher
Lassen“ nicht zur Herstellung von Quadern geeignet zu haben.
Auf Quadermateriale aus dem Anstehenden ist überhaupt nicht zu rechnen, und
Findlinge aus dem Erratikum dürften in ausreichender Menge, insbesondere für
― 49 ―

größere Stücke auch nicht zu beschaffen sein.

b.) Schotter:

Bei der Schwierigkeit der Steinbeschaffung kommen für die Herstellung von
Schlägelschotter nur die aus den Einschnitten in alten Schwemmkegeln
ausgelesenen kleineren Mugel und Blöcke in Betracht.
Gute Grubenschotter sind in den alten gebundenen Schwemmkegeln nicht zu
erwarten, können sich aber immerhin zufällig in Nestern, vorwiegend in den
Randzonen, finden. Auch die Diluvialterassen eignen sich infolge der häufigen
Lehmbettung nur stellenweise zur Gewinnung von Grubenschotter. Als beste
Versuchsstrecke kann der fahrbare Weg vom Kapuzinerkloster in Ried nach Gfrans,
etwa bis zur Höhe 1050 empfohlen werden.
Viel billiger und in beliebiger Menge sind Rundschotter aus der Fendler-Muhre und
aus den Auffüllungsböden und Schotterbänken des Inn zu beschaffen.
Kalkschotter für Strassenherstellungen wären aus den schon mehrfach erwähnten
Kalkschollen in bunten Bündnerschiefer zu beziehen.
Für besondere Zwecke z.B. feinere Betonarbeiten ist fester unvollkommen
gerundeter Schotter mit vorgeschriebenen Abmessungen in Tschuppbach
erhältlich, wo er im Frühjahre mittelst Sortierrechen aus der vom Bach
abgeschwemmten Grundmoräne ausgesiebt wird.

c.) Sand:

Die Aufschließung von kleinen Sandlagern in den Diluvialterassen und den


abgestorbenen Schwemmkegeln kann sich in der Strecke Ried — Tösens auf die
Zufallsfunde beim Bahnbau beschränken, da aus dem Fendler-Muhrkegel u.
insbesondere den Aufschwemmungen des Inn reichlich guter Bausand zu
gewinnen ist.

Zusammenfassung zu Abschnitt III und IV:

(Prutzer-Talweitung und Inntal von Ried bis Tösens)

Alle technisch belangreichen geologischen Erscheinungen im Inntal von der


Pontlatzer-Brücke bis Tösens sind im Gutachten eingehend beschrieben. Die für
das Detailprojekt allenfalls noch wünschenswerten Einzelheiten lassen sich
durchwegs ohne Schurfarbeiten angeben.
Unter Berücksichtigung der angeführten örtlichen geologischen und teilweise auch
technischen Schwierigkeiten ergibt sich in großen Zügen folgende Haupttrasse, die
mangels der erforderlichen Behelfe, Strassenkreuzungen u. dgl. nur nach
beiläufiger Schätzung berücksichtigt.
Von der Umfahrung der Runserau kann man nach Durchtunnelung des
nördlichsten Schroffens, den Inn noch unterhalb der Pontlatzer-Brücke übersetzen
und die Reichsstrasse unterfahren. Das rechte Widerlager der Pontlatzer-Brücke
wird noch im Tunnel umkreist, der Erzbach offen übersetzt und nun führt die Trasse
offen an der rechten Lehne weiter die Wiesenzone der bunten Phyllite und der
Bündnerschiefer-Schroffen werden im Damm passiert.
Der Faggenbach wird ungefähr mit der Schwellenhöhe 800 gequert, die Station
― 50 ―

Prutz liegt auf der gleichen Lote wegen der besseren Verbindung mit Ladis, Prutz
und dem Kaunsertal, am linken Ufer des Faggenbaches. Diese Trasse erlaubt auch
eine Verlegung der Station auf das rechte Bachufer, wo sie jedoch viel
Schüttungsmateriale erfordert.
Nach schienenfreier Übersetzung der Reichsstrasse wird die Schwemmbach-Muhre
unterfahren. Die Einzeichnung in der Karte erfolgte hier nur nach den Häusern, da
die Straße gegen die Spitze des Schwemmkegels umgelegt ist. Die Station Ried
käme dann in die zu entwässernden Wiesen westlich der Kirche, allenfalls gegen
die Lehne gerückt, zu liegen. Die Reichsstrassenübersetzung dürfte sich
schienenfrei durchführen lassen. Die Linie führt sodann über die Terrassen unterhalb
der Reichsstrasse, übersetzt den Christinerbach im Ablagerungsgebiet allfälliger
Muhren mit möglichst großer Lichtweite und Höhe und umzieht den Kegel an den
Böschungen bis sie den Auffüllungsboden bei Steinbrücke erreicht.
Von hier aus überfährt sie am besten die Reichsstrasse und ersteigt die Hochfläche
zwischen der Tösener-Kirche und der Hauptlehne, wodurch für die Stationsanlage,
die Umfahrung des Urglerbachkegels und für die Trassenführung gegen Pfunds
vorteilhafte Verhältnisse erzielt werden.
Die Trasse hat folgende besondere Vorteile:
Durchwegs Hochwasser sichere Lage und fast vollständige Vermeidung von
Uferschutzbauten. Günstigste Übersetzung des Faggenbaches und der
Reichsstrasse. Betriebssichere Lage im Gebiet der Schwemmbach-Muhre.
Verkehrstechnisch vorteilhafte Lage der Stationen: Ried, Prutz und Tösens.

Von den vielen Möglichkeiten geänderter Linienführung seien nachfolgend die


Wichtigsten besprochen:
1.) Verzichtet man auf die Umfahrung der Runser-Au, so lässt sich die Nivellette
bedeutend tiefer halten und die beschriebene Haupttrasse näher zum Talboden
legen. Hiedurch wird auch die ununterbrochene Fortführung entlang des rechten
Innufers ermöglicht, die aber eine stets gefährdete Übersetzung des Faggenbach-
Gebietes mit sich bringt. Die Station käme südlich von Prutz zwischen das rechte
Innufer und die Reichsstraße zu liegen.
Bis Steinbrücke wäre der Zug der Haupttrasse beizubehalten. Von da ab wäre
wieder eine Uferbahn denkbar, die aber längs Breithaslach einen kostspieligen
Kunstkörper erfordern würde.
Die Station Tösens käme auf die Weide zwischen Reichsstrasse und Inn zu liegen,
wo die Länge von 500 m nur bei ungünstigen Richtungsverhältnissen
unterzubringen ist. Auch die anschließende Straßenkreuzung und die Umfahrung
des Urglerbachkegels dürften Schwierigkeiten bereiten.

2.) Bei mäßiger Verlängerung des Runserauer-Tunnels läßt sich die Linie ohne
Schwierigkeiten auch am linken Inn-Ufer bis in die Wolfsbach-Au ob Entbruck
führen, in welcher die Station knapp Platz findet. Nach Durchtunnellung des
Rückens mit + 1038 würde die Trasse vom Schwemmland des Inn auf den
gegenüber der Karte stark ab gefressenen Kegel des Urgenebnerbaches
gelangen, sodann den Inn übersetzen und in die längs des Innufers beim
Nonnenkloster anzulegende Station Ried münden.
Die weitere Fortsetzung folgt den Niederterassen längs des Innufers und vereinigt
sich in der durch die Übersetzung des Christinerbaches bedingten Höhe mit der
Haupttrasse.
― 51 ―

Auf die ungünstigen Punkte dieser Strecke des linken Ufers wurde an zuständiger
Stelle mehrfach hingewiesen.
Von einer weiter ausgedehnten Trassenführung am linken Innufer muß vom
geologischen, wie vom technischen Standpunkt entschieden abgeraten werden.

Landeck, am 24 Jänner 1907.

Ingr. Max Singer m.p.

Mit 1 Beilage (Nr. 2 Tektonische Skizze des Inntales)


― 52 ―
― 53 ―

Geologisches Gutachten für den Bau der Eisenbahnlinie Landeck — Mals


Teilstrecke: Landeck — Nauders.

V. Das Trassenstück von Tösens bis Pfunds.


(Gebiet der Bündner-Schiefer)

A. Bau und Gliederung der rechten Talwand.

1.) Talaufwärts von Pfunds muß die Bahnlinie unbedingt auf dem rechten
(österreichischen) Inn-Ufer liegen.
Für das Trassenstück Ried — Tösens kommt nach den Ausführungen im Abschnitt IV
gleichfalls nur das rechte Ufer in Betracht.
Die Fortsetzung bis Pfunds ließe sich auch auf dem linken Ufer herstellen, wenn die
Höhenlage der Station Pfunds eine nicht zu kostspielige Übersetzung des Inntales
ermöglicht, was bei der Trasse von Jänner 1907 der Fall ist. Anlaß hiezu könnten die
nicht unbeträchtlichen Bauschwierigkeiten geben, welche für die Trasse am
rechten Talhang zwischen Bahn km 24,560—24,685, km: 26,320—26,400 und km
27,600—28,100 bestehen.
Das Felsgerüst des Talabschnittes Tösens — Pfunds wird von dem gneisähnlichen
Bündner Schiefer (Kalkglimmerschiefer) aufgebaut.
Das Gestein ist kräftig gefaltet und gestreckt, so daß die Schichtflächen steil nach
Süden fallenden Wellblechtafeln gleichen, deren ursprüngliche Ebene nochmals in
oft unglaubliche Falten (vergleiche Skizze Nummer 22) gelegt wurde.
― 54 ―

Die Faltenbüge, welche den „Wellen“ entsprechen, streichen nahezu konstant


nach 80° O (magnetisch OW) und sind leicht nach Ost geneigt. Bei besonders
heftiger Faltung dritt grobe Griffelung nach diesen Faltenbügen ein. Nahezu
senkrecht zum Streichen, also ungefähr in der magnetischen N–S-Richtung, wird
das Gestein von einer wandbildenden Steilkluft unterteilt.
Die Talgehänge beiderseits des Inn sind größtenteils steiler Fels. Die Abholung und
Überkleidung mit Glazialschotter ist auf einzelne Teile des Hangfußes und einige
Hochterassen, beschränkt.
Die erwähnten Steilklüfte, ineben welchen noch flacher liegende Klüfte auftreten
und die Wellung der Schichten, begünstigt die Entstehung von Schroffen mit den
eigentümlichen aufeinander senkrecht stehender freien Steilflächen. Infolge der
ausgeprägten Unterteilung des Gesteines erzeugen Frost- und Temperaturwechsel
eine reiche Schuttablösung.

2.) Die Gliederung der beiden Talwände ist sehr verschieden. Die linke Talseite
weist eine Reihe von Bächen mit starker Wasserführung und großem Einzugsgebiet
auf, die bei jedem Wolkenbruch zu Muhrgängen werden.
Auch die karartigen Halbkessel, wie zwischen Lafairsch und Stuben entsenden
reichlich Sturzschutt und kleine Muhren.
Die Steingefahr wäre für eine Talbahn wegen des ausreichenden Abstandes von
den Wänden eine geringe.
Die Sicherung gegen Vermuhrung würde jedoch beträchtliche Kosten erfordern,
da die Linie längs des Inn vorwiegend im Damm geführt werden und zahlreiche
offene Durchlässe erhalten müßte.
Überdies dürfte die geregelte Ableitung, vielleicht auch die vollständige
Verbauung, einzelner Wasserläufe notwendig werden. Schlägt man die Kosten der
zweifachen Inn-Übersetzung hinzu, so dürfte die Bausumme einer linksufrigen
Strecke nicht geringer, der Aufwand für Erhaltung aber größer werden, als bei der
rechtsufrigen Trasse.

3.) Die weiteren Ausführungen beschränken sich daher auf die technisch-
geologischen Verhältnisse der rechten Talwand.
Im Gegensatz zum linksufrigen Hang ist die rechte Talseite auffallend wenig
gegliedert. Es fehlen ihr alle größeren Wasserläufer, da der dem Bündner-Schiefer
angehörige Zug des Frudiger-Joches durch das Pfundser-Tscheytal von der
Hauptmasse des Gebirges, den Gneisbergen, vollständig ab getrennt ist. Der
Abhang gegen den Inn weißt aber eine große Zahl von Runsen und Wildbächen
auf, die bei dem schon besprochenen Schuttreichtum gleichfalls den Charakter
kleiner Muhrgänge tragen, worauf bei der Anlage der Durchlässe umso sorgfältiger
Rücksicht zu nehmen ist, als dieselben durchwegs im Absatzgebiet des Schotters
liegen, sich daher bei mangelhafter Ausbildung des Längen- und des
Durchflußprofiles bei jedem Regen verstopfen müßten.
Eine andere technische Schwierigkeit besteht an jenen Stellen, wo der Inn
entweder den Schuttfuß oder schon die nackte Felswand angreift. Das
Schottervorland, das in der topografischen Karte gezeichnet ist, wurde stellenweise
(insbesondere Bahn-km 25,9 — 26,3) vom Fluß wieder abgetragen, da ihn die
Muhrbäche der linken Talseite gegen das rechte Ufer drängen.
Diese natürliche Wanderung des Flußbettes wird durch die augenscheinlich nicht
lang bestehenden Buhnenbauten verstärkt. Falls durch den Kunstkörper der Bahn
eine Verengung des Innprofiles erzeugt wird wäre eine Kürzung der ungewöhnlich
― 55 ―

hohen und starken Buhnen zur Verminderung der Unterwaschungs-Gefahr


vorzunehmen.
Eine Talbahn zwischen Tösens und Pfunds, die höchstens die mittlere Höhe des
bestehenden Fußweges erreicht, findet am rechten Innufer weit weniger Fels als
man nach dessen Gesamtbild erwarten würde. Mit Ausnahme der direkt vom Inn
bespülten Uferstrecken km: 24,560—24,685, km: 26,320—26,400 und des
Margreither-Rückens km: 27,6—28,1 treten stets nur einzelne Felsrippen aus dem
reichlichen Schuttgürtel des Lehnenfußes. Bei der Einzeichnung des Kunstkörpers in
die Quarzprofile sind die Angaben über die Bodenbeschaffenheit sorgfältig zu
beachten, da die steilen Bruchufer in gebundenen Schutt sonst irrtümlicherweise
für Fels gehalten werden könnten. Auch die Schwemmkegel besitzen eine im
Vergleich zum Einzugsgebiet der Wasserläufe sehr bedeutende Ausdehnung.
Bei den verhältnismäßig einfachen geologischen und morphologischen
Ver häl t nis s en de r re c ht en Tal w and g en üg t di e v o rs t eh end e k urz e
Charakterisierung zum Verständnis der auf Grund der geologischen Begehung und
des Schichtenplanes zusammengestellten Einzelangaben, welche sich auf die
Trasse vom Jänner 1907 beziehen.

4.) Baustoffe:

Der beträchtliche Steinbedarf für die ausgedehnten Schutzkörper und


Uferschutzbauten kann längs der Linie gedeckt werden. Bei der Anlage von
Steinbrüchen im anstehenden gneisähnlichen Bündner-Schiefer sind jene Zonen zu
vermeiden, in welchen eine allzu ausgeprägte griffelartige Streckung des
Gesteines herrscht. Es dürfte vielfach vorteilhafter sein, den blockreichen unter den
Schroffen liegenden Bergschutt zur Steingewinnung heranzuziehen. Die Verführung
an die einzelnen Arbeitsstellen kann nur mit der für die Strecke: Tösens — Pfunds
ohnehin unvermeidlichen Rollbahn erfolgen. Ob sich für die Quadererzeugung
genügend kernige Felsköpfe bezw. Blöcke finden, kann nur durch Einzelerhebung,
bezw. Versuch entschieden werden.
Sand und Schotter sind in kleineren Mengen wohl auch in den Schwemmkegel
enthalten, vereinzelt sogar in der Hangdecke km: 25,9 — 26,1. Die Hauptmasse ist
aber jedenfalls den Sand und Schotterbänken des Inn, sowie den schon
bewachsenen Auffüllungsböden und alten Terassen längs des Ufers zu entnehmen.

B. Geologische Beschreibung des Trassenstückes von Tösens bis Pfunds.

(Geschriebenes Geologisches Längenprofil auf Grund der Trassenführung vom


Jänner 1907)

km: 21,485. (Aufnahmsgebäude – Mitte der Station Tösens) bis km: 21,785.
Oberfläche der aus dem alten Urglerbach-Kegel ausgewaschenen Terasse.
Festgebundener grober Muhrschutt.

km: 21,785 — 22,240. Böschungen dieser Unterterrasse gegen den angreifenden


Inn-Fluß, teilweise absinkend bis auf das flache zum Flußbett gehörige Vorland;
festgebundene grober Muhrschutt.

km: 22,240 — 22,400. Durch die Straße halbiertes Erguß-Gebiet des Urglerbaches.
― 56 ―

Die Uferterassen im gebundenen alten Muhrschutt, der sich am linken Bach-Ufer


ober den „Egg“-Häusern mit natürlicher 1/5 füßiger Böschung hält. Die flachen
Teile völliger Muhrschutt.

km: 22,400 — 23,230. Böschungen des vom Inn abgefressenen Urglerbach-Kegels.


Grober festgebundener Muhrschutt, vom km: 22,8 gegen Mals allmälig feiner und
sandreicher werdend.

Technische Bemerkung: In dem vorzüglich gebundenen Materiale der alten


Schwemmkegel des Oberinntales (desgleichen auch im Vinschgau) finden sich in
der Natur häufig äußerst steile (1/5 füßige) Böschungen. Wenn für die Ausschaltung
der schädlichen klimatischen Einflüsse vorgesorgt wird, kann die günstige
Standfähigkeit bei der Herstellung des Kunstkörpers ausgenutzt werden. Die im
Mayreder'schen Projekt gezeichneten halbfüßigen Böschungen mit Bermen (!) sind
aber auf keinen Fall haltbar.

km: 23,230. Nach dem Meyreder'schen Schichtenplan läge der Südrand des
Urglerbach-Kegels schon in diesem Profil. Es ist möglich, daß hier eine der
Felsterassen auftaucht, welche in Fortsetzung des felsigen Haupthanges von dieser
Stelle gegen Ganden weiterstreichen. Nach den Hauptformen wäre der
Kegelrand erst im Querprofil Kilometer 23,265 zu erwarten.

km: 23,230 — 23,400. Vorwiegend blanke Rippen von scharf gefalteten und stark
aufgeklüfteten gneisähnlichem Bündner-Schiefer.

km: 23,400 — 23,475. Meist schuttbedeckte Felsrippen, wie vorstehend.

km: 23,475 — 23,600. Ziemlich kleinstückiger lehmiger Hangschutt, stellenweise vom


Inn angegriffen und auf der steilen Felsunterlage abrutschend. Die oberen Anriß-
Ränder reichen 20–25 m über Mittelwasser hinauf.

km: 23,600 — 23,762. Gebundener lehmiger Hangschutt, angeklebt an die


Schroffen, an feuchten Stellen leichte Oberflächenrutschungen. Die Schuttvorlage
wird vom Inn scharf angegriffen, bildet daher gegen den Fluß Steilböschungen, die
im Mayrder'schen Projekt irrtümlich für Fels gehalten wurden.

km: 23,762 — 23,820. Kleines Schuttlager unter der Steilwand, durchrissen von
einem Muhrbach.

km: 23,820 — 23,980. Schwemmkegel der Wildbäche südlich des Eggele 1041.

km: 23,980 — 24,560. Schuttzone hinabtauchend unter das Schwemmland des Inn,
auf welches die Linie streckenweise übergreift.

km: 24,560 — 24,685. Felswand von festen gneisähnlichen Bündner-Schiefer,


Wellen-Büge streichen 80° O, f. 15° Ost; Fallen der gewellten Schichtflächen steil
Süd.
Ausgeprägte Absonderungskluft str. 80° Wt f. 80–90° N.
Zwischen km: 24,578 und 24,589 ein kleiner Steinbruch.
Die Mauerung des projektierten Tunnels wäre außer den Portalen mit zwei Ringen
― 57 ―

Type 7, sonst Type 5 reichlich veranschlagt. Die 60 m hohen (!) Felsböschungen des
Mayrder'schen Projektes wären durch eine, wenn notwendig gallerieartige
Verlängerung des Tunnels zu beseitigen.

km: 24,685 — 24,815. Schutthalde mit mehrfach entblößter Felsunterlage (im Bach
km: 24,746, bei km. 24,800).

km: 24,815 — 25,215. Bergschutt unter den Schroffen mit teilweise riesigen Blöcken,
hinabtauchend unter die sandreichen, schottrigen Auflandungen des Inn (Au).

km: 25,215 — 25,927. In der Hauptmasse abgestorbene, vom Inn terassenförmig


ausgewaschene, aber nächst den Bachläufen noch lebende Schwemmkegel der
von den Eckele-Höfen (1215) kommenden Bäche. Der kräftigere, schuttreichere
heißt im Schichtenplan Blautal-Bach.
Die alten Muhrterassen gut gebunden, die jungen Aufschwemmungen wenig. Die
tiefsten ebenen Böden sind sandig-schottrige Flußanlandungen.

km: 25,927 — 26.100. Bergschutt unter der Steilwand. Das in der topografischen
Karte gezeichnete Schottervorland ist weggeschwemmt.
In der Höhe des Flußsteiges enthält die Schutthalde eingelagerte Flußschotter, ein
Beweis, daß der Fluß erst durch die reichlich abstürzenden Felsstücke vom
Haupthang abgedrängt wurde.

km: 26,100 — 26,320. Gleichfalls Bergschutt. Nächst km 26,1 im Schichtenplan nicht


erkennbare Holzriese. Die Schuttzone wird vom Inn scharf angegriffen, die steilen
Bruch-Ufer km 26,2/3 sind im Mayreder'schen Projekt hier, wie an vielen anderen
Stellen, wieder irrtümlich als Fels behandelt.

km: 26,320 — 26,400. Steile Wand des gneisähnlichen Bündner-Schiefers, zunächst


mit kleinem Schuttfuß, dann vom Inn scharf angegriffen, so daß der Fußweg eine
kurze Strecke auf einen Laufsteg aus Rundholz geführt ist. Die Wand enthält
ungünstige Ablösungsklüfte, vergl. Beilage Nro. 3.

km: 26,400 — 26,860. Bergschutt unter der Steilwand, hinabtauchend unter die
Flußauffüllungen. Im km: 26,535 ein schwächerer in km: 26,600 ein kräftiger
Murbach. Im km: 26,760 ist die Schuttzone stark verschmälert (siehe das
charakteristische Querprofil Beilage Nro. 4).

km: 26,860 — 27,120. Frischer Schwemmkegel des Wiesenfleck-Baches, als


Überguß-Schüttung auf dem alten Kegel.

km: 27,120 — 27,600. Ebener, Sand- und schotterreicher Auffüllungsboden längs


älterer Schutt-Terassen.

km: 27,600 — 28,100. Margreither-Brücken, im Schichtenplan „Ochsenbühel“. Im


Mayreder'schen Schichtenplan sind Schichtenlinien sogar aus Punkten mit über 80
m horizontal- und 55 m Höhenabstand entwickelt. Infolgedessen ist auch die in der
Natur gut ausgeprägte Gliederung in blanke Wände und vorgelagerte
Schutthalden nicht wiederzuerkennen; selbst die vom Inn angegriffene Steilwand,
längs welcher der Weg auf Holz geführt ist, ist verschwunden. Die folgenden
― 58 ―

Angaben beruhen daher nur auf den Aufschreibungen gelegentlich der


geologischen Begehungen und sind hinsichtlich der kilometrischen Angaben
unsicher:

km: 27,600 — 27,700. Ist der Fuß des Rückens ziemlich ausgedehnt und
schuttbedeckt.

km: 27,700 — 27,840 (?). Meist blanke Wand des festen gneisähnlichen
Bündnerschiefers, an der Basis graue weichere Einlagerungen.

km: 27,840 (?) — 27,870 (?). Gilt das Profil der Skizze Nro 23.

km: 28,100 — 28,200. Rand des von einer frischen Muhre bedeckten
Schwemmkegels des Margreither-Baches.

km: 28,200 — 28,720. Sandig-schottrige Flußauflandungen in der Auswaschung des


großen Pfundser-Schwemmkegels.

km: 28,7200 — 29,0 (bezw. 30,7). Schwemmkegel des Pfundserbaches. Bei


― 59 ―

Kilometer 28,720 läuft die Trasse über die Böschung der vorgenannten
Auswaschung auf den eigentlichen Kegel hinauf und gelangt von diesem
sandreichen Rand gegen das Bachgerinne in immer größeren Schutt.
_______ . _______

Die Geländebeschaffenheit wurde in 170 Querprofile dieser Strecke in


charakteristischer Zeichnung eingetragen und durch Schlagwörter erläutert.
Die Wahrnehmungen, welche hiebei hinsichtlich der Geländedarstellung und der
bei der Einzeichnung des Kunstkörpers angenommenen Bodenbeschaffenheit
gemacht wurden, sind zumeist fallweise im geschriebenen geologischen
Längenprofil angemerkt. Sie geben aber dem Gefertigten weiters noch Anlaß
zusammenfassend folgendes hervorzuheben:

1.) Die häufige Verkennung des steilgeböschten Schuttes und die Annahme
halbfüßiger mit Bermen versehener Böschungen, die nur im Fels möglich wären,
zieht eine vollständige Störung der Massenverteilung nach sich.

2.) Die Schichtenpläne weißen durchgängig nur Wasserspiegel-Koten auf, so daß


die Einzeichnung der Flußsohle in die Querprofile wohl auf willkürlicher Annahme
beruht. Erfahrungsgemäß weißt aber die Flußsole längs steiler Uferwände stets eine
besondere Eintiefung auf, wie sie in der Beilage 3 als Mindestmaß eingetragen
erscheint. Die unrichtige Geländelinie des Mayreder'schen Querprofiles km: 26,377
ist strichliert eingezeichnet. Wo der Kunstkörper nahe dem Steilufer liegt, sind
demnach die Stützmauern und die trockenen Schutzbauten ungenügend
veranschlagt.

3.) Im 3. Absatz des zugehörigen geologischen Gutachtens ist auf die unbedingte
Notwendigkeit günstiger Durchflußverhältnisse für die im Mündungsgebiet
gequerten, reichlich schuttführenden Wildbäche hingewiesen.
Das derzeitige Projekt mit seinen tief ins Terrain gedrückten Durchlässen und den
gekünstelten Gerinnen entspricht dieser Forderung in keiner Weise.
Ohne also auf rein technische Einzelheiten eingehen zu wollen, muß das derzeitige
Projekt der Strecke: Tösens — Pfunds mit Rücksicht auf die angeführten drei
Grundmängel dringend zur vollständigen Umarbeitung empfohlen werden.

Landeck, am 23. Februar 1907.

Ing. Max Singer m.p.

Mit 2 Beilagen (Nummer 3 und 4)


― 60 ―
― 61 ―
― 62 ―

Geologisches Gutachten für den Bau der Eisenbahnlinie: Landeck — Mals.


Teilstrecke: Landeck — Nauders.

VI. Das Trassenstück von Pfunds bis Hochfinstermünz.

A. Bau und Gliederung der rechten Talseite.

1.) Pfunds — Kajetansbrücke:

Der Abschnitt IV dieses Gutachtens enthält eine kurze Angabe über die einzelnen
Zonen der Bündner-Schiefer, welchen auch der Talabschnitt von Pfunds bis
Landeck angehört. Von der Antiklinalaxe bei Gfrans reicht der hellgraue bis
weißliche, gneisähnliche Kalkglimmerschiefer innaufwärts bis zum Patscheibach,
bezw. den steilen Patscheiwänden. Das Gestein behält fast ohne Schwankung die
etwa 80° O (magnetisch O.W.) streifenden und nach Ost geneigten Faltenbüge
und die gefalteten Schichtflächen fallen auch in diesem Talstück vorwiegend steil
nach Süden. Desgleichen tritt wieder die nahezu Nord-Süd streichend Steilkluftt
auf, welche im Vereine mit den scharf ausgeprägten Faltenbügen die
„Architektur“ der Schroffen bestimmt.
Eine eigentümliche, technisch bedeutsame Erscheinung ist die reichliche Ablösung
ungeheurer Felsblöcke, welche zum Teil in abgestürzten Halden, zumeist aber ohne
wesentliche Ortsveränderung die tieferen Gehängeteile bedecken. Die besten
Aufschlüsse in diesen Blockassen liegen am linken Innufer, wo zwar dem Stuben
Strassen km: 124,2 ein sprunghafter Wechsel im Fallen der Streckung auf
tektonische Ursachen des Aulfosungsorganes hindeutet. Am rechten
(bahnseitigen) Hang, ist die Erscheinung infolge der Bewaldung weniger deutlich,
läßt sich aber bei sorgfältiger Beobachtung mit voller Bestimmtheit nachweisen. Da
die aus dem Lager gerückten Blöcke nicht selten die Größe eines Wächterhauses
erreichen, ist sorgfältig auf die Unterscheidung zwischen Blockmassen und wirklich
anstehendem Fels zu achten.
Die Skizze Nr. 24 zeigt an dem Beispiel eines Schroffens zwischen Klamm—Ries und
Brunn—Ries in der Draufsicht die Architektur dieser Felsrippen, in der vergrößerten
Ansicht der korrodierten fast N.S. streichenden Kluftfläche die Fältelung und das zur
Ablösung führende Aufklaffen der Schichten.
Im ganzen kommt eine Taltrasse zwischen Pfunds und der Kajetansbrücke mit dem
Anstehenden nur wenig in Berührung. Der Talboden zeigt noch mächtige
Auffüllungen (alte Flußterassen), in welche sich das Innbett eingräbt und auf
welchem sich der Gehängeschutt und die Schwemmkegel aufbauen.
Die Felsschroffen treten erst über der Höhe 1000 m aus diesem Schuttfuß hervor.
Die einzige flache, aus dem Hauptgang in das Tal vorspringende Felsplatte ist der
Kompatsch-Eck-Rücken am rechten Ufer des Patscheibaches (topografische Karte
1025).
Große Blocklager finden sich in der Höhe 1000 m am Südrand des Pfundser-
Schwemmkegels, dann beim Kreuz 968 der topogr Karte, von wo sie bis zum
Nordostrand des großen Eisgang-Kegels reichen (topogr. Karte + 998). Etwa 200—
400 m südlich des Kreuzes bilden sie an der Verschneidung der alten
Flußauffüllungen mit dem Haupthang den flachen Wandseeboden.
― 63 ―

Der Hang zwischen dem Pfundser und dem Patscheibach ist wenig gegliedert, gut
bewaldet und von kleineren Steilwänden durchzogen, an denen infolge von
Schwitzwässern und der schattseitigen Lage starke Eisbildungen entstehen.
Die in der topografischen Karte gezeichneten Runsen sind zumeist Holzriesen, so
zum Beispiel, das auf dem Wandseeboden mündende Klamm-Ries und die beiden
Brunn-Riesen, und blos der große Eisfall und der Patschei-Bach sind ausgebildete
Gräben.
Im Einzugsgebiet des großen Eisfalles, an dem von Pfunds auf die Kälbermais
führenden Weg, entspringt bei circa 1280 m die einzige kräftige Quelle dieses
Talabschnittes, die aber reichlich Kalktuff absetzt. Von der Höhe 1250 an fällt der
Eisfallbach im Felsbett über die hohe Steilwand ab, welche er im Winter kräftig
übereist. Im Frühjahr sollen hier schwere Eisschläge abgehen, wobei die Trümmer
angeblich bis an den Feldweg ( + 998) fliegen.
Oberhalb der Felswand liegt das Bachbett im Hangschutt und ist bei zirka 1300 m
von den gegen Norden anschließenden Plaikenrunsen (topogr. Karte kennbar) nur
durch einen schmalen Schuttdamm getrennt. Der Bach kann hier bei jedem
starken Gewitterregen ausbrechen und von den Wundflächen eine Muhre
losreißen. Zur Sicherung der Bahnanlage ist daher entweder die billige Verbauung
dieser Stelle oder eine entsprechende Hochführung der Nivellette und die
Einschaltung eines zirka 5 m weiten Durchlasses erforderlich.
― 64 ―

Zwischen dem großen Eisfall und dem Patscheibach liegt der als Holzriese benützte
kleine Eisfall, dessen Runsenförmiger, von wasserschwitzenden Tuffdecken
durchzogener Oberlauf am oberen Rand der vorerwähnten Steinwand endigt.
Der Patscheibach (Kataster Eirpatschei – Pfundser-Mundart Orpatscheibach) hat
ein ausgedehntes, sehr schüttreiches Einzugsgebiet und ist muhrgefährlich.
Bei offener Übersetzung sollte die Lichtweite nicht unter 10 m, die Lichthöhe nicht
unter 3 m betragen.
Der Schwemmkegel, in welchen der schon erwähnte Felsrücken des Kompatsch-
Eck hineinragt, besteht aus gebundenem vorwiegend feinem Schutt der grauen
Kalkthonphyllite mit etwa 10 % größerer Blöcke.
Am linken Ufer des Patscheibaches zieht sich der Fels vom Rand des
Schwemmkegels rasch in die Höhe, verschwindet in der Schneise der topogr. Karte
etwa bei 1040 unter dem Hangschutt und umgibt dann als steile hohe Wand das
breite blockbesäte Schuttland, auf welches die Straße beim Uferwechsel übertritt.
D i e Beschaffung der wichtigsten Baustoffe wird in der Strecke Pfunds —
Kajetansbrücke keine Schwierigkeiten bereiten.
Sand findet sich im Pfundser-Schwemmkegel und in den jüngeren Auffüllungen des
Innbettes. Auf Sandgewinnung aus den blockreichen Terassen und aus den
Schwemmkegeln der kleineren Seitenbäche kann nicht gerechnet werden.
Die örtlichen, durch Räumung des in der Höhe von 1000 m vom Pfundser-Kegel an
die Lehne übertretenden Bewässerungs-Grabens (Walles) entstandenen
Sandanreicherungen dürften kaum abbauwürdig sein.
D er Oberbauschotter ist wohl in der Hauptmasse durch Schlägeln zu erzeugen,
wozu sich der Ausbruch aus der Felsstrecke des Patschei-Tunnels eignen würde.
Auch sonst ist hiefür geeignetes Material aus den Schuttzonen leicht zu
beschaffen.
Grubenschotter können sich möglicherweise aus den dünnen Glazialdecken am
Nordrand des Pfundserkegels, aus diesem Kegel selbst, sowie aus den alten und
jüngeren Terassen der Talsole und aus dem Innbett gewinnen lassen. Eine
Untersuchung der Talsole hat mit Rücksicht auf die zur Zeit der Begehung noch in
hoher Lage projektierte Trasse nicht stattgefunden.
Der Bruchstein ist wohl am vorteilhaftesten aus den zahlreichen großen Felsblöcken
zu beschaffen, die fast in der ganzen Strecke von Pfunds bis zur Kajetansbrücke
am Lehnenfuß angehäuft sind. Die aus dem geneigten, bewaldeten Hang
vortretenden Schroffen (Fuß circa 1020 — 1040) sind übrigens ihrer Form nach für
di e A n la g e v o n S t e in b r ü c h en n ic ht u n g e ei g n e t , hi n g e g en i s t d i e
Gesteinsbeschaffenheit infolge stärkeren Thongehaltes und ausgesprochener
Griffelbildung stellenweise (z.B. am Südrand des Wandseebodens) ungünstig.
Kleinere Quadern, insbesondere rauhe Dohlendeckel bis höchstens 1,3 m Länge
dürften sich aus dem geneisähnlichen Bündnerschiefer herstellen lassen. Ob sich
derselbe auch für große Auflagsquadern u. dgl. eignet, kann bei der Eigenheit des
Materials ohne Versuch nicht angegeben werden.

2.) Kajetansbrücke — Hochfinstermünz.

In der topografischen Detailkarte sind am linken Ufer des Patscheibaches zwei


große Flächen nach Art der Schotterplaiken eingezeichnet. Es sind Wundflächen
im schwarzgrauen brüchigen Thonglimmerschiefer, die sich vom linken Innufer
betrachtet, scharf von dem darüber liegenden hellen Gestein abheben. Letzteres,
― 65 ―

der gneisähnliche Kalkglimmerschiefer zieht in etwa 1500 m Höhe auch auf das
linke Bach-Ufer und weiter gegen die Kälbermais. Er baut noch die prallen
Steilwände auf, unter welchen die riesigen Halden von Schutt und Blockwerk
liegen, auf denen die Reichsstraße aus der Kajetansbrücke in die Richtung des
Inntales einschwenkt.
Im km: 119,640, wo die Straße den Schutt verläßt und an die Felswand tritt,
schneidet sie blaugrauen enggefalteten Kalkschiefer mit zahlreichen weißen
Kalzitadern an. Die Grenze gegen den hellgrauen Kalkglimmerschiefer ist in
Bahnhöhe vom Sturzschutt der Patscheiwände verdeckt.
Der Gesteinswechsel drückt sich im großartiger Weise in der plötzlichen Verengung
des Inntales aus. Die ganze schluchtartige Strecke liegt in petrografisch wenig
wechselnden Schichten des Kalkphyllites, welcher in manchen Bänken durch
Vortreten des Kornes und Glimmerschüppchen mehr das Aussehen von
Kalksandsteinschiefer annimmt, in gequetschten Zonen aber Lagen von
dünnblättrigen Kalkthonschiefer aufweist. Typische Kalksandsteine und Sandsteine
mit deutlichem, ziemlich groben Korn finden sich erst an der Martinsbrucker-Lehne.
In der Strecke bis Hochfinstermünz liegen die besten Aufschlüsse naturgemäß an
der Kunststraße. Sie zeigen zunächst bis Straßen km 119,0 sehr kalkreiche, dichte bis
feinkörnige Kalkschiefer in stark gefalteten aber wenig zerklüfteten dünnen
Bänken, die 75–80° Ost streichen, wobei das Fallen unter 30 bis 60° nach Süden
gerichtet ist.
Von da ab werden die Schichtblätter häufig sehr dünn, die Zerklüftung und die
Kalzitführung ist stärker, der zunehmende Thon-Gehalt gibt dem Gestein eine
dunklere Färbung, doch bleibt es stand und wetterfest. Das Schichtstreichen
schwankt zwischen 45° und 60° Ost, das Fallen zwischen 35 und 50° Süd. Eine Reihe
von steilen Verschiebungs-Klüften, zum Teil mit lehmigen Zerreibsel erfüllt, zum Teil
fest verkittet, durchsetzt die Schiefer unter 70 bis 90° gegen das Streichen. Näher
zum Einräumerhaus und zum Hotel Hochfinstermünz wird der Kalkphyllit immer
dünnschichtiger und kurzklüftiger. Alle diese Erscheinungen weisen auf eine
Störungszone hin, die sich morphologisch in der Finstermüzer Talweitung ausprägt.
Im Kirschbach und in Aspengraben erscheinen schwarzgraue blättrige
Thonschiefer und im Bereich der obersten Quellgräben zeigt sich im Anstehenden
ein neues Element der Bündner Serie: Lagergänge von grünen Gesteinen mit teils
schiefriger teils massiger Textur die hier in 1750 m Höhe mit einer Mächtigkeit von 15
m ausbeißen.
Diese vorwiegend festen aus Diabas und verwandten Gesteinen entstandenen
Grünschiefer ziehen jedoch erst im nächsten Trassenabschnitt bis zur Bahnhöhe
herab.
Oberhalb der Felsschroffen, längs welcher die Straße den Aufstieg nach
Hochfinstermünz vollführt, folgt ein steilgeneigter, von kleineren Wänden
durchzogener und im allgemeinen dicht bewaldeter Hang, der bis zu den
Steilabstürzen des Rosskopf-Fluchtwandkammes hinaufreicht. Im Sommer 1906
wurde aus dem Kirschbach mit Hilfe einer in Rundholz ausgeführten Riese Holz auf
das Lehnenstück zwischen den Durchlässen für den Kirschbach und den
Aspengraben geliefert. Die eigentliche Schlägerung soll erst beginnen bis die
Verfrachtung durch den Bahnbau verbilligt ist, so daß noch rechtzeitig auf
ausreichende Erhaltung von Schutz- und Bannwäldern eingewirkt werden kann.
Trotz der gegenwärtigen günstigen Bestockung ist das Gebirge äußerst wasserarm.
Die ganze Lehne von der Kajetansbrücke bis Hochfinstermünz enthält nur wenige
und durchwegs schwache Quellen abgesehen von der in 1900 m Höhe liegenden
― 66 ―

dürftigen Quelle auf der Kälbermais, finden sich gute Trinkwasseradern, an der
Südseite des Rückens, + 1628 der topografischen Karte bei zirka 1550 m und
zwischen Kirschbach und Aspengraben bei zirka 1340 m. Bezeichnend für die
Quellenarmut des Gebietes ist die Zuhilfenahme des Kirschbachwassers für die
Wasserversorgung von Hochfinstermünz.
Auch die offenen Gerinne sind im Sommer äußerst wasserarm. In den Oberläufen,
wo die kahlen Felsen reichlich Schutt in das Bachbett entsenden, verschwindet
das Wasser oft vollständig unter demselben und verkittet ihn an Stellen, wo er
gegen das Fortschwemmen geschützt ist, gelegentlich der löchrigen Breccien.

Zwischen Straßenkilometer 119,6 und 118,2 folgt die Straße im Großen und Ganzen
dem oberen Rand der Schutthalden, welche die Steilwände begleiten, so daß
unterhalb der Straße fast durchwegs Schutt liegt, während nur einzelne
höherreichende Haldenteile oberhalb des Kunstkörpers bleiben. Vom
Straßenkilometer 118,2 bis Altfinstermünz reichen die Schroffen zumeist bis zum Inn.
Die ganze Strecke längs der Felswände ist steingefährlich. Auf dem Kegel des
Kleiselbaches liegen einige große Blöcke, die erst vor wenigen Jahren
herabgestürzt sind.

Baustoffe:

Von der Kajetansbrücke aufwärts muß der Sand von der Talsole zugeführt werden,
wird also teuer.
Als Gewinnungsstellen längst der Baustrecke kommen allenfalls die alten
Flußterassen bei den in der topografischen Karte gezeichneten Schotterbänken im
Inn (nördlich des Tschengelshofes) in Betracht. Nach den mit Dolomitsanden auf
der Linie Unterdrauburg—Wöllan gemachten günstigen Erfahrungen, empfiehlt
sich vom wirtschaftlichen Standpunkt der Versuch, aus thonfreien Gesteinszonen
erzeugten künstlichen Kalksand zur Mörtelbereitung zu verwenden.
Der Oberbauschotter kann durchwegs aus dem im Einschnitt gewonnenen Schutt
― 67 ―

und aus dem Tunnelausbruch erzeugt werden. Längs der Wildbäche, die aus den
Patscheiwänden über die Blockhalden führen, dürfte sich feineres Materiale, das
nur geringer Nacharbeit bedarf, vorfinden.
Bruchstein: Die Gesteinbeschaffenheit an und für sich würde an vielen Stellen die
Gewinnung von Bruchstein zulassen.
Die Geländeform ist aber derart ungünstig, daß die Anlage von Steinbrüchen
längs der Strasse auf die größten Schwierigkeiten stößt. Auf dem weniger steilen
Rücken, welcher von Hochfinstermünz zum Punkt + 1628 der topografischen Karte
zieht, ist die Gesteinsbeschaffenheit in den tieferen Lagen ungünstig und die für
Bruchstein verwendbare Zone beginnt erst bei 1570 m.
In der Hauptsache wird also der Steinbedarf aus dem Bergsturz unter den
Patscheiwänden zu decken sein, aus welchem eine beliebige Menge von
Bruchstein und kleineren Quadern erzeugt werden kann. Die Bergaufverführung
längst der Straße, bezw. mittelst Rollbahn wird selbstredend die Gestehungskosten
nach Maßgabe der Verführungsweite verteuern.
Die einer Auskleidung bedürftigen Tunnelringe können allenfalls ausbetoniert
werden.
Einzelnheiten über die Geländebeschaffenheit längs der Trasse vom Jänner um
1907 sind in der beiliegenden Geologischen Beschreibung des Trassenstückes
Pfunds — Hochfinstermünz enthalten.
Zur besseren Übersicht der in den Abschnitten VI und VII beschriebenen
geologischen Verhältnisse liegt eine Trassen-Skizze 1:25.000 bei, in welcher außer
den wichtigsten Wasserläufen, die Lage der dem Abschnitt VII angeschlossenen
geologischen Profile in die Gesteinszonen ersichtlich gemacht wurden.

B. Geologische Beschreibung des Trassenstückes von Pfunds bis Hochfinstermünz.

(Geschriebenes geologisches Längenprofil auf Grund der Linienführung vom


Jänner 1907)

Die Abgrenzung einzelner Geländeabschnitte ist, soweit sie aus den


Schichtenplänen, Längen- und Querprofilen zu erkennen war, nach Bahnkilometer
beiläufig angegeben. Die auf Meter lautenden Angaben, entsprechen
Querprofilen und beziehen sich auf Schwellenhöhe.

1.) Offene Strecke Pfunds — Kajetansbrücke:


(einschließlich des Patscheitunnels)

km: 29,0 bis 30,7. Schwemmkegel des Pfundserbaches, mäßig gebundene,


vorwiegend gerundete Schotter mit Mugeln und Blöcken, auch Sandlassen.

km: 30,7 bis 31,3. Alte Flußterasse; gebundene Schotter, Mugel und Rundblöcke,
auch Sandlassen.

km: 31,3 bis 31,450. Schuttfuß des Haupthanges: aufruhend auf den alten vom Inn
angegriffenen Flußterassen (Oberkante 980m). Große Felsblöcke u. Schutt.
Schwemmkegel des großen Eisfalles: vorwiegend kleinstückiger, wenig gerundeter
Schutt von Kalk.
― 68 ―

km: 31,450 bis 31,860. Glimmer und Kalksandsteinschiefer.

km: 31,860 bis 32,196. (rechtes Ufer des Patschei-Baches) Gneisähnliche


Kalkglimmerschiefer; standfestes Tunnelgestein. Oberflächlich auf den ebenen
Teilen des Kompatscheck-Rückens 0,5—1,0 m Glazialschotter, näher dem
Haupthang auch großer Blockschutt.
Patscheitunnel km 31,980/23,207. Das Tunnelausgangsportal liegt im
Schwemmkegel des Patscheibaches. Für den Kostenanschlag Portal 6 m. Type
Nro. 3, 150 m. Type Nro. 4, 51 m. Type 7, 20 m. Zusammen 227 m Tunnellänge.

km: 32,196 bis 32,300. Linkes Ufer bezw. Schwemmkegel des Patscheibaches:
Gebundener vorwiegend feiner Schutt der grauen Kalkthonphyllite mit zirka 10 %
größerer Blöcke.

km: 32,300 bis 33,483. Bergsturz von den Patscheiwänden: kantiger Kurzschutt, mit
teilweise hausgroßen Blöcken, längs der Wildbäche feinerer Muhrschotter.

2.) Offene Strecke von der Kajetansbrücke


bis zum Eingang des Finstermünz-Tunnels:

km: 32,000 — 33,483. Wie oben!

km: 33,483 — 33,576. Liegt die Bahnaxe in der Straße.

km: 33.576 — 33,676. Ausläufer der Schutthalden unter der Steilwand.

km: 33,676 — 33,767. Liegt die Axe in der Straße.

km: 33,775. Kleiselbach. Felsbett im festen Kalkschiefer (Das in der Lotebene der
Trasse mögliche Vorhandensein von losem Schutt kann weder aus dem
Gedächtnis noch aus dem Schichtenplan mit Sicherheit beurteilt werden).

km: 33,767 — 33,964. Läuft die Axse längs der Halbgallerie der Straße. Die Bahnaxe
liegt vielleicht noch auf dem Fels der Gallerie-Wand, die steil unter die
Schutthalden hinabsetzt.

km: 33,964 — 34,700 bezw. weiter nach Skizze Nro. 25 Ausläufer der Schutthalden
unter der Steilwand . Der Schutt der Sturzhalde sitzt auf den alten Flußterassen
nächst Tschengels-Hof auf. Nach den Schichtenplan wird der Schutt an zwei
Stellen von schmalen Felsrippen durchragt. Bei km: 34,415 za 4,0 r.d.B. Bei km.
34.470 za 89 r.d.B. Der Eingang des Finstermünzer-Tunnels liegt noch im Schutt
(Vergleiche die Längenprofilsskizze).
― 69 ―
― 70 ―

3.) Finstermünzer Tunnel:


km: 34,696 bis 35,660 lang 964,0m

a.) Gesteinsbeschaffenheit u. Lagerung:

Graue Kalk- und Kalkthonphyllite, mitunter feinglimmerig, dem


Kalksandsteinschiefer ähnelnd, dünnbankig, durchwegs sehr stark gefaltet und von
Verwerfungsklüften durchzogen; die feinen Risse durch weißes Kalzitgeäder fest
ausgekittet.
Das Schichtstreichen beträgt vorwiegend 45–50° O, das Einfallen 35°, seltener 45°
gegen Südost. Die Tunnelaxe streicht nach dem Schichtenplan 21 bis 22 O,
verquert somit das Schichtstreichen unter 25–30°. Die wahre Neigung der
Schnittlinie der Schichtflächen mit der Ebene des Längenprofiles ist soweit 1:3
gegen den Horizont geneigt.
― 71 ―

b.) Gesteinszonen:

Die Verfolgung einzelner ober Tag erscheinender Gesteinszüge in das Tunnelinnere


ist wegen der starken Verfaltung und insbesondere der an der Straße sichtbare
Verwerfungen von unbestimmbarer Sprunghöhe problematisch.
Mit Rücksicht auf die gute durch die Reichsstraße gebotene Aufschlußlinie wird
nachstehend die Ermittlung einer verläßlichen Grundlage für den Kostenanschlag
versucht.
Von der Felsgrenze bis km: 35,3/4 standfeste Kalk- und Kalksandsteinschiefer mit
einer von ockrigem Zerreibsel erfüllten Verwerfungskluft (2 Druckringe) in km: 34,8/9
und einer breccienartig verkitteten Spalte (1 Ring) leichtes Druckprofil in km: 34,9 —
35,0.
Von km: 35,3/4 bis Tunnelausgang km: 35,660 stärker gedrücktes Gestein,
kurzklüftig, aber standfest (Verkleidungsprofil erforderlich). Lassen von blättrigen
(Kalk) Thonphylliten nicht ausgeschlossen (im Kostenanschlag je 18 m mit Type Nro.
5 und Type Nro. 7 vorsehen).
Nächste km: 35,4 ist eine 15–20 m lange Zone zerdrückten und zerriebenen
Gesteines, sowie mäßiger Wasserzudrang zu erwarten, ferner in km 35,5/6 eine 2–3
m breite Zerreibungskluft (zusammen 24 m Type Nro. 7).
Im Ganzen wäre also zu veranschlagen:
6 m Type Ein- und Ausfahrtsportal.
556 Nr.3
277 Nr. 4
26 Nr. 5
*
49 Nr. 10 (mit Sohlengewölbe)
50 Nr. 7
________________________________________________________________________________
Sa. 864 Tunnellänge.

* Nachträglich mit Rücksicht auf die Schuttstrecken an der Einfahrt geändert. Die
auf Grund dieser Ansätze vernachlässigte Mauerung für den Kitzmais-Tunnel
erfährt hiedurch keine Änderung.

Beim Stollenvortrieb von Landeck gegen Mals muß über die Hand gebohrt
werden, da das Gestein in gleicher Richtung einfällt. Die Schichtlage dürfte die
Lösung der Berge vielleicht weniger erschweren als die bis zur Verknitterung
gehende heftige Faltung und die aus der Zusammenstauchung des ganzen
Gebirges hervorgehende starke Gesteinsverspannung.

Landeck, am 18. Februar 1909.


Ing. Max Singer m.p.

1 Beilage
(Trassen-Skizze)
― 72 ―
― 73 ―

Geologisches Gutachten
über die Trassenführung zwischen Tösens und Nauders
erstattet von Oberstaatsbahnrat Ing. Max Singer.

Die k.u.k. Militär-Bauleitung in Landeck hat mich mit dem Diensttelegramm 603-29
vom 30./8.18 zur Beurteilung der im April 1918 aufgestellten neuen Trassenführung
zwischen Tösens und Nauders aufgefordert und mir am 3.9.1918 in Landeck die
nachstehend beantworteten fünf Fragen vorgelegt.

Auf Grund der Begehung der neuen Bahntrasse mit den Herrn Sektionsleitern Oblt.
Pilz, Hptm. G a u d e r n a k, u. F. von Kleiner komme ich zu folgenden Ergebnissen,
wobei ich hinsicht der allgemeinen geologischen Verhältnisse auf mein
ausführliches Gutachten von 1906/7 verweise ( V. Tösens-Pfunds BB0. 1747 von
1907, VI. Pfunds-Hochfinstermünz EBD. 809 von 1907 und VII. Finstermünz-Nauders.)

einzelnen

Frage 1: Ist der Ersatz von Tunnels der Teilstrecke Tösens ― Pfunds durch
Felseinschnitte zu empfehlen?

Antwort 1: Die in der Teilstrecke Tösens ― Pfunds projektierten Tunnels sind


beizubehalten.

Begründung: Vom Südrand des Tösenertalbach-Kegels entwickelt sich die Trasse


entlang der Steilwände des hellen, mitunter Gneisähnlichen Kalkglimmerschiefers,
in den stellenweise blättrige Tonschiefer eingeschaltet sind. Die Schuttanhäufung
unter den Wänden reicht wo der Fluss die Wand nicht unmittelbar bestreicht, bis
zum Inn.
Die Schiefer sind derart in 80° Ost streichende, meist gegen Süd fallende enge
Falten zusammengestaucht, dass eine förmliche Griffel- oder Scheiterbildung
entsteht. Sie sind von ausgeprägten steilen Nord-Süd-Klüften durchsetzt und neigen
nach beiden Hauptrichtungen zur Ablösung. Infolge Auswitterung weicher
Gesteinsteile hängen die Wände häufig über und müssen z.T. am Eingang in den
Tösener - Tunnel unterfangen werden.
An einzelnen Stellen, z.B. Km 24.8/9, sind Schutzgalerien gegen Steinschlag zu
empfehlen, an anderen, z.B. km 25.0, genügt die Abräumung der aufgeklüfteten
Felsköpfe.
Auf die Eisbildung an der Schattseite und das Abgehen kleinerer Muhren ist überall
Rücksicht zu nehmen, z.B.durch Unterfahrung der Runse im Zug des Eggele-Tunnels
und der Runse am Ausgang des Birkacher-Tunnels.
Wo die Schiefer stark verwittert oder blättrig sind, wie beim Schöneck-Tunnel, ist
eine grössere Fleischstärke anzustreben.
Unter hohen steilen Wänden sind die Tunnel-Portale zur Sicherung gegen
Steinschlag vorzuschieben und mit Erde zu überdecken (z.B. am Ausgang des
Marienstein-Tunnels).
Um die Bahngräben von Verwitterungsschutt freizuhalten, sind die Futtermauern als
Steinfänge zu überhöhen, z.B. zwischen Joch-Tunnel und Lafairs-Tunnel.
Das Verhalten des Gebirges im Tunnel wird im Allgemeinen günstig sein, hängt
aber ausser von der Gesteinsart noch von der Schnittwinkeln mit den
― 74 ―

Hauptabsonderungsrichtungen ( 80° Ost und Nord-Süd ) und von dem Grad der
Aufklüftung ab. Beim Margreiter-Tunnel z.B. klafft an der Oberfläche die Nord-Süd-
Kluft, und im Greiter-Tunnel sind grössere Hohlräume zu erwarten. Blättrige und
tonige Schiefer treten besonders im Lafairs-Tunnel, im Wiesenfleck-Tunnel und im
Greiter-Tunnel auf.
Bei der Verfassung des Detailprojektes wird sich zeigen, ob die offene Strecke in
der zerrissenen Felslehne zwischen dem Birkacher und dem Margreiter-Tunnel nicht
teilweise in einen Tunnel umzuwandeln ist.
Infolge der Steilheit der Wände haben sich diluviale Ablagerungen nur im geringen
Ausmass erhalten. Der Pfundser-Tunnel durchfährt jedoch eine Rückfall-Kuppe von
Grundmoräne derart, dass im Querprofil km 29.119 (Zeichnung liegt bei der k.u.k.
Bausektion Pfunds) d i e äussere Tunnelneigung ungefähr die Oberfläche des
anstehenden Felsen erreicht.

Zusammenfassung: Um bei den Gebirgsverhältnissen zwischen Tösens und Pfunds


eine betriebssichere Linie zu erhalten, ist daher eher eine Vermehrung als eine
Verminderung der Tunnelherstellungen anzuraten.

Frage 2: Beurteilung der gewählten Übersetzung des Pfundsertales.

Antwort 2: Die im Schichtenplan 1:1000 eingezeichnete Linienführung vom


September 1918 ist als zweckentsprechend beizubehalten.

Begründung: Die Linienführung lässt sich ohne Verlängerung der beiderseitigen


Tunnel nicht wesentlich ändern. An der Übersetzungsstelle ist die Wandbildung
infolge der Schnittwinkel zwischen dem Pfundserbach und den Hauptrichtungen
günstig, denn die rechtufrige Wand ist fest, und die Aufklüftung der linksufrigen lässt
sich unschädlich machen. Die Brücke liegt noch im ausreichendem Abstand von
dem linksufrigen Lawinengang, und der anschliessende St.Ulrich-Tunnel unterfährt
die mächtige Grundmoräne grösstenteils im anstehenden Fels. Nach den der k.u.k.
Bausektion Pfunds übergebenen geologischen Qurerschnitten (90 m, 250 m und
380 m vom derzeitigen Tunnel-Eingang) wird die Felsoberfläche von der äusseren
Gewölbslaibung etwa 90 m, und von der Schwellenhöhe etwa 67 m vor dem
Ausgangsportal verlassen. Es liegt demnach nur eine Tunnelstrecke von rund 90 m
in der Moräne; eine Verkürzung wird vielleicht durch das Detailprojekt zu erzielen
sein.

Frage 3: Wie tief muss der Patschei-Tunnel gelegt werden, damit er verlässlich im
Felsen liegt?

Antwort 3: Die im Schichtenplan 1:1000 im September 1918 eingezeichnete


Linienführung verbürgt das Verbleiben der Tunnelröhre im anstehenden Fels.

Begründung: Auf Grund der Begehung wurde in drei Geländeschnitte, die bei der
k.u.k. Bausektion in Pfunds hinterlegt sind, der wahrscheinliche und der im
ungünstigsten Falle mögliche Verlauf der Felsoberfläche eingezeichnet.
Im ersteren Falle besitzt der Tunnel eine reichliche, im letzteren noch immer eine
genügende Fleischstärke. Wenn die im Patscheibach aufgeschlossenen
― 75 ―

gebrächen Kalk-Tonschiefer in den nördlichen Teil des Tunnels hineinreichen, wird


das Vorland, ihrer flacheren Böschung entsprechend, auch mächtiger sein.

Frage 4: Beurteilung der Übersetzung der Kirchelbaches und des Lawinenganges in


der Betriebsausweiche Finstermünz.

Antwort 4: In geologischer Beziehung ist zu beachten, dass vom Kirchelbach bis


zum Fuss der Steilwände des Bazaller-Kopfes leicht verwitterbare Kalktonschiefer
auftreten, die ein tieferes Einschneiden der Fundamente erfordern.
Gegen die Zuschüttung des Kirchelbaches ist nichts einzuwenden, wenn in der
Grabensohle ein Schlauchdurchlass ausgeführt wird. Dem Einzugsgebiet des
Kirchelbaches von 0,73 km² entspricht ein Höchstwasser von etwa 4,4 m³/sec.; der
Absturz vom Auslauf eines Nullpunkt-Objektes zum Wildbett könnte daher nur mit
grossem Aufwand betriebssicher hergestellt werden.
Zu der geplanten Lawinenübersetzung ist vom geologischen Standpunkt ausser
dem Hinweis auf die geringe Standfähigkeit der Schiefer nichts zu bemerken.

Frage 5: Kann der Parditscher-Tunnel durch einen offenen Felseinschnit ersetzt


werden?

Antwort 5: Falls nicht übermässig hohe Böschungen entstehen, kann der


Parditscher-Tunnel durch einen offenen Felseinschnitt ersetzt werden.

Begründung: Die Trasse vom September 1918 durchschneidet die gegen Ost-Nord-
Ost streichenden und unter 20 bis 35° gegen Süd-Süd-Ost einfallenden
Kalksandsteinschiefer nahezu rechtwinkelig. Es sind standfeste Böschungen zu
erwarten, da das Gestein hier überdies kalkreicher, nicht so blättrig und trockener
ist als in dem nördlich davon durchstreichenden Schieferzug. In der Nähe des
derzeit geplanten Tunneleinganges werden vielleicht Verkleidungsmauern
erforderlich werden.

Die geologische Begehung der neuen Trasse gibt ferner zu folgenden


Bemerkungen Anlass:

6. Bruchmulden im Brunnwald.
Die von Rückfallkupnen begleiteten auffallenden Mulden, die zwischen km 31 u.
km 32 unter spitzem Winkel gegen die Hauptrichtung des Hanges laufen, sind
verstürzte Anrisse in der Felslehne. Etwa 15° von der Nord-Südrichtung gegen Ost
abweichend, treten zahlreiche klaffende Querspalten auf. Die Ablösungsflächen
entsprechen daher ungefähr den bei Frage 1 beschriebenen zwei geologischen
Hauptrichtungen der Böschungsbildung (Vergl. auch Skizze No. 24 im Gutachten
1906/7 ).

Die Aufklüftung der Brunnwaldlehne erfolgte wahrscheinlich infolge übergrosser


Steilheit zu einer Zeit, als ihr Fuss noch vom Inn angegriffen wurde. Am Südrand des
heutigen Pfundserbachkegels ist ein Teil des in Vorbereitung gewesenen
Bergsturzes auch niedergegangen und bildet dort ein grosses Blocklager. An der
― 76 ―

übrigen Lehne ist die Bewegung infolge des Zurückweichens des Inn vom
Lehnenfuss zum Stillstand gekommen, die offenen Spalten sind verstürzt und
wurden von Pflanzenwuchs überkleidet.
Die Bahnlinie läuft schräg über die Kämme von scheinbar anstehendem, in
Wirklichkeit aber schon in Bewegung gewesenen Fels und über alte Bruchnischen,
an denen die Absitzung schon ziemlich weit vorgeschritten war. Die ganze von
schliefbaren Spalten und Hohlräumen durchzogene Lehne besteht aus einem
Blockwerk von ungehäueren Abmessungen und dürfte auch heute noch
geringfügige Bewegungen aufweisen.
Es ist als Vorteil zu betrachten, dass die Linie hier offen geführt wird, da ein Tunnel
unter ähnlichen Verhältnissen schwer in Stand zu halten ist, wie die mit der
Brunnwaldlehne vergleichbaren Erfahrungen mit dem Josefsberg-Tunnel bei Meran
lehren. Bei entsprechender Vorsicht bei den Abräumungs- und
Unterfangungsarbeiten besteht keine Gefahr, dass der Bergschlipf aus seinem
Dornröschenschlaf wieder erweckt werden könnte.

7. Eisfall-Tunnel:
Die Eisbildungen werden umso grösser, je feiner verteilt das Wasser über die
Felswand rieselt, da dann die ganze Abflussmenge gefriert und als Eismasse
hängen bleibt. Einem Abfluss von ein Liter pro Sekunde entspricht im Tag die
Eisbildung von etwa 1.1 mal 86.4 m³ = rd 95 m³ Eis.
Ober der Steilwand des grossen Eisfalls liegt eine von sogenanntem Rasentuff
erfüllte Quellmulde, deren dicke Moos-Polster das Wasser zum Teil unter Bildung
von Kalktuff verdunsten und den dabei abgekühlten Rest fein verteilt abfliessen
lassen. Sammelt man das Wasser durch Schlitze und bringt es in einer über die
Wand vorspringenden Schale mit grossem Gefäll zum Absturz, so wird die
Eisbildung auf die nicht erfassbaren Schwitzwässer beschränkt. Es wird daher
empfohlen, die Linie hier soweit als möglich offen zu führen, die Eisfallwässer mit
einer Aqueduktschale über die Bahn zu leiten und die Nase gegen den
Patscheibach im Tunnel zu durchfahren. Bei der Herstellung des Eisfallobjektes ist zu
beachten, dass die feste Kalkglimmerschieferwand von einem Überzug von wenig
tragfähigem Kalksinter überkleidet ist. Bei dieser Lösung könnte die im Gutachten
1906/7 beantragte Verbauung der oberhalb gelegenen Schuttrunsen
unterbleiben.

8. Kleiselbach-Übersetzung:
Bei der gegenwärtigen Trassenführung liegen der Ausgang des Patschei-Tunnels
und das rechte Widerlager der geplanten Bogenbrücke in einer festen Wand von
Kalksandsteinschiefer, das linke Widerlager und der Eingang in den Finstermünzer-
Tunnel jedoch im stark gelockerten Felshang. Verkürzt man die offene Strecke um
auch hier festen Fels zu gewinnen, so wird die Brücke durch allfällige Muhrbrüche
aus dem derzeit verklausten engen Felsschlitz des Kleiselbaches gefährdet.
Ich empfehle daher in Übereinstimmung mit Herrn Sektionsleiter F. v. Kleiner
entweder das Tieferlegen des Kleiselbachbettes oder die Unterfahrung der
Schlucht durch Bergeinwärtsrücken der Tunnelachsen. Falls erforderlich kann die
künstliche Lüftung der Tunnels durch ein schlotartiges Abzugrohr erzielt werden,
das in einem in die Felswand gesprengten Schlitz einbetoniert und entsprechend
hoch geführt wird.
― 77 ―

Geologische Beurteilung des direkten Aufstieges


der Bahntrasse von Tösens nach Nauders.

In Zusammenfassung der vorstehenden Einzelanlagen komme ich zu folgender


Schussfolgerung:

Der direkte Anstieg der Bahntrasse von Tösens nach Nauders ist in vorsichtiger, den
bedeutenden Bauschwierigkeiten Rechnung tragender Weise projektiert worden.
Durch die der Trassierung vorausgegangenen und Hand in Hand damit ins Einzelne
geführten geologischen Vorarbeiten sind alle Grundlagen für das kunstgerechte
Entwerfen und Ausführen der Bahnanlage rechtzeitg bekannt geworden: Dies gilt
sowohl für die Böschungsbildung wie für die grossen Kunstbauten und die
Tunnelherstellungen.
Nicht voraussehbare geologische Schwierigkeiten sind daher an keiner Stelle mehr
zu erwarten.
Vergleicht man die zu überwindenden Schwierigkeiten des direkten Anstieges mit
den ähnlichen der früher geplanten Entwicklung zwischen dem Stillen-Bachtal und
der Reichsgrenze bei Martinsbruck, so sind die dort zusammengedrängt
gewesenen Kunstbauten bei der neuen Trasse gewissermassen aufgerollt und
gegen Landeck verschoben worden.
Die betriebstechnischen Vorteile des direkten Anstieges, insbesondere die
wesentliche Kürzung gegenüber der alten Trasse, kommen daher ungeschmälert
durch die geologischen Verhältnisse voll zur Geltung.

Landeck, im September 1918.

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