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Grundprinzipien der EU

I. Prinzip der Einheit der Rechtsordnung


- Verlangt, dass im gesamten Geltungsbereich des Unionsrechts dessen einheitliche
Anwendung sicherzustellen ist
- Durch Grundsatz des „effet utile“ unterstützt, vgl. Art. 4 III EUV
II. Prinzip der begrenzten Ermächtigung
- Union wird nur innerhalb der Grenzen der ihr in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse
und gesetzten Ziele tätig, vgl. Art. 5 I, II EUV
- Jedes Handeln der Union bedarf einer nachweisbaren Ermächtigungsgrundlage, Art. 5 II
EUV
- Union darf nur durch das in der Ermächtigungsgrundlage vorgesehene Organ in dem darin
vorgesehenen Verfahren im erlaubten Umfang handeln
- Union kann sich selbst keine neuen Handlungsbefugnisse verschaffen
o Grund: Keine sog. Kompetenz – Kompetenz (= Fehlen der
Ermächtigungsgrundlage)
III. Prinzip der Unionstreue
- Mitgliedsstaaten und Unionsorgane obliegen gegenseitige Pflichten zur loyalem
Zusammenarbeit, um die größtmögliche tatsächliche Wirksamkeit des Unionsrechts
sicherzustellen, Art. 4 III EUV
o Mitgliedsstaaten nach Art. 4 III WUV zu loyaler Zusammenarbeit untereinander und
gegenüber den Unionsorganen verpflichtet, um die Funktionsfähigkeit er
Unionsrechtsordnung sicherzustellen
o Kommt als ungeschriebener Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zur Geltung
und begründet entsprechende Pflichten für die Unionsorgane ggü Mitgliedsstaaten
1. Pflichten der Mitgliedsstaaten ggü der Union
- Gebot der Rücksichtnahme
- Pflicht zur Auslegung des nationalen Rechts im Lichte des anzuwendenden Unionsrechts
o Bei Richtlinien besteht Pflicht erst nach Ablauf der Umsetzungsfrist
- Pflicht zur Aufhebung unionswidrigen nationalen Rechts
- Pflicht zum Schutz unionsrechtlicher Positionen, die dem einzelnen Wirtschaftsteilnehmer
zugutekommen, durch nationale Gerichte
2. Pflichten zwischen den Mitgliedsstaaten
- Pflicht zur Zusammenarbeit der Behörden bei der Verwirklichung unionsrechtlicher
Positionen
- Pflicht zur gegenseitigen Diplomanerkennung
3. Pflichten der Union gegenüber den Mitgliedsstaaten
- Pflicht der Kommission zur Rechtshilfe und sonstigen Unterstützung bei Schwierigkeiten
oder Unklarheiten
- Gebot der Rücksichtnahme
IV. Prinzip des institutionellen Gleichgewichts
- Verpflichtet die Organe zum loyalen Zusammenwirken
à Jedes Organ hat die Befugnisse der anderen Organe zu achten; umgekehrt hat jedes
Organ seine eigenen Befugnisse voll auszuschöpfen
o Prinzip betrifft das Verhältnis der Unionsorgane untereinander; stellt Ergänzung
zum Prinzip der Unionstreue dar, das diese Beziehungsebene gerade nicht erfasst
- Bei Verstößen Klagemöglichkeit des Art. 263 AEUV
V. Subsidiaritätsprinzip
- Gem. Art. 5 I III EUV wird Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche
Zuständigkeit nach Art. 3 AEUV fallen, nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht
gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedsstaaten nicht ausreichend erreicht werde
können (Erforderlichkeitskriterium – negative Vss.) und daher wegen ihres Umfangs oder
ihrer Wirkungen besser auf Unionsebene erreicht werden (Effizenzkriterium – positive
Vss.)
- Spezielle Kompetenzausübungsregel für die Tätigkeit der Union im Bereich
konkurrierender (= geteilter) Zuständigkeit nach Art. 4 AEUV normiert
à begrenzt bereits vorhandene Kompetenzen
- Union darf dann nicht handeln, wenn die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahme von
den Mitgliedsstaaten ausreichend oder zumindest genauso gut wie von der Union erreicht
werde können
VI. Verhältnismäßigkeitsprinzip
1. Allgemeines
- Alle hoheitlichen Handlungen im Bereich des Unionsrechts müssen zur Erreichung der
zulässigerweise damit verfolgten Ziele geeignet und erforderlich sein, Art. 5 IV EUV
o Wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, ist die am wenigsten
belastende zu wählen + auferlegten Belastungen müssen in einem angemessenen
Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen
- Allgemeine Kompetenzausübungsregel à bindet die Unionsorgane, sowohl bei
Maßnahmen ggü privaten wie auch ggü Mitgliedsstaaten + von Mitgliedsstaate selbst zu
beachten, wenn diese im Anwendungsbereich des Unionsrechts tätig werden
- Auf sämtliche Formen hoheitlichen Handelns anzuwenden
- Abstrakt generelle Prüfung bei Regelungen, die eine Vielzahl von Sachverhalten erfassen;
je mehr sich Regelung aber Einzelfall nähert, desto konkreter gebotene Prüfungsmaßstab
2. Prüfung des Verhältnismäßigkeitsprinzips
- Maßnahme muss geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu
gewährleisten
o Vss verbietet jedes Zuwenig hinsichtlich des verfolgten Zieles
- Maßnahme darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich
ist
o Vss verbietet jedes Zuviel hinsichtlich des verfolgten Zieles
- Wahl zwischen verschiedenen zur Erreichung desselben Zieles geeigneten Mitteln besteht,
so ist das Mittel zu wählen, welches das betroffene Rechtsgut am wenigstens am wenigstens
beeinträchtigt
- Die mit der Maßnahme verbundene beschränkende Wirkungen müssen im Hinblick auf das
angestrebte Ziel angemessen sein
o Prüfung reduziert sich zumeist auf Wesensgehaltsgarantie der betroffenen
Rechtsgüter
o H.M.: nicht optimales Verhältnis notwendig, sondern Vermeidung von
Missverhältnissen
VII. Allgemeiner Gleichheitssatz
- Verbietet, wesentlich Gleiches unterschiedlich und wesentlich Ungleiches gleich zu
behandeln
o Entsprechende Eingriffe müssen objektiv gerechtfertigt sein
o Verbietet jede willkürliche Differenzierung und jede willkürliche Nivellierung
- Allgemeiner Rechtsgrundsatz, vgl Art. 9 EUV
- Niederschlag in einigen speziellen ausdrücklichen und impliziten
Diskriminierungsverboten im EUV
VIII. Grundrechte und Rechtsstaatprinzip
- Als allgemeine Rechtsgrundsätze als Bestandteile des Primärrechts anerkannt; in Art. 6 III
EUV ausdrücklich genannt
- Erstreckt sich auf Unionsorgane und unterwirft diese insoweit auch der Rechtskontrolle
durch den EuGH
- Inhalt und Umfang der Grundrechtsgewährleistung im Wege wertender Rechtsvergleichung
der Verfassungen der Mitgliedsstaaten ermitteln, Art. 6 III EUV
o Mit Vertrag von Lissabon bis dahin nur unverbindliche Grundrechtscharta von
Nizza rechtlich bindend geworden, Art. 6 I EUV
o Grundrechtscharta gilt nach Art. 51 der Charta für alle Handlungen der Organe der
EU sowie für Handlungen der Mitgliedsstaaten bei der Durchführung von
Unionsrecht
- Grundrechte müssen sich in „Struktur und Ziele der Union“ einfügen
o Deshalb dem allgemeinen Wohl der Union dienenden Ziele als Schranken geeignet,
grundrechtseingriffe zu rechtfertigen
- Grundrechte dürfen nicht grenzenlos eingeschränkt werden
o Bei jedem Eingriff in Grundrechte ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip &
Wesensgehaltsgarantie zu beachten
- Durch seine Rspr hat EuGH in Union dem deutschen Verfassungsrecht vergleichbaren
Grundrechtsschutzstandard erreicht
o Grundgesetz vergleichbare Grundrechtsschutz von Art. 23 I S. 1 und 3, 79 III GG
gefordert
Das Unionsrecht
I. Allgemeines
1. Struktur des Unionsrechts
- Unionsrecht = eigenständige, von Rechtsordnung der Mitgliedsstaaten unabhängige
Rechtsordnung
- Primärrecht (Ebene 1):
o Geschriebenes Recht: Gründungsverträge der Union samt Anhängen und Protokolle
o Ungeschriebenes Recht: Gewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze
- Sekundärrecht (Ebene 2): von den Unionsorganen erlassenes Recht
o In Art. 288 AEUV Katalog möglicher Rechtsakte enthalten
o Kann als sog. Ungezeichneter Rechtsakt ergehen
- Integrierender Bestandteil der Unionsrechtsordnung: von Union abgeschlossenen
völkerrechtlichen Verträge + die Union bindendes Völkergewohnheitsrecht, Art. 218
AEUV
o Im Rang zwischen Primär- und Sekundärrecht
- Durch EuGH wird Kompetenz der EU und Kompetenz der Mitgliedsstaaten zum Abschluss
on Ab- und Übereinkommen untereinander oder mit Drittstaaten begrenzt
o Es darf keine Zuständigkeit für Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts
übertragen werden
o Etwaig in den Ab- und Übereinkommen vorgesehene Gerichte oder Schiedsstellen
dürfen keine Entscheidungen treffen, welche die Unionsorgane daran hindern
könnten, das vertragsgemäße Funktionieren der Union selbst zu gewährleisten
2. Durchgriffswirkung des Unionsrechts
- Rechtsraum der Union umfasst auch den innerstaatlichen Bereich
- Subjekte sind die Unionsorgane und Mitgliedsstaaten als auch innerstaatliche
Rechtsanwender und Rechtsunterworfene
- Entfaltet Wirkung grds. nur im zwischenstaatlichen Rechtsraum, während innerstaatliche
Rechtsraum durch den sog. Souveränitätspanzer ausschließlich den Wirkungen der
nationalen Rechtsordnung vorbehalten bleibt
- Durchgriffswirkung erlangt das Völkerrecht nur aufgrund besonderer Anordnung durch die
betreffenden Staaten
- Innerstaatliche Wirkungen des Unionsrechts:
o Gem. Art. 288 II AEUV gelten Verordnungen in allen Mitgliedsstaaten
o Wettbewerbswidrige Vereinbarungen gem. Art. 101 II nichtig, womit
innerstaatliche Rechtsfolge angeordnet wird
- Indirekt aus Art. 267 AEUV ergibt sich, dass Mitgliedsstaaten bei Abschluss des Vertrages
davon ausgegangen sind, dass das gesamte Unionsrecht auch innerstaatliche Wirkungen
entfalten kann
o Nationales Gericht kann Fragen zur Vereinbarkeit bzw. Gültigkeit sekundären und
primären Unionsrechts dem EuGH zur Vorabscheidung vorlegen, wenn sich diese
Fragen dem nationalem Gericht stellt und diese die Entscheidung darüber zum
Erlass seines Urteils für erforderlich hält
o Setzt aber voraus, dass das Unionsrechts überhaupt innerstaatlich wirkt, da es sonst
nicht für Urteilsfindung des nationalen Gerichts erheblich sein kann
3. Unmittelbare Wirkung des Unionsrechts
- Soweit innerstaatliche Rechtsanwender und Rechtsunterworfene zu Adressaten werden à
unmittelbare Wirkung des Unionsrechts
o Unmittelbare Anwendbarkeit durch innerstaatliche Rechtsanwender (objektiv –
rechtliche – Wirkung)
o Individuelle Einklagbarkeit/ Einwendbarkeit durch Private (subjektiv – rechtliche
Wirkung)
a) Objektiv – rechtliche Wirkung
- Vss. Ist Vollzugsfähigkeit
à Norm muss rechtlich vollkommen sowie hinreichend genau und unbedingt sein
o Rechtlich vollkommen ist eine Norm, wenn ihre Anwendung durch innerstaatliche
Rechtsanwender keine weiteren Maßnahmen der Unionsorgane oder der
Mitgliedsstaaten voraussetzt und auch keine solchen vorgesehen sind
o Hinreichend genau ist eine Norm, wenn Tatbestand und Rechtsfolge (evtl. im Wege
der Auslegung) eindeutig bestimmt werden können
§ Bei Erfüllung kein Ermessensspielraum
o Unbedingt ist eine Norm, wenn der Eintritt der angeordneten Rechtsfolge von
keinem weiteren Bedingungseintritt abhängig ist
- Objektiv rechtliche Wirkung führt dazu, dass entgegenstehendes nationales Recht
unanwendbar ist
b) Subjektiv – rechtliche Wirkung
- Vss ist, dass sie über ihre bloße Vollzugsfähigkeit darauf abzielt, den Einzelnen zu
begünstigen
- EuGH: Einzelne müsste sich unter diesen Umständen auf eine Norm berufen können/
subjektive Rechte
o Es geht um eine von Amts wegen zu berücksichtigenden Anspruch des Einzelnen
auf Einhaltung des objektiven Rechts
- Gezielte Begünstigung des Einzelnen nicht erforderlich; bereits reflexartiger Schutz von
Individualinteressen durch Unionsnorm ausreichend
4. Verhältnis des Unionsrechts zum nationalen Recht aus Sicht des EuGH
- Da im innerstaatlichen Rechtsraum sowohl das nationale recht als auch das Unionsrecht
Wirkung entfalten kann ist Kollisionsregel notwendig
a) Quelle und Inhalt der Kollisionsregel
- Ungeschriebene Regel des Primärrechts, wonach im Kollisionsfall das Unionsrecht
Vorrang genießt
o Leitet sich aus dem Charakter des Unionsrechts und den Grundlagen der Union ab
- Unionsrecht hat Aufgabe, die Funktionsfähigkeit der Union zu sichern
o Kann nur gewährleistet werden, wenn alle gelichartigen Adressaten der
Rechtsordnung in gleicher Weise dem Recht unterworfen werden
o Gleichheit nicht mehr gewährleistet, wenn das Unionsrecht von Mitgliedsstaat zu
Mitgliedsstaat je nach der zufälligen innerstaatlichen Rechtslage unterschiedliche
Wirkung entfalten würde
o Einheitliche Anwendung des Unionsrechts setzt voraus, dass es sich in allen
innerstaatlichen Rechtsräumen dem jeweils entgegenstehenden nationalen Recht
durchsetzt
- Verbindlichkeit des Unionsrechts aufgehoben, wenn nationales Recht, das frei durch
Mitgliedsstaaten gesetzt werden kann, stets entgegenstehendes Unionsrecht verdrängen
würde
o Nicht mit Art. 291 I AEUV im Einklang zu bringen
b) Charakter und Umfang des Vorrangs
- Jegliches Unionsrecht hat Vorrang vor jeglichem nationalem Recht
- ABER: kein normenhierarchischer Geltungsvorrang (Unionsrecht bricht nationales Recht;
unionsrechtswidriges nationales Recht dann nichtig)
o Normenhierarchie nur innerhalb Rechtsordnung
o Unionsrecht und nationales Recht bilden zwei nebeneinander stehende
Rechtsordnungen
- Anwendungsvorrang (Unionsrecht ggü entgegenstehendem nationalen Recht vorrangig
anzuwenden)
o Unionsrechtswidriges nationales Recht unanwendbar, aber nicht nichtig; es ist nur
im konkreten Kollisionsfall nicht anzuwenden, auf sonstige rein nationale
Sachverhalte schon
5. Auslegung des Unionsrechts
- Auslegungsmethoden
o Grammatikalische Auslegung
o Systematische Auslegung
o Teleologische Auslegung
o Historische Auslegung
- Teleologische Auslegung hat vorderen Stellenwert
- Historische Auslegung untergeordneter Natur
II. Das Primärrecht
1. Geschriebenes Recht
- In erster Linie Gründungsverträge samt Anhängen und Protokolle sowie alle
völkerrechtlichen Regelungen (Verträge und Akten), die Gründungsverträge ändern oder
ergänzen
- Vertragliches Primärrecht ist unmittelbar anwendbar durch die innerstaatlichen Organe und
kann dem Einzelnen Rechte und Pflichten verleihen, soweit die oben genannten Vss
vorliegen
2. Gewohnheitsrecht
- Als ungeschriebenes Primärrecht den Verträgen gleichgestellt
- Entsteht gemäß völkerrechtlichen Grundsätzen durch langandauernde Übung der
Mitgliedsstaaten („consuetudo“) in der Überzeugung, dass dieses verhalten rechtlich
geboten sei („opinio iuris“)
3. Allgemeine Rechtsgrundsätze
- Haben große Bedeutung als subsidiär primärrechtliche Regeln
- Entsprechen inhaltlich den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und sind in Art. 340 II AEUV
ausdrücklich als existent anerkannt worden
- Welche allgemeinen Rechtsgrundsätze nun den Mitgliedsstaaten gemeinsam sind, wird im
Wege der „wertenden Rechtsvergleichung“ festgestellt
- Von besonderer Bedeutung: Grundrechte und Rechtsstaatprinzipien
III. Das Sekundärrecht
1. Verordnungen
- Gem. Art. 288 II AEUV hat die Verordnung allgemeine Geltung, ist in allen ihren Teilen
verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat
o „Allgemeine Geltung“ bedeutet, dass Verordnung eine generell – abstrakte
Regelung enthält, also Rechtsnormcharakter hat
§ Trifft Rechtsfolgen für eine bestimmte Anzahl von Sachverhalten gegenüber
einer unbestimmten Anzahl von Personen
o „In allen Teilen verbindlich“ bedeutet, dass die Verordnung umfassend zwingend
zu beachtendes Unionsrecht darstellt
§ Jede von ihr getroffene Regelung ist zu beachten
o „Unmittelbare Geltung“ bedeutet, dass Adressaten der Verordnungen neben den
Unionsorganen und den Mitgliedsstaaten auch die innerstaatlichen Rechtsanwender
und – unterworfenen sind
§ Von Behörden, Gerichten, Parlamenten und Privaten zu beachten, ohne dass
es erst eines speziellen Umsetzungsaktes bedarf
- Verordnung ist also das „Gesetz“ der Union
2. Richtlinien
a) Allgemeines
- Sind verbindlich, aber überlassen den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der
Mittel
o Richtlinie ist nicht in allen Teilen, sondern nur hinsichtlich des Zieles verbindlich
o Adressaten der Richtlinien sind nur die Mitgliedsstaaten
- Begriff „Ziel“ in dem Sinne zu verstehen, dass mit der Richtlinie rechtlich verbindliche
Eckpunkte gesetzt werden, die die Mitgliedsstaaten zu gewährleisten haben
- Richtlinie zielt auf die Rechtsangleichung zwischen den Mitgliedsstaaten ab
b) Umsetzung von Richtlinien
- Richtlinien bedürfen zu ihrer vollen Wirksamkeit der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten,
Art. 288 III AEUV
- Pflicht zur Umsetzung ergibt sich aus Art. 288 III AEUV iVm. Art. 291 I AEUV
- Frist zur Umsetzung in jeweiligen Richtlinie selbst konkretisiert
- Umsetzung selbst ist eine Form des unmittelbaren mitgliedsstaatlichen Vollzugs
o Mitgliedsstaaten haben solche Umsetzungsmaßnahmen zu wählen, die für die
Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie am besten geeignet ist
(ergibt sich aus Art. 288 III AEUV iVm. Art. 291 I AEUV
- Handeln der Behörde auf Grundlage der umsetzenden Rechtsvorschrift ist dann eine Form
des mittelbaren mitgliedstaatlichen Vollzugs
c) Weitere mittelbare Wirkungen von Richtlinien
- Mitgliedsstaaten dürfen nach Umsetzung einer Richtlinie die Rechtsvorschriften nicht mehr
im Widerspruch zur Richtlinie ändern
- Mitgliedsstaaten ist schon vor der Umsetzung ab Inkrafttreten einer Richtlinie verboten
Maßnahmen zu ergreifen, die Erreichung des in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Zieles
ernstlich in Frage stellen
- Mitgliedsstaaten und die funktional betroffenen innerstaatlichen Stellen sind verpflichtet,
das nationale Recht richtlinienkonform auszulegen
- (P): Gilt dies auch schob ab dem Zeitpunkt des Inkrafttreten der Richtline, also bereits vor
Ablauf der Umsetzungsfrist?
o EuGH: Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung besteht erst ab Ablauf der
Umsetzungsfrist
§ Weitere Einschränkung erfährt diese Verpflichtung durch
Bestimmtheitsgrundsatz
§ Verstößt richtlinienkonforme Auslegung gegen die Wortlautgrenze, müssen
bzw. dürfen nationale Behörden die entsprechenden Regelungen nicht
richtlinienkonform auslegen
§ Richtlinienkonforme Auslegung darf nicht aus diesem Grund verneint
werden, sie würde der bisherigen Rechtsprechung zur Auslegung der
besagten Norm widersprechen à Rechtsprechungsänderung kann verlangt
werden
d) Unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien
- Richtlinie benötigt Umsetzungsakt à rechtlich vollkommene Rechtsnorm
o Grundsätzlich nicht geeignet, unmittelbare Wirkung zu entfalten
o Aus Prinzip der Unionstreue entspringendem Grundsatz der Sicherung der
praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts ergibt sich, dass einzelne Bestimmungen
der Richtlinie ausnahmsweise doch unmittelbare Wirkungen entfalten können
müssen
- Richtlinien können unmittelbar anwendbar sein, wenn
o Die Umsetzungsfrist abgelaufen ist
o Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden ist und
o Die Richtlinienbestimmung hinreichend genau und unbedingt ist
- Einzelne kann sich vor einem nationalen Gericht auf eine solche Richtlinienbestimmung
berufen, wenn sie bezweckt, dem Einzelnen subjektive Rechte zu verleihen, d.h., wenn die
Mitgliedsstaaten aufgrund der Richtlinie dem Einzelnen eigentlich subjektive Rechte hätte
verschaffen müssen
- Richtlinien entfalten grds. keine unmittelbaren Wirkungen zu Lasten Privater entfalten
- Einschränkung stützt sich auf die Erwägung des Vertrauenschutzes
3. Beschlüsse
- Gem. Art. 288 IV AEUV sind Beschlüsse in allen ihren Teilen verbindlich
o Nur wenn sie einen Adressaten haben, besitzen sie individuelle Geltung
- Beschluss ist der VA des Unionsrechts
o Adressaten eines Beschlusses können sowohl Mitgliedsstaaten als auch Individuen
sein
- Beschluss an Mitgliedsstaaten gerichtet à kann dennoch unmittelbare Wirkungen für den
Einzelnen entfalten
4. Stellungnahme und Empfehlungen
- Gem. Art. 288 V AEUV sind Stellungsnahmen und Empfehlungen nicht verbindlich
o Legen Adressaten nur ein bestimmtes Verhalten nahe
- Können auch nicht gem. Art. 263 AEUV mittels einer Nichtigkeitsklage angegriffen werden
5. Ungekennzeichnete Rechtsakte
- Organe der Union erlassen häufig auch Rechtsakte, die sich ihrem Wesen nach keiner
Kategorie zuordnen lassen
- Ergehen idR. als Beschluss
- Art. 288 V AEUV ist insofern nicht abschließend
- Entfalten nur ausnahmsweise Rechtswirkung
IV. Allgemeines Völkerrecht
- Union besitzt gem. Art. 47 EUV Völkerrechts- und Handlungsfähigkeit
- Art und Weise der Einbettung seiner Regeln in die internen Rechtsordnungen überlässt das
Völkerrecht den einzelnen Völkerrechtssubjekten selbst
- EuGH lässt sich von monistischen Konzeption leiten à die von der Union geschlossenen
völkerrechtlichen Verträge sowie für die Union verbindliche Völkergewohnheitsrecht sind
„Bestandteile der Unionsrechtsordnung“, ohne dass es irgendeines Transformationsaktes
oder besonderen Rechtsanwendungsbefehls bedarf
- Allgemeine völkerrechtlichen Auslegungsregeln sind maßgeblich
- Inkorporierte Völkerrecht steht innerhalb der Normenhierarchie des Unionsrechts über dem
Sekundärrechts
o Handlungen der Unionsorgane, die gegen inkorporiertes Völkerrecht verstoßen,
sind nichtig
o Ergebnis stützt sich auf Art. 216 II AEUV und entspricht insgesamt der
Völkerrechtsfreundlichkeit der Unionsrechtsordnung
- EuGH hat das Verhältnis des inkorporierten Völkerrechts zum Primärrecht offengelassen
o H.L. nimmt Vorrang des Primärrechts angenommen; stützt sich auf Art. 218 XI
AEUV
o Grenzen und Charakter des Vorrangs sind unklar
- Umstand, dass inkorporiertes Völkerrecht Bestandteil der Unionsrechtsordnung ist,
impliziert, auch Möglichkeit der unmittelbaren Wirkung
o Für völkerrechtliche Verträge hat EuGH dies ausdrücklich bejaht
Unionsorgane
I. Allgemeines
- EU als repräsentative Demokratie mit dualer Legitimationf
- Zur Erfüllung ihrer Aufgaben wurde Union durch EUV mit Organen ausgestattet à ihr
damit verliehene institutionelle Grundstruktur wird mit den Art. 13 bis 19 deutlich
- Aufgaben der Union werden insb durch die 7 Hauptorgane wahrgenommen, Art. 13 I EUV
o Europäisches Parlament
o Europäischer Rat
o Rat
o Kommission
o Gerichtshof der Europäischen Union
o Europäische Zentralbank
o Rechnungshof
- Ihnen obliegen dazu nach Maßgabe der übrigen Vertragsbestimmungen die Bereiche der
Rechtssetzung, der Rechtsprechung und des Vollzuges
- Beratend unterstützt werden sie dabei durch zwei Nebenorganen, Art. 13 IV EUV
o Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA)
o Ausschuss der Region (AdR)
- Durch konkrete Ausgestaltung der Kompetenzzuweisungen wurde zwischen Organen ein
institutionelles Gleichgewicht geschaffen, dass diese bei Ausübung der Befugnisse zu
beachten haben
II. Das Europäische Parlament
- Europäische Parlament ist Interessensvertreter der Bevölkerung
1. Aufgaben und Befugnisse
- Europäische Parlament hat im Anwendungsbereich des Vertrages ein umfassendes
Beratungsrecht
o Für interne Auseinandersetzungen im Parlament ist ihm keine Materie der
Unionsangelegenheiten entzogen
- Wahl des Präsidenten der europäischen Kommission (Art. 17 Abs. 7 UAbs. 1 S. 2 EUV) –
auf Vorschlag des Europäischen Rates
- Pol. Kontrolle (beachte: Art. 17 Abs. 8 S. 1 EUV)
o Misstrauensvotum ggü. Europäischen Kommission und ihren einzelnen Mitgliedern
(Art. 234 AEUV)
o Erörterung des Gesamtberichts (Art. 233 AEUV)
o Interpellation (Art. 230 Abs. 2 AEUV); Praxis: auch Rat/ Selbstverpflichtung
o Privilegierte Klagebefugnis (Art. 263 AEUV)
o Untersuchungsausschuss (Art. 226 AEUV)
o Petitionen Bürgerbeauftragter (Art. 227, 228 AEUV)
- Beratung
- Nach außen einige Kontrollbefugnisse gegenüber anderen Organen sowie
Mitwirkungsbefugnisse bei der Rechtssetzung
o Parlament ist nicht das einzige Gesetzgebungsorgan, sondern hat im Normalfall nur
ein Mitentscheidungsrecht, vgl. Art. 294 AEUV, zum Teil sogar nur
Mitspracherecht
o Das Europäische Parlament wirkt in unterschiedlicher Intensität am
Zustandekommen der vom Rat zu erlassenen Rechtsakte mit
§ Abhängig vom jeweiligen Rechtsetzungsverfahren hat das europäische
Parlament Anhörungs-, Mitgestaltungs- und
Mitentscheidungskompetenzen, vgl Art 294 ff AEUV
§ ABER: Kein Initiativrecht, nur Art. 225 AEUV
o Das europäische Parlament kann zur Aufklärung von Rechtsverstößen in der Union
und von Missständen bei der Rechtsanwendung gem. Art. 226 AEUV
Untersuchungsausschüsse einsetzen
o Weitere verschiedene Kontrollbefugnisse des Europäischen Parlaments
§ Fragerechte (Art. 230 II AEUV)
§ Erörterung des Jahres (Art. 233 AEUV)
§ Misstrauensvotum (Art. 234 AEUV)
§ Entlastung der Haushaltsführung (Art. 319 AEUV)
2. Zusammensetzung
- Abgeordnete werden jeweils für 5 Jahre in allgemeiner, unmittelbarer, freier und geheimer
Wahl gewählt, vgl. Art. 14 III EUV
o Parlament besteht zukünftig aus max 750 abgeordneten, wobei kein Mitgliedsstaat
mit mehr als 96 und weniger als 3 Abgeordneten vertreten sein darf (Art. 14 II UA
1 EUV)
o Nach Art. 14 II UA 2 EUV wird genau Verteilung zukünftig durch Rat und
Parlament durch Beschluss festgelegt, d.h. es besteht keine gesetzliche Regelung,
was die Sitzverteilung flexibler machen soll
o Soll sichergestellt werden, dass die Mitgliedsstaaten entsprechend ihrem
Bevölkerungsanteil in der Union vertreten sind + größeren Mitgliedsstaaten sollen
Übrigen nicht unterdrücken à deswegen Überrepräsentation der sog. Kleinen
Staaten
3. Beschlussfassung
- idR beschließt Parlament gem. Art. 231 AEUV mit Mehrheit der abgegebenen Stimmen
- Ausnahmen, wo die absolute Mehrheit der Mitglieder des Parlaments verlangt wird,
möglich
- Art. 232 AEUV: Geschäftsordnung
- Art. 229 AEUV: Sitzungsperiode
- Präsident und Präsidentenkonferenz (Fraktionsvorsitzende Geschäftsführer, die Ablauf
steuern sollen; Sitzung vorbereiten)
- Aufteilung der Abgeordneten nach Ausschüssen
o Detailarbeit an den Gesetzentwürfen, etc nur bei hinreichender Beschäftigung
möglich à zahlreiche Funktion der Ausschüsse
-
III. Der europäische Rat
- Gibt der Union die für die Entwicklung erforderlichen Impulse + legt die allgemeinen pol.
Ziele fest, Art. 15 EUV, Art. 235 f. AEUV
- Wird nicht gesetzgeberisch tätig, allein Rat und Kommission vorbehalten
- Pol. Verbindliche Beschlüsse
IV. Der Rat
- Zentrales Organ der Union aufgrund der ihm zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse
- Fungiert als Interessensvertreter der Mitgliedsstaaten
- Rat der EU ist nicht identisch mit
o Dem europäischen Rat gem. Art. 15 EUV
o Der Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedsstaaten gem. Art. 48 III,
IV EUV
o Den im Rat vereinigten Vertretern der „Regierungen der Mitgliedsstaaten“ gem.
Art. 253 I, 341 AEUV
1. Aufgaben und Befugnisse
- Hauptrechtssetzungsorgan der Union
- Ganz überwiegende Teil der sekundären Rechtsnorm wird durch ihn beschlossen; anderen
Organe wirken lediglich mit

2. Zusammensetzung
- Besteht aus je einem Staatenvertreter der Mitgliedsstaaten mit Ministerrang (Art. 16 II
EUV)
o Normalerweise handelt es sich um Minister, gewohnheitsrechtlich aber anerkannt,
dass es auch Staatssekretäre sein können; möglich sind aber auch die Landesminister
(s. Art. 23 Abs. 6 GG)
- Da eine personelle Kontinuität nicht verlangt wird, tagt Rat idR in Zusammensetzung der
jeweils zuständigen Fachminister
- Staatenvertreter muss nicht notwendig ein Mitglied der Zentralregierung sein
- Gewohnheitsrechtlich ist Vertretung durch Staatssekretär zulässig
- Ratsformationen: Art. 16 Abs. 6 EUV mit Art. 236 AEUV; Anhang zur Geschäftsordnung
des Rates
o Minister derselben „Gruppe“ treffen sich zusammen, d.h. Verteidigungsminister mit
Verteidigungsminister, etc
- Vorsitz: Art. 16 Abs. 9 EUV - Rotation
3. Beschlussfassung
- Rat beschließt, wenn Vertrag nichts anderes vorsieht, mit qualifizierter Mehrheit seiner
anwesenden Mitglieder (Art. 16 III EUV) à Jeder Staat hat hierbei eine Stimme
o Nach dem vertrag von Lissabon gilt seit 2014 in den Fällen der qualifizierten
Mehrheit Erfordernis einer sog. Doppelten Mehrheit: 55% aller Mitgliedsstaaten,
jedoch mindestens 15 Mitgliedsstaaten, die gleichzeitig mind 65% der Bevölkerung
repräsentieren
o Schlüssel der Stimmengewichtung orientiert sich an den unterschiedlichen
Bevölkerungszahlen der Mitgliedsstaaten, führt aber zu keinem proportionalen
Ausgleich
§ Kleinen Staaten weiterhin gewichtiger als große Staaten
- In einzelnen Fällen Einstimmigkeit notwendig
o Stimmenthaltung teilnehmender Mitgliedsstaaten gem. Art. 253 I UA 3 AEUV für
Zustandekommen des Beschlusses unschädlich
o Einstimmigkeit nur in sensiblen Politikbereichen und in den Fällen vorgesehen, in
denen der Rat Befugnis verliehen bekommt, die vertragsändernden bzw.
vertragsergänzenden Charakter zu haben
V. Die Kommission
1. Aufgaben und Befugnisse
- „Motor der Union“
o Obliegt ganz überwiegend die Rechtsetzungsinitiative à initiativmonopol der
Kommission
o Hat es in der Hand, Zeitpunkt, Inhalt, Art, Form und Dichte des
Rechtsetzungsprojekt festzulegen
o Mit Gestaltungsfreiheit korrespondiert Verpflichtung, Anregungen anderer Organe
für neue Rechtsetzungsinitiativen aktiv aufzugreifen (Art. 135, 225, 241 AEUV)
- „Exekutive der Union“
o Soweit Union Vollzugsrechte eingeräumt worden sind, liegen Befugnisse bei
Kommission
o Regelmäßig zur Durchführung der vom Rat erlassenen Rechtsakte ermächtigt, Art.
17 I S, 5 EUV
- „Hüterin der Verträge“
o Führt Aufsicht über die Vertragserfüllung durch die Mitgliedsstaaten
o Aufsichtsklage (Art. 285 AEUV) steht zur Verfügung
2. Zusammensetzung
- Der Kommission gehört neben dem Präsidenten und dem hohen Vertreter der Union für die
Außen- und Sicherheitspolitik ein Staatsangehöriger jedes Mitgliedsstaates an, Art. 17 IV
EUV
o Seit 2014 Kommission verkleinert und besteht aus Anzahl der Mitgliedern, die zwei
Drittel der Zahl der Mitgliedsstaaten entspricht, sofern europäische Rat nicht
einstimmig eine Änderung dieser Anzahl beschließt, Art. 17 V UA 1 EUV
- Gleichberechtigtes Rotationsverfahren unter den Vss der Art. 17 V UA 2 EUV, Art. 244
AEUV Anwendung, dessen Einzelheiten der Rat einstimmig festzulegen hat
o Mitglieder müssen alle Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzen, Art. 17
IV, V UA 2 EUV
- Präsident der Kommission nach Art. 17 VII UA 1 EUV vom europäischen Parlament auf
Vorschlag des Europäischen Rates gewählt
o Rat nimmt mit Einvernehmen des Präsidenten die Liste der übrigen
Kommissionsmitglieder an, Art. 17 VII UA 2 EUV; müssen sich dann dem
Zuständigkeitsvotums des Parlaments stellen, Art. 17 VII UA 3 EUV
3. Beschlussfassung
- Fasst Beschlüsse mit Mehrheit ihrer Mitglieder, Art. 250 I AEUV
VI. Der Gerichtshof der europäischen Union
- Obliegt gem. Art. 19 I UA 1 EUV Wahrung des Rechts der Union
- EuGH kommt Monopol hinsichtlich
o Der verbindlichen Auslegung des rechts
o Der Rechtsfortbildung
o Der Verwerfung ungültigen Unionsrechts
- Gerichtshof der Europäischen Union setzt sich aus dem Gerichtshof, dem Gericht und den
Fachgerichten zusammen
o Gerichtshof besteht je aus einem Richter aus jedem Mitgliedsstaat und acht
Generalanwälten, die jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten und in ihrem Staat für
die höchstrichterlichen Ämter erforderlichen Vss erfüllen oder Juristen von
anerkannt hervorragender Befähigung sein müssen
o Werden von der Regierung der Mitgliedsstaaten im gegenseitigen Einvernehmen
auf 6 Jahre ernannt
- EUG (Gericht erster Instanz) ist für alle Klagen gem. Art. 263, 265, 268, 270 und 272
AEUV in erster Instanz zuständig (vgl. Art. 256 AEUV)
o Gericht fungiert für diese Entscheidung als Rechtsmittelinstanz
o Vor allem für die Vorabscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV zuständig
- Sitz in Luxemburg
VII. Der Rechnungshof
- Nimmt Rechnungsprüfungen in der Union war
- Mitglieder müssen jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten, Art. 286 I 2 AEUV
VIII. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss
- Werden als Nebenorgan bei der Rechtssetzung beratend tätig
- Mitglieder setzen sich aus verschiedenen Gruppen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens
(Art. 300 II, 301 AEUV) zusammen
- Vom Rat jeweils für fünf Jahre ernannt, vgl. Art. 302 I AEUV
IX. Der Ausschuss der Regionen
- In Art. 300 III AEUV geregelt
- Wird beratend bei der Rechtssetzung tätig
- Mitglieder werden auf 5 Jahre ernannt, vgl. Art. 305 III S. 1 AEUV à handelt sich um
Vertreter der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften
Sonntag, 18. Dezember 2022

Europarecht

Rechtsetzung in der Union

I. Allgemeines

- Rechtsetzung umfasst den Erlass von verbindlichen, außen-


wirksamen Rechtsakten mit allgemeiner Geltung (Rechtsakte)

- Prinzip der begrenzten Ermächtigung —> Union hat grds. Nur


dann Rechtsetzungskompetenz, wenn Primärrecht dies vor-
sieht, Art. 5 EUV

- Nur das in der konkreten Einzelermächtigung vorgese-


hene Organ darf in dem vorgesehenen verfahren die vor-
gesehenen Rechtsakte mit der vorgesehenen Rege-
lungsreichweite erlassen

II. Ermächtigungsgrundlage

1. Kompetenzarten

a) ausschließliche Rechtsetzungskompetenz, Art. 2 I AEUV

- Bestehen einer ausschließlichen Zuständigkeit bedeutet,


dass die Union allein zuständig sein soll und die Mitglieds-
staaten grds. Nicht mehr zum Handeln befugt sind

- Bloße Existenz der Kompetenz begründet Verbot der Aus-


übung der entsprechenden nationalen Kompetenz

- Mitgliedsstaaten dürfen nur tätig werden, soweit sie von Uni-


on hierzu ermächtigt werden, Art. 5 I AEUV

- BEACHTE: Aufzählung der ausschließlichen Zuständigkeit in


Art. 3 AEUV

b) Geteilte Rechtsetzungskompetenz, Art. 2 II AEUV

- Mitgliedsstaaten dürfen nicht mehr rechtssetzend tätig wer-


den, soweit Union einen Bereich abschließend geregelt hat

- Rechtsetzungskompetenz der Mitgliedsstaaten ist subsidiär,


Art. 2 II AEUV

- Regelfall der Rechtsetzungskompetenz, vgl. Art. 4 I, II AEUV

1
c) Unterstützende Rechtsetzungskompetenz, Art. 2 V AEUV

- kein verbot nationaler Rechtsetzungsakte begründet, art. 2


AEUV

- Union wird nur zur Ergänzung und Harmonisierung tätig

2. Konkurrenz der Ermächtigungsgrundlage

- bei Überschneidung erfolgt Auswahl der richtigen Ermächti-


gungsgrunlage unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicher-
heit und dem Gedanken, jeder Kompetenznorm einen An-
wendungsbereich eigenen Zuschnitts zuzuweisen

III. Rechtsetzungsverfahren

- Initiative durch die Kommission

- Beschluss durch den Rat

1. Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren

- in Art. 289, 294 AEUV geregelt

- Rat kann einen Rechtsakt nur mit Zustimmung des europäi-


schen Parlaments erlassen

- Dieses Parlament kann durch Veto- und Gestaltungs-


rechte inhaltliche Änderungen einbringen

- Rechtsakt vom europäischen Parlament und vom Rat ge-


meinsam beschlossen

2. Anhörungsverfahren

- Anhörung anderer Organe

- Betreffende Organe haben das primärrechtliche Recht, vom


Rat angehört zu werden

- Recht kanngerichtlich im Wege der Nichtigkeitsklage vor


dem EuGH einklagen

- Mit Anhörungsrecht dieser Organe korrespondiert Anhö-


rungspflicht des Rates

- Verstoß —> Nichtigkeit des erlassenen Aktes

- Äußerungsmöglichkeit ausreichend

2
- Anhörung eines Organs, dessen Anhörung nicht vorge-
sehen ist, unschädlich

- Rat an Meinung der angehörten Organe nicht gebunden

IV. Formerfordernis

1. Bezeichnung

- Rechtkante sollen entsprechend ihres Charakters als Verord-


nung, Rechtslinie, Beschluss oder Empfehlung gekennzeich-
net

- ABER: keine Bezeichnungspflicht

- Bezeichnung nicht konstitutiv für Rechtscharakter

2. Begründung

- Gem. Art. 296 II AEUV sind Verordnungen, Richtlinien und


Beschlüsse mit den Gründen vorgesehen, wobei auf die vor-
angegangen Vorschläge und Stellungnahmen Bezug ge-
nommen werden kann

- Begründung muss Beweggründe zum Erlass des Rechtsak-


tes erkennen lassen

- Umfang richtet sich nach konkreten Bedingungen

- Inbs. Gewählte Ermächtigungsgrundlage muss angegeben


werden oder aus Rechtsakt bestimmbar sein

3. Veröffentlichung/ Bekanntgabe und Inkraftreten

- in Art. 297 AEUV festgelegt

- Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse, die im ordentli-


chen Gesetzgebungsverfahren erlassen worden sind, werden
im Amtsblatt der Union veröffentlicht

- Gleiches auch für sonstige Verordnungen und für sonsti-


ge Richtlinien, de an alle Mitgliedsstaaten ergangen sind

- Treten zum festgelegten Zeitpunkt oder 20 Tage nach Veröf-


fentlichung in Kraft

- Alle anderen Richtlinien und sonstigen Beschlüsse werden


Adressaten bekannt geben

- Werden durch Bekanntgabe wirksam

3
Sonntag, 18. Dezember 2022

Europarecht

Vollzug in der Union

I. Allgemeines

- Vollzug umfasst alles hoheitliches Handeln in der Union, das


in Ausführung des Unionsrechts erfolgt und nicht gereicht un-
ter Rechtsetzung oder Rechtsprechung gefasst wird

- Hoheitlich tätig in Ausführung des Unionsrechts werden so-


wohl die Unionsorgane als auch die Mitgliedstaaten

- Soweit die Unionsorgane selbst das Unionsrecht ausführen,


spricht man vomUnionseigenen bzw. direkten Vollzug

- Soweit Unionsrecht von Mitgliedstaaten ausgeführt wird,


spricht man vom mitgliedstaatlichen bzw. indirekten Vollzug.

II. Unionseigener (direkter) Vollzug

- Prinzip der begrenzten Ermächtigung: ausdrücklicher oder


impliziter Ermächtigungen notwendig

- unionseigene Vollzug beschränkt sich deshalb vor allem auf


den sog. unionsinternen Bereich

- Aus der Organisationsgewalt der Unionsorgane folgt


nämlich auch ihre Ermächtigung, das Organisationsrecht
selbst zu vollziehen

- unionsexternen Bereich wird das Unionsrecht dagegen nur


ausnahmsweise durch die Union selbst vollzogen

- Unionsorgane wenden beim Vollzug des Unionsrechts (na-


türlich) das einschlägige unionsrechtlicheVerfahrensrecht an

- Da dies jedoch in nur sehr geringem Maße kodifiziert ist,


müssen die Unionsorgane sich vielfach auf ungeschrie-
bene allgemeine Rechtsgrundsätze stützen

1
III. Mitgleidsstaatlicher (indirekter) Vollzug

1. Prinzip der institutionellen Eigenständigkeit der Mitglied-


staaten

- Beim Vollzug des Unionsrechts gehen die Mitgliedstaaten


grundsätzlich nach den formellen und materiellen Bestim-
mungen ihres nationalen Rechts vor —> Prinzip der institu-
tionellen Eigenständigkeit der Mitgliedstaaten

- obliegt grundsätzlich dem Recht der Mitgliedstaaten, fest.


zulegen, in welcher Form und mit welchen Mitteln sie das
Unionsrecht vollziehen

- richtet sich nach nationalem Recht, welche innerstaatliche


Stelle zuständig ist

- anzuwendende Verfahrensrecht richtet sich grundsätzlich


nach nationalem Recht

2. Unionsrechtliche Vollzugsvorgaben

- Unionsrecht setzt den Mitgliedstaaten lediglich allgemeine


oder besondere Eckwerte, um die Vielfalt mitgliedstaatlicher
Vollzugsregeln mit den Erfordernissender einheitlichen An-
wendung des Unionsrechts in Einklang zu bringen

- Vereinzelt schreibt das Unionsrecht den innerstaatlichen Be-


hörden ausdrücklich das anzuwendende Verfahrensrecht vor,
weil anderenfalls die einheitliche Anwendung des Unions-
rechts nicht ausreichend sichergestellt wäre

- Stets jedoch haben die Mitgliedstaaten beim Vollzug des


Unionsrechts das Effizienzgebot der Art. 4 I EUV, Art. 291 I
AEUV zu beachten

- So darf der Eintritt des durch das Unionsrecht be-


zweckten Erfolges nicht praktisch unmöglich gemacht
oder über- mäßig erschwert werden

- Zudem ist das nationale Recht beim unionsrechtlichen Voll-


zug im Vergleich zu Verfahren, in denen über gleichartige rein
nationale Sachverhalte entschieden wird, ohne Diskriminie-
rung anzuwenden (Diskriminierungsverbot)

2
- Strittig ist hier allein die Herleitung: Während zum Teil
Art. 18 AEUV herangezogen wird, stellt der EuGH wohl
auf Art. 4 I EUV, Art. 291 AEUV ab.

- Daneben sind Mitgliedsstaaten auch an die einschlägigen all-


gemeinen Rechtsgrundsätze, insb. An die Rechtsstaatsprin-
zipien und an die Unionsgrundrechte gebunden, vgl. Art. 51
EU - Grundrechtecharta

3. Unmittelbarer und mittelbarer mitgliedsstaatlicher Vollzug

- Werden innerstaatliche Stellen unmittelbar auf Grundlage ei-


ner Norm des Unionsrechts tätig —> unmittelbarer Vollzug

- Stützt eine innerstaatliche Stelle ihr Handeln auf eine nationa-


le Norm, die ihrerseits als Vollzugsakt des Unionsrechts er-
lassen worden ist —> mittelbaren Vollzug

- Die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem


Vollzug hat allenfalls innerstaatliche Bedeutung, weil sich
daraus unterschiedliche nationale Regelungen ergeben könn-
ten.

- So stellt das deutsche Verfassungsrecht mit Art. 83 f. GG


nur eine Kompetenzverteilungsregel zwischen Bund und
Ländern hinsichtlich der Ausführung deutscher Bundes-
gesetze zur Verfügung. Für Verwaltungshandeln i.R.d.
unmittelbaren Vollzugs, also in unmittelbarer Ausführung
unionsrechtlicher Normen können diese Regeln deshalb
nur analog angewandt werden (h.M.).

- Aus unionsrechtlicher Sicht ist diese Unterscheidung je-


doch irrelevant

- Durch die institutionelle Eigenständigkeit der Mit-


gliedstaaten kann es hier ohnehin zu Unterschie-
denkommen

- Hinsichtlich der Vollzugsvorgaben kann - im Interes-


se einheitlicher Rechtsanwendung - darauf keine
Rücksicht genommen werden.

3
Sonntag, 18. Dezember 2022

Europarecht

Rechtsschutz in der Union

A. Allgemeines

- Aufgabe der Wahrung des Rechts bei Auslegung und An-


wendung der Verträge obliegt gem. Art. 19 I EUV dem Ge-
richtshof der Europäischen Union, d.h. dem Gerichtshof, dem
Gericht und den Fachgerichten

- Zuständigkeitsabgrenzung des Gerichtshofs (vormals EuGH)


und dem Gericht (vormals EuG) nach Art. 256 AEUV

- Ob für ein bestimmtes Rechtsschutzbegehren der Schutz


durch die Unionsgerichtsbarkeit gewährt wird, richtet sich
nicht nach dem in den Verträgen aufge führten Katalog ein-
zelner Klagearten

- Unionsrechtsweg ist grundsätzlich nur eröffnet, wenn


hierfür eine Verfahrensart vorgesehen ist

- Verfahrensarten:

- Vertragsverletzungsverfahren (Art. 258, 259 AEUV)

- Nichtigkeitsklage (Art. 263 AEUV)

- Untätigkeitsklage (Art. 265 AEUV)

- Amtshaftungsklage (Art. 268 AEUV)

- Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 AEUV)

- Verfahren haben sowohl verfassungs- als auch verwaltungs-


rechtliche Qualität + bilden kein geschlossenes System effek-
tiven Rechtsschutzes

B. Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 258 AEUV

I. Zulässigkeit

1. Zuständigkeit

- Gemäß Art. 256 I AEUV ist für dieses Vertragsverletzungsver-


fahren der Gerichtshof zuständig

1
- abdrängende Sonderzuweisung an das Gericht (erster In-
stanz) besteht nicht

2. Beteilligtenfähigkeit

- Aktiv beteiligtenfähig ist gemäß Art. 258 I AEUV nur die Kom-
mission

- Passiv beteiligtenfähig sind die Unions-Mitgliedstaaten

- ergibt sich aus der Systematik des Art. 258 l und II AEUV

- Wer Mitgliedstaat der Union ist, ergibt sich aus Art. 52 I


EUV

3. Klagegenstand

- keine besonderen Einschränkungen

- Klagegegenstand kann deshalb jedes rechtserhebliche Ver-


halten der Mitgliedstaaten sein

- kann sowohl in einem Tun als auch in einem Unterlassen be-


stehen

4. Klagebefugnis

a) Klagegrund

- Nach Wortlaut des Art. 258 I AEUV ist zulässiger Klagegrund


Auffassung der Kommission, dass das Verhalten des beklag-
ten Mitgliedstaates gegen Verpflichtung aus dem vertrag ver-
stoße

- Verpflichtungen aus dem Vertrag sind nicht nur Verpflichtun-


gen, die sich aus den Vorschriften der Verträge selbst erge-
ben, sondern auch solche, die den Mitgliedsstaaten durch
verbindliche Rechtshandlungen der Unionsorgane auferlegt
werden oder sich aus dem ungeschriebnen Unionsrecht er-
geben

- Zulässiger Prüfungsmaßstab: verbindliche Unionsrecht

b) Subjektives Rechtsschutzinteresse

- Irgendein subjektives Rechtsschutzinteresse muss die Kom-


mission nicht nachweisen —> privilegiertes Klageverfahren

- Klagebefugnis reduziert sich auf die Geltendmachung eines


zulässigen Klagegrundes

2
5. Vorverfahren

- Aufsichtsklage ist nur zulässig, sofern und soweit das Vor-


verfahren gemäß Art. 258 I AEUV ordnungsgemäß durchge-
führt worden ist

- Dieses Vorverfahren ist zweistufig.

a) Erstes Mahnschreiben

- Durch das erste Mahnschreiben der Kommission gemäß Art.


258 I HS 2 AEUV wird dem Mitgliedstaat erstes rechtliches
Gehör gewährt

- grenzt den Gegenstand des Rechtsstreits ein und liefert


dem Mitgliedstaat die notwendigen Angaben zur Vorbe-
reitung seiner Verteidigung

- Nachträgliche Erweiterungen des Streitgegenstandes


sind weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht
zulässig

- Beinhaltet dementsprechend

- Mitteilung über die Tatsachen, die den Vertragsver-


stoß begründen sollen

- Erklärung über die Einleitung des Verfahrens auf-


grund dieser Tatsachen

- Aufforderung, sich innerhalb einer bestimmten Frist


zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern

- Mit Ablauf der durch die Kommission gesetzten Frist ist


die erste Stufe abgeschlossen.

b) Mit Gründen versehene Stellungnahme

- Nach Ablauf der Frist hat die Kommission eine mit Gründen
versehene Stellungnahme gemäß Art. 258 I HS 1 AEUV ab-
zugeben

- soll dem Mitgliedstaat (erneut) ermöglichen, einer Klage we-


gen Vertragsverstoßes durch rechtzeitiges Abstellen des Ver-
haltens zu entgehen

- Beinhaltet dementsprechend

3
- Darstellung der Tatsachen und Rechtsgründe, in de-
nen die Vertragsverletzung gesehen wird

- Aufforderung, innerhalb einer bestimmten Frist die


Vertragsverletzung zu beseitigen

- Mit Ablauf der gesetzten Frist ist das Vorverfahren abge-


schlossen

- Das Vorverfahren begrenzt den Klagegegenstand


auf das dort gerügte Verhalten des Mitaliedstaats
und die dort als verletzt gerügte unionsrechtliche
Norm

6. Form und Frist

- formgerechte Klageerhebung durch die Kommission gemäß


Art. 21 S-EuGH und Art. 38 § 1 VerfO-EuGH setzt voraus,
dass alle Sachurteilsvoraussetzungen ausreichend dargelegt
werden

- An Frist zur Klageerhebung ist Kommission nicht gebunden

- Auch Verwirkung des Klagerechts durch überlanges Abwar-


ten seit der Durchführung des Vorverfahrens wird unter Ver-
weis auf Funktion als Hüterin der Verträge und den obj. Cha-
rakter dieses Klageverfahrens von der h.M. abgelehnt

7. Rechtsschutzbedrüfnis

- Rechtsschutzbedrüfnis wird durch das Vorliegen der übrigen


Zulässigkeitsvoraussetzungen indiziert

- Kann jedoch ausnahmsweise entfallen, wenn der Mit-


gliedsstaat noch vor Ablauf des Vorverfahrens das vor-
geworfene Verhalten abgestellt ha und weder Wiederho-
lungsgefahr noch sonst ein besonderes Feststellungsin-
teresse besteht

II. Begründetheit

- Klage der Kommission ist begründet, wenn sie sich gegen


den richtigen Klagegegner richtet und wenn das Verhalten
des Beklagten gegen verbindliches Unionsrecht verstößt

- Passivlegitimiert ist dabei gemäß Art. 258 I AEUV der Mit-


gliedstaat, dem das angegriffene Verhalten zuzurechnen ist

4
C. Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 259 AEUV

- Gemäß Art. 259 AEUV können Mitaliedstaaten auch von ei-


nem anderen Mitgliedstaat auf die Feststellung verklagt wer-
den, gegen Unionsrecht verstoßen zu haben

- Das Verfahren ist in der Praxis aus politischen Gründen


(Rücksichtnahme gegenüber den anderen Mitgliedstaaten)
von sehr untergeordneter Rolle

D. Nichtigkeitsklage, Art. 263 AEUV

- Mit der Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV können


Hand- lungen der Unionsorgane dem Gerichtshof der Euro-
päischen Union zur Rechtskontrolle vorgelegt werden, damit
dieser sie üfr nichtig erklärt, Art. 264 AEUV

- Das verurteilte Organ ist dann gemäß Art. 266 I AEUV ver-
pflichtet, die sich daraus ergebenden Folgemaßnahmen vor-
zunehmen

I. Zulässigkeit

1. Zuständigkeit

- Gemäß Art. 256 AEUV ist für Nichtigkeitsklagen nach Art. 263
AEUV das Gericht zuständig

- Ausgenommen sind nach Art. 256 I AEUV i.V.m. Art. 51 S-


EuGH Klagen der Mitaliedstaaten und der EU-Organe

- Hier ist der Gerichtshof zuständig.

2. Beteilligtenfähigkeit

- Aktive Beteiligtenfähigkeit besitzen

- die Mitgliedstaaten, der Rat und die Kommission (Art.


263 Il AEUV),

- das EP, der Rechnungshof und die EZB (Art. 263 I AEUV)
sowIe

- natürliche und juristische Personen (Art. 263 IV AEUV)

- Verklagt werden können gemäß Art. 263 I AEUV der Rat, die
Kommission, die EZB und das Europäische Parlament sowie
Rat und Europäisches Parlament gemeinsam

5
3. Klagegegenstand

- Zulässiger Klagegegenstand gem. Art. 263 I AEUV grds. Alle


verbindlichen, Rechtwirkung erzeugenden Handlungen

- Nicht angreifbar sind solche Maßnahmen, denen es

- an Rechtswirkung (vorbereitende Maßnahmen, Ankündi-


gungen, wiederholende Entscheidungen),

- an Verbindlichkeit (Empfehlungen, Stellungnahmen, Mei-


nungsäußerungen, Rechtsauskünfte) oder

- an Außenwirkung (verwaltungsinterne Handlungen, Or-


ganisationsakte, Dienstanweisungen) fehlt

- Für Individuen schränkt Art. 263 IV AEUV die Klagemöglich-


keit zusätzlich ein

- Ob Einschränkung bereits auf Ebene des Klagegen-


stands durchgreift oder ob Art. 263 IV AEUV im Ergebnis
beglich die Vss. Der Klagebefugnis verschärft ist umstrit-
ten

- Insgesamt handhabt die Zulässigkeit von Einzelklagen


gegen Rechtsakte der Union jedoch zurückhaltend

- Rechtsschutz werden dem Einzelnen eher vor den Ge-


richten der Mitgliedsstaaten gewährleistet

- Angreifbar sind nach dem Wortlaut des Art. 263 VI


Alt. 1 AEUV zunächst Handlungen, welche an die
Individuen gerichtet sind

- Individualnichtigkeitsklagen können damit in


erster Linie gegen Beschlüsse i.S.d. Art. 288 VI
AEUV gerichtet werden

- Daneben können unter Art. 263 VI Alt.1 AEUV


auch sog.Scheinverordnungen subsumiert wer-
den.

- handelt sich dabei um Rechtsakte mit indi-


vidueller Geltung, die lediglich als „Verord-
nung" bezeichnet wurden

- Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist


ihre individu-elle Geltung gegenüber der

6
allgemeinen Geltung von Rechtsetzungsak-
ten

- Nach Art. 263 IV Alt. 3 AEUV können Handlun-


gen angegriffen werden, die den Einzelnen un-
mittelbar und individuell betreffen

- Dies können neben Beschlüssen aus-


nahmsweise auch Rechtsverordnungen
sein

- Ob eine unmittelbare und individuelle Be-


troffenheit in diesem Sinne vorliegt, ist al-
lerdings erst in der Klagebefugnis abschlie-
ßend zu prüfen

- Nach Art. 263 VI Alt. 3 AEUV können auch


Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die den
Einzelnen unmittelbar betreffen Gegenstand ei-
ner Individualnichtigkeitsklage sein

- Unter Rechtsakten mit Verordnungscharak-


ter sind nach h.M. lediglich untergesetzli-
che Normen zu verstehen —> Nur für diese
wird eine Art vereinfachte Normenkontrolle
eingeführt

- Echte Verordnungen iSd. Art. 288 II AEUV


fallen nach dieser Auslegung gerade nicht
unter Art. 263 IV Alt. 2 AEUV

- (P): Können auch echte Rechtlichen Gegen-


stand einer Individualnichtigkeitsklage sein?

- Angreifbar im Rahmen des Art. 263 IV


AEUV sind auch Handlungen, die an Mit-
gliedsstaaten gerichtet sind, aber den ein-
zelnen unmittelbar und individuell betreffen

- Sollte eine Richtlinie unter Umständen den


Einzelnen in gleicher Weise betreffen wie
eine mitgliedstaatsgerichtete Entscheidung,
so drängt sich auch hier eine Analogie auf

4. Klagegrund

- zulässige Klagegründe in Art. 263 II AEUV aufgezählt

7
- Unzuständigkeit

- Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift

- Verletzung des EAUV oder einer bei seiner Durchführung


anzuwendenden Rechtsnorm

- Ermessensmissbrauch

- Kläger muss diese Klagegründe zwar nicht ausdrücklich nen-


nen

- Zumindest muss sich jedoch aus dem Sachvortrag er-


geben, dass der Kläger der Sache nach einen dieser
Klagegründe geltend macht

- Voraussetzung ist stets dann gewährleistet, wenn der Kläger


einen Verstoß gegen höherrangiges Unionsrecht gelten
macht

- Zumindest liegt darin die Geltendmachung einer „Verlet-


zung dieses Vertrages"; dieser Klagegrund stellt insoweit
einen Auffangtatbestand dar

- Einschränkungen erfährt der grundsätzlich zulässige Prü-


fungsmaßstab jedoch für Klagen des Europäischen Parla-
ments, des Rechnungshofes und der EZB gemäß Art. 263 I
AEUV

- Da diese Organe nur zur Wahrung ihrer Rechte Klage er-


heben können, können sie nur jene Klagegründe geltend
machen, die gerade dem Schutz der ihnen verliehenen
Befugnisse dienen

- Andere Normen bilden keinen zulässigen Prüfungsmaß-


stab.

5. Klagebefugnis

- Art. 263 AEUv unterscheidet zwischen privilegierten und


nichtprivilligierten Klägern

- Privilegierte Kläger sind ohne weiteres bei Geltendmachung


eines zulässigen Klagegrundes klagebefugt

- Privilegiert sind die Mitgliedstaaten, der Rat und die Kommis-


sion, vgl. Art. 263 II AEUV

8
- Auch das Europäische Parlament und die EZB sind im Gunde
privilegierte Kläger, vgl. Art. 263 III AEUV

- Wegen des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs werden


sie zum Teil aber auch als nur teilprivilegierte Kläger be-
zeichnet

- Natürliche und juristische Personen sind nichtprivilegierte


Kläger

- Gemäß Art. 263 VI AEUV sind sie nur Klagebefugt, wenn

- die von ihnen angegriffene Handlung an sie selbst


gerichtet ist oder

- sie von der von ihnen angegriffenen Handlung un-


mittelbar und individuell betroffen sind oder

- Rechtsakte mit Verordnungscharakter sie unmittel-


bar betroffen und keine Durchführungsmaßnahmen
nach sich ziehen

- Merkmal des Betroffenseins verlangt, dass der Rechtsakt


überhaupt in den Interessenkreis des Einzelnen eingreift und
zumindest ein tatsächliches Aufhebungsinteresse auslöst

- Unmittelbar betroffen von einem Rechtsakt ist der Einzelne,


wenn der Rechtsakt selbst in seinen Interessenkreis eingreift,
ohne dass es dazu einer weiteren Vollzugsmaßnahme bedarf

- Unmittelbar betroffen von einer Handlung, die gegenüber ei-


nem Mitgliedstaat ergangen ist, ist der Einzelne nur dann,
wenn der Mitgliedstaat

- bei rechtmäßiger Ausführung der gegenüber ihm ergan-


genen Handlung gezwungen ist, eine dem Einzelnen
nachteilige Maßnahme zu treffen bzw. günstige Maß-
nahme zu unterlassen, oder aber

- mit großer Wahrscheinlichkeit ohne die Handlung die


nach-teilige Maßnahme unterlassen oder die günstige
Maßnahme getroffen hätte

- Individuell betroffen von einer Handlung ist der Einzelne nur,


wenn er in dem Rechtsakt wegen bestimmter persönlicher
Eigenschaften oder besonderer Umstände in einer Weise in-
dividualisiert ist, die ihn aus dem Kreis der anderen Wirt-

9
schaftsteilnehmer heraushebt und ihn so dem Adressaten ei-
ner Handlung gleichstellt

- Für Rechtsakte mit Verordnungscharakter verzichtet Art. 263


VI Alt. 2 auf die individuelle Betroffenheit und begnügt sich
damit, dass sie den Einzelnen unmittelbar betreffen

- ZurAuslegung des Begriffs „Rechtsakte mit Verord-


nungscharakter"

6. Form und Frist

- Die Kläger müssen formgerecht gemäß Art. 21 S-EuGH und


Art. 38 VerfO-EuGH Klage einreichen

- unterliegen dabei gemäß Art. 263 VI AEUV einer Frist von


zwei Monaten ab

- Bekanntgabe der betreffenden Handlung,

- Mitteilung an den Kläger oder

- sonstiger Kenntniserlangung durch den Kläger.

7. Rechtschutzbedürfnis

- Das Rechtsschutzbedürfnis wird bei Vorliegender übrigen Zu-


lässigkeitsvoraussetzungen grundsätzlich unterstellt

- Lediglich bei Individualklagen wird es geprüft:

- bei ausdrücklicher Rüge seines Nichtbestehens

- odererheblichen Zweifeln an seinem Bestehen

10
- Das Rechtsschutzbedürfnis kann in diesem Falle ausnahms-
weise dann entfallen, wenn der Kläger lediglich die Verlet-
zung solcher Normen rügt, die in keiner Weise mehr seine
rechtlich geschützten Interessen betreffen

- Allerdings kann auch in einem solchen Falle das Rechts-


schutzbedürfnis bestehen

- wegen eventueller Wiederholungsgefahr oder

- In der Vorbereitung einer Schadensersatzklage

II. Begründetheit

- Klage ist begründet, wen sie sich gegen den richtigen Klage-
gegner richtet und die angegriffene Handlung tatsächlich ge-
gen höherrangiges Unionsrecht verstößt

1. Passivlegitimation

- Passivlegitimiert ist das Organ, das tatsächlich die angegrif-


fene Handlung vorgenommen hat

2. Verstoß gegen höherrangiges Unionsrecht

- Der Gerichtshof der Europäischen Union ist berechtigt und


verpflichtet, jeden der in Art. 263 II AEUV genannten Klage-
gründe von Amts wegen aufzugreifen

- Dies gilt jedoch nicht für Klagen des EP, des Rechnungshofs
oder der EZB hinsichtlich unzulässiger Klagegründe

a) Unzuständigkeit

- Absolute Unzuständigkeit setzt voraus, dass der Union für


die angegriffene Handlung die Verbandskompetenz fehlt,
d.h., dass es gar keine Ermächtigungsnorm für diese Maß-
nahme gibt oder dass der Subsidiaritätsgrundsatz bei den
nicht ausschließlichen Kompetenzen (Art. 5 I EUV) nicht be-
achtet wurde.

- Relative Unzuständigkeit setzt voraus, dass dem handelnden


Organ für die Vornahme dieser Maßnahme die Organkompe-
tenz fehlte

- Sachliche Unzuständigkeit setzt voraus, dass sich das han-


delnde Organ einer unzulässigen Handlungsform bedient hat

11
- Räumliche Unzuständigkeit liegt vor, wenn das handelnde
Organ mit seiner Maßnahme den von Art. 52 EUV, Art. 355
AEUV vorgegebenen Geltungsbereich überschreitet

- Im Grunde handelt es sich hierbei um einen Sonderfall


der absoluten Unzuständigkeit, denn für ein Handeln au-
ßerhalb des Geltungsbereiches der Verträge fehlt der
Union bereits die Verbandskompetenz

b) Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift

- Zu den Formvorschriften gehören insb. Alle Regelungen hin-


sichtlich des Verfahrens und der Begründung von Rechtsak-
ten

aa) Verfahrensregelungen

- Die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensregel liegt dann


vor, wenn eine Verfahrensregel beim Erlass eines Rechtsaktes
nicht eingehalten worden ist, bei deren Beachtung das be-
schließende Organ dem Rechtsakt möglicherweise einen an-
deren Inhalt gegeben hätte

- Wenn ein am Rechtsetzungsverfahren zu beteiligendes Organ


nicht in der vorgeschriebenen Weise beteiligt ist, ist der
Rechtsakt stets nichtig

- Gleiche gilt, wenn ein Organ beteiligt wird, deinen Betei-


ligung in dieser Weise nicht vorgesehen ist

- Lediglich die fakultative Anhörung anderer Organe durch


den Rat ist stets erlaubt

- Hinsichtlich der Beschlusserfordernisse liegt stet dann ein


entsprechender Verstoß vor, wenn der Rechtsakt nicht mit
der erforderlichen Mehrheit erlassen worden ist

- Gleiche gilt für die versehentliche Verschärfung der An-


forderungen an den Beschluss eines Rechtsaktes

- Einhaltung eines vermeintlichen Einstimmigkeitserforder-


nisses statt einer Mehrheitsentscheidung ist geeignet,
dem Beschluss möglicherweise einen anderen Inhalt zu
geben

- Rechtsakt wird dann nämlich nur mit einem Inhalt verab-


schiedet, dem alle Ratsmitglieder zustimmen konnten

12
- Solche „Verfehlungen" entstehen insbesondere dann, wen
der Rat den Rechtsakt auf die falsche Ermächtigungsgrund-
lage gestützt hat

bb) Begründung eines Rechtsaktes

- Art. 296 AEUV ist eine wesentliche Formvorschrift

- Eine fehlende oder fehlerhafte Begründung macht den


Rechtsakt dementsprechend nichtig - nicht jedoch eine
lediglich falsche Begründung

- Die Begründung muss insbesondere die gewählte Ermächti-


gungsgrundlage erkennen lassen

- Ist dies erfüllt, die gewählte Ermächtigungsgrundlage als


solche aber falsch, so ist auch die Begründung lediglich
falsch

- Ist dagegen überhaupt nicht erkennbar, auf welche Er-


mächtigungsgrundlage der Rechtsakt gestützt worden
ist, so ist die Begründung fehlerhaft und der Rechtsakt
nichtig

c) Sonstige (materielle) Vertragsverletzung

- Der Nichtigkeitsgrund „Verletzung dieses Vertrags…“ bildet


den Auffangtatbestand

- In weiter Auslegung verweist er auf das gesamte höher-


rangige Unionsrecht, das nicht schon von den anderen
drei Klagegründen erfasst wird

- Davon auszunehmen sind natürlich alle Verstöße gegen un-


wesentliche Formvorschriften, da allenfalls die durch die
Formulierung dieses Nichtigkeitsgrundes erkennbar gewollte
Einschränkung aufgehoben würde

- Zu diesen unwesentlichen Formvorschriften gehört die Wahl


der falschen Ermächtigungsgrundlage, wenn dies keine wei-
teren Folgen auf das Rechtsetzungsverfahren hatte

d) Ermessensmissbrauch

- Der Begriff des Ermessens umfasst hier sowohl die Tatbe-


standsseite (Beurteilungsspielraum) als auch die Rechtsfol-
genseite (Er- messen i.S.d. deutschen Rechts)

13
- Ein Ermessensmissbrauch liegt vor, wenn das Organ mit Mit-
teln des Unionsrechts absichtlich rechtswidrige oder zumin-
dest andere als diejenigen Ziele verfolgt, zu deren Erreichung
die streitige Befugnis übertragen wurde

- Begriff des Ermessensmissbrauchs ist also deutlich enger


gefasst als im deutschen Recht

E. Untätigkeitsklage, Art. 265 AEUV

- Mit der Untätigkeitsklage gemäß Art. 265 AEUV können Uni-


onsorgane, Mitgliedstaaten oder auch einzelne Personen
durch den Gerichtshof der Europäischen Union feststellen
lassen, dass es rechtswidrig gewesen ist, dass ein Unionsor-
gan einen bestimmten Beschluss nicht gefasst hat

- Dieses wäre dann mi Falle der Verurteilung gemäß Art. 266 |I


AEUV verpflichtet, diesen Beschluss zu fassen

- Kläger haben sich allerdings gem. Art. 256 II AEUV vor Anru-
fung des Gerichtshofes zunächst an dieses Organ selbst zu
werden

- Die Untätigkeitsklage ist gegenüber der Nichtigkeitsklage


subsidiär

- Nur zulässig, wenn dem begehren des Klägers nicht aus-


reichend mittels der Nichtigkeitsklage entsprochen wer-
den kann

- So ist auf die Nichtigkeitsklage zurück zu greifen, wenn das


Organ es ausdrücklich ablehnt, den begehrten Beschluss zu
fassen

- Dann ist diese Ablehnung als Handlung iSd. Art. 263


AEUv anzugreifen

- Gem. Art. 266 I AEUv wäre im Falle der Verurteilung das


Organ verpflichtet, den rechtswidrigen abgelehnten Be-
schluss nun doch zu fassen

- Untätigkeitsklage ist lediglich die notwendige Ergänzung


zur Nichtigkeitsklage für die Fälle, in denen von einem
Unionsorgan ein Beschluss begehrt wird und diese je-
doch völlig untätig bleibt

14
- Nichtigkeitsklage würde nämlich in diesem Fall
schon mangels Klagegegenstand scheitern

F. Vorabentscheidungsverfahren, Art. 267 AEUV

I. Zulässigkeit

1. Zuständigkeit

- Zuständig ist gem. Art. 167 I AEUV der Gerichtshof

- Eine Sonderzuweisung an das Gericht ist gem. Art. 256 II


AEUV zwar möglich, bislang aber nicht geplant

2. Vorlageberechtigung

- Vorlageberechtigt ist gem. Art. 267 II AEUV jedes Gericht ei-


nes Mitgliedstaates

- Begriff ist unionseinheitlich autonom auszulegen, d.h. er rich-


tet sich nach den jeweiligen nationalen Definitionen

- Gericht ist ein zur Entscheidung in Rechtsstreitigkeiten beru-


fener Spruchkörper,

- Der Sachlich unabhängig in einem rechtsstaatlich geord-


neten streitigen Verfahren entscheidet

- Dessen Entscheidung nach der Rechtsordnung, des be-


treffenden Mitgliedstaates bindende Kraft zukommt,

- Der nach Recht, nicht nach Billigkeit entscheidet

- Zudem muss dieser Spruchkörper in das innerstaatliche


Rechtsschutzsystem eingebunden sein

- Zuständigkeitsverweisung kraft hoheitlicher Regelung

- Mitwirkung des Staates bei Errichtung des Gerichts und


Ausgestaltung der Verfahrensordnung

- Staatliche Gerichte erfüllen stets diese Voraussetzungen,


nicht dagegen die gem. §§ 1025 ff. ZPO errichtenden
Schiedsgerichte

3. Vorlagegegenstand

- Zulässiger Vorlagegegenstand ist gemäß Art.267| lit.a AEUV


der Vertrag

15
- Darunter fällt über den Wortlaut hinaus nicht nur das ge-
schriebene, sondern das gesamte Primärrecht

- Gemäß Art. 267 I lit. b AEUV ist auch das gesamte Sekundär.
recht zulässiger Vorlagegegenstand

- Welcher Gegenstand vom nationalen Gericht zur Prüfung


durch den EuGH vorgelegt worden ist, ergibt sich aus der
Vorlagefrage

- Da der EuGH nicht die Kompetenz hat, über die Gültig-


keit oder Auslegung von nationalem Recht zu entschei-
den, sind Fragen nach der Vereinbarkeit einer nationalen
Norm mit dem Unionsrecht grundsätzlich unzulässig

- Dennoch sind entsprechende Vorlagen nicht zwin-


gend unzulässig, wenn die Fragen einer Auslegung
zugänglich sind, die ihnen einen zulässigen Inhalt
geben

- So legt der EuGH eine solche Frage meist aus als


Frage nach der Vereinbarkeit einer abstrakt gedach-
ten (nicht konkreten nationalen) Regelung bestimm-
ten Inhalts mit dem Unionsrecht

4. Vorlagebefugnis

a) Vorlagegrund

- Das vorlegende Gericht muss Zweifel über die Auslegung der


vorgelegten primärrechtlichen Norm bzw. über die Auslegung
oder Gültigkeit der vorgelegten sekundärrechtlichen Norm
haben

16
- Zulässiger Prüfungsmaßstab für Gültigkeitsfragen ist iedes
höherrangige Unionsrecht

- Zweifel sind letztlich innere Tatbestandsvoraussetzungen, die


sich nur schwer an objektiven Merkmalen widerspiegeln

- Dies gilt umso mehr, als der Gerichtshof nur sehr geringe
Anforderungen an die Intensität der Zweifel stellt

- Deshalb ist die Behauptung des vorlegenden Gerichts,


Zweifel zu haben, grundsätzlich ausreichend

- Ausnahmen macht der Gerichtshof jedoch, wenn

- die vorzulegende Frage bereits entschieden ist:

- die vom nationalen Gericht gewählte Auslegung kei-


nerlei Raum für vernünftige Zweifel lässt.

- In diesen Fällen besteht weder ein Vorlagerecht noch


eine Vorlagepflicht

b) Entscheidungserheblihckeit

- Zudem muss die Beantwortung der Frage für den Erlass des
Urteils des vorlegenden Gerichts entscheidungserheblich
sein, d.h. die Beantwortung einer Frage muss Einfluss auf
denUrteilstenor (nicht nur auf die Urteilsbegründung) haben

- Die Prüfung, ob die vorgelegte Norm des Unionsrechts für


das nationale Gericht entscheidungserheblich ist, würde auf
die Prüfung des nationalen Rechts hinauslaufen

- Dies ist dem Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfah-


ren aber gerade verwehrt

- Deshalb ist die Behauptung durch das vorlegende Ge-


richt auch diesbezüglich grundsätzlich ausreichend

- Ausnahmen davon macht der Gerichtshof nur, wenn

- zwischen vorgelegter Frage und anhängigem Rechts-


streit ganz offensichtlich kein Zusammenhang besteht,

- Verfahren bereits abgeschlossen ist

- Rechtsstreit offensichtlich nur fingiert war, um die Frage


vorlegen zu können

17
II. Vorlagepflicht

1. Vss. der Vorlagepflicht

- Unter bestimmten Voraussetzungen besteht eine Pflicht zur


Vorlage an den Gerichtshof

- Vorlageverpflichtungsgrund muss vorliegen und vorläge


muss ihrerseits auch zulässig sein

- In dem Fall des Art. 267 I AEUV hat das nationale Gericht
grundsätzlich vor einer eigenen Entscheidung in der Sa-
che das Verfahren auszusetzen und die entsprechende
Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen

- Vorlageverpflichtungsgrund ergibt sich aus Art. 267 III AEUV.

- Ist die Entscheidung eines Gerichts in dieser Sache nicht


mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts an-
fechtbar, so ist dieses Gericht, sofern eine Vorlage zuläs-
sig ist, vorlageverpflichtet

- Nach Rechtsprechung des EuGH und h.M. richtet sich


dies nicht abstrakt nach der jeweiligen Gerichtshierarchie
(höchste Gerichte, abstrakte Betrachtungsweise), son-
dern danach, welches letzte Rechtsmittel im konkreten
Rechtstreit gegeben ist (konkrete Betrachtungsweise)

- Dabei ist das dem einstweiligen Rechtsschutz folgende


Hauptsacheverfahren grundsätzlich noch ein weiteres
Rechtsmittel i.S.d. Art. 267 I AEUV.

- Nicht zu den Rechtsmitteln in diesem Sinne gehört aller-


dings die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde

- Ebenfalls kein weiteres Rechtsmittel i.S.v. Art. 267 I


AEUV ist die Möglichkeit, das Plenum anzurufen

- Ausreichend ist vielmehr, dass sich eine Kammer


des letztinstanzlichen Gerichts mit der Sache be-
fasst hat

- Ungeschriebene Vorlageverpflichtungsgründe ergeben sich


aus dem Auslegungs- und Verwerfungsmonopol des Ge-
richtshofs, das zur Wahrung des Prinzips der Einheit der
Rechtsordnung notwendig ist

18
- So ist unabhängig vom Fall des Art. 267 I AEUV ein na-
tionales Gericht dann zu Vorlage an den Gerichtshof ver-
pflichtet, wenn es in seiner Entscheidung von der Ungül-
tigkeit einer sekundärrechtlichen Norm ausgehen will

- Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren können sich al-


lerdings aufgrund des dringlichen Charakters Modifika-
tionen der Vorlagepflicht ergeben

- Hier ist das Gericht unter gewissen Umständen befugt,


zunächst eine vorläufige Entscheidung unter Zugrunde-
legung der Ungültigkeit der unionsrechtlichen Norm zu
treffen, und erst anschließend (im Hauptsacheverfahren)
dem Gerichtshof die entspre-chende Frage vorzulegen,
wozu es dann aber verpflichtet ist

2. Verstoß gegen die Vorlagepflicht

- Ein Verstoß gegen die Vorlagepflicht stellt eine Vertragsverlet-


zung durch den betreffenden Mitgliedstaat dar

- Sie kann mi Wege des Vertragsverletzungsverfahrens


gemäß Art. 258 AEUV durch die Kommission vor den
Gerichtshof gebracht werden

- Dem Mitgliedstaat wird auch das Verhalten sei- ner Ge-


richte zugerechnet

- Er kann sich nicht mit deren Unabhängigkeit rechtferti-


gen

- Darüber hinaus kann der verstoß gegen die Vorlagepflicht


eine grundgesetzwidrige Entziehung des gesetzlichen Rich-
ters darstellen

- Der Gerichtshof ist gesetzlicher Richter iSd. Art. 101 I S.


2 GG

- Eine entsprechende Verfassungsbeschwerde hat


allerdings nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die
Vorlage an den Gerichtshof willkürlich verweigert
worden ist

G. Amtshaftungsklage, Art. 268 AEUV

- Dei Amtshaftungsklage gemäß Art. 268 AEUV ermöglicht es


jedem Anspruchsberechtigten, seinen Amtshaftungsanspruch

19
aus Art. 340 II, III AEUV gegen die Union prozessual durchzu-
setzen

- Beklagter ist in diesem Verfahren die Union, der das rechts-


widrige Verhalten zuzurechnen ist, vertreten durch das Organ,
das gehandelt hat

20
Sonntag, 18. Dezember 2022

Europarecht

Amtshaftung der Union

I. Allgemeines

- In der EU haften alle Hoheitsträger für die Schäden, die dem


Einzelnen aus den unionsrechtswidrigen Handlungen ihrer
Organe entstehen

- In der unionsrechtlichen Amtshaftpflicht stehen damit


sowohl die Union als auch die Mitgliedsstaaten

- Rechtsgrundlagen der unionsrechtlichen Amtshaftung sind


im AEUV nur ansatzweise in Art. 340 II,Ill und 268 AEUV vor-
handen

- Sie wurden durch den Rückgriff auf die allgemeinen


Rechtsgrundsätze ergänzt

- Zunächst hatte der Gerichtshof Gelegenheit, die Vorausset-


zungen der Amtshaftung der Union zu entwickeln

- Diese Grundsätze zog er dann auch heran, als er über


die Haftung der Mitgliedstaaten zu befinden hatte

- So schuf er ein kohärentes System unionsrechtlicher


Amtshaftung

II. Amtshaftung der Union

- Die unionsrechtliche Amtshaftung der Union für das Verhalten


ihrer Organe und Bediensteten wird in Art. 340 I AEUV als au-
ßervertragliche Haftung im Grundsatz anerkannt

- Hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen verweist diese


Norm ausdrücklich auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze,
die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam
sind

1. Aktiv- und Passivlegitimation

- Haftungsberechtigter kann jede natürliche oder juristische


Person sein

1
- Dies gilt auch für die Mitgliedstaaten im fiskalischen Be-
reich

- Haftungspflichtiger kann nur die Europäische Union sein

- Die Organe haften nicht selbst

2. Anspruchsbegründung

- Nach bisherigem Stand der Rechtsprechung ist ein Anspruch


des Einzelnen gegen die Union begründet,

- wenn ein Organ oder Bediensteter der Union in Aus-


übung seiner Amtstätigkeit gehandelt hat,

- wenn diese Handlung in haftungsauslösender Weise


rechtswidrig war und

- wenn dem Einzelnen ein ersatzfähiger Schaden entstan-


den ist,

- Der kausal aus dem Verhalten des Organs bzw. Bediens-


teten resultiert

a) Amtstätigkeit

- Zu den Handlungen in Ausübung der Amtstätigkeit gehört


jedes Tun oder Unterlassen, das sich aufgrund einer inneren
Beziehung notwendig aus den Aufgaben der Organe ergibt
und dabei nicht nur eine Hilfstätigkeit darstellt

- Nachdem der Gerichtshof darunter zunächst nur administra-


tives Handeln fasste, hat er später die Haftung auch auf nor-
matives Handeln erstreckt

b) Haftungsauslösende Rechtswidrigkeit

- Grundsätzlich ist jede Verletzung einer zumindest auch den


Individualinteressen dienenden Norm geeignet, die Amtshaf-
tung auszulösen

- An die Amtshaftung für den rechtswidrigen Erlass einer


Rechtsvorschrift. welche wirtschaftspolitische Entscheidun-
gen voraussetzt, stellt der Gerichtshof jedoch höhere Anfor-
derungen

- ergibt sich aus der wertenden Rechtsvergleichung der


nationalen Haftungsgrundsätze, nach denen „Rechtsvor-
schriften, die Ergebnis wirtschaftspolitischer Entschei-

2
dungen sind, die -Haftung der öffentlichen Gewalt nur
ausnahmsweise und unter besonderen Umständen nach
sich ziehen

- Diese einschränkende Auffassung beruht dabei auf der


Erwägung, dass die gesetzgebende Gewalt selbst dann,
wenn ihre Handlungen richterlicher Kontrolle unterworfen
sind, bei ihrer Willensbildung nicht jedes Mal durch die
Möglichkeit von Schadensersatzklagen behindert wer-
den darf, wenn sie Anlass hat, im Allgemeininteresse
Rechstnormen zu erlassen, welche die Interessen der
Einzelnen berühren können

- Amtshaftung für eine Rechtsvorschrift, deren Erlass wirt-


schaftspolitische Entscheidungen voraussetzt, kann deshalb
nur durch die

- Hinreichend qualifizierte Verletzung

- Einer höherrangigen, den Einzelnen schützenden


Rechtsnorm ausgelöst werden

c) Ersatzfähiger Schaden

- Ersatzfähig ist grundsätzlich jeder auf der Amtstätigkeit beru-


hende, reale materielle oder immaterielle Schaden

- Der Schaden muss bereits eingetreten sein oder mit ausrei-


chender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein

- Die Amtshaftung für eine Rechtsvorschrift, deren Erlass wirt-


schaftspolitische Entscheidungen voraussetzt, setzt darüber
hinaus voraus, dass der behauptete Schaden über die Gren-
zen der normalen wirtschaftlichen Risiken hinausgeht, die
eine Bestätigung in dem betreffenden Wirtschaftszweig mit
sich bringt.

d) Kausalität

- Schadenseintritt muss zudem adäquat-kausal auf der Ver-let-


zungshandlung beruhen

3. Anspruchsausfüllung

- Zur Anspruchsausfüllung wird in erster Linie die Schadens-


höhe herangezogen

3
- Sie wird durch Erstellen einer Differenzhypothese ermit-
telt, wobei auch ein etwaiger entgangener Gewinn be-
rücksichtigt wird

- Auch Zinsen werden ab dem Tag des Urteils in diese


Rechnung eingestellt

- Anspruchsmindernd findet aber auch ein etwaiges Mitver-


schulden des Geschädigten entsprechende Berücksichtigung

4. Durchsetzung des Amtshaftungsanspruchs

- Zur gerichtlichen Durchsetzung eines Amtshaftungsan-


spruchs gegen die Union stellt Art. 268 AEUV den Unions-
rechtsweg zur Verfügung

- Der Anspruch verjährt gemäß Art. 46 S-EuGH in fünf Jahren


nach Eintritt aller anspruchsbegründenden Voraussetzungen.

- Der Gerichtshof behandelt diesen Aspekt i.R.d. Zulässigkeit


als von Amts wegen zu beachtende Klagefrist

III. Amtshaftung der Mitgliedsstaaten

1. Grundsatz der Staatshaftung

- Der EuGH hat die unionsrechtliche Amtshaftung auch auf das


Handeln der Mitgliedstaaten erstreckt (Staatshaftung)

- Die Rechtsgrundlage hierfür sieht der Gerichtshof zum einen


im Prinzip der Unionstreue, wonach die Mitgliedstaaten ver-
pflichtet sind, die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu ge-
währleisten und die Rechte zu schützen, die das Unionsrecht
dem Einzelnen verleiht

- Der Grundsatz der unionsrechtlichen Amtshaftung der Mit-


gliedstaaten findet zudem eine Stütze im Wortlaut des Art.
291 l AEUV, wonach die Mitgliedstaaten alle geeigneten
Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung
der Verpflichtungen aus dem Unionsrecht zu treffen haben.

2. Voraussetzungen der Staatshaftung

- Die Voraussetzungen, unter denen die Haftung des Staates


einen Entschädigungsanspruch eröffnet, hängen in erster Li-
nievon der Art des Verstoßes gegen das Unionsrecht ab, der
dem verursachten Schaden zugrunde liegt

4
- Dabei sind zum einen die Rechtsgrundlagen der unions-
rechtlichen Staatshaftung zu berücksichtigen

- Zum anderen sind die Grundsätze der außervertraglichen


Haftung der Union heranzuziehen

- Dort hat sich der Gerichtshof - durch den Verweis in Art.


340 I AEUV- von den Rechtsordnungen der Mitgliedstaa-
ten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätzen leiten
lassen

- Auch hier muss er mangels schriftlicher Normen darauf


zurückgreifen

- Zudem ist kein sachlicher Grund erkennbar, für die Haf-


tung der Mitgliedsstaaten andere Voraussetzungen fest-
zulegen als für die unionsrechtliche Amtshaftung der
Union

- Allgemein erkennt das Unionsrecht einen Entschädigungsan-


spruch wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht an, wenn

- die verletzte Rechtsnorm bezweckt, dem Einzelnen


Rechte zu verleihen

- der Verstoß hinreichend qualifiziert, dh.. „offenkundig


und erheblich“ ist und

- Diese für den Schaden unmittelbar kausal war

- Verstößt ein Mitgliedsstaat gegen die Pflicht zur Umsetzung


von Richtlinien gem. Art. 288 III AEUV iVm. Art. 291 AEUV, so
setzt ein Entschädigungsanspruch voraus, dass

- Die Richtlinie auf die Verleihung von Rechten an Einzelne


abzielt und deren Inhalt bestimmbar ist

- der Verstoß gegen die Umsetzungspflicht hinreichend


qualifiziert ist und

- ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem


Ve.r stoß und dem eingetretenen Schaden besteht

- Die völlige Nichtumsetzung einer Richtlinie stellt stets eine


hinreichend qualifizierte Verletzung der Umsetzungspflicht
dar

5
- Trifft nämlich ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die
Umsetzungspflicht innerhalb der in einer Richtlinie fest-
gesetzten Frist keinerlei Maßnahmen, obwohl dies zur
Erreichung des durch die Richtlinie vorgeschriebenen
Zieles erforderlich wäre, so überschreitet er offenkundig
und erheblich die Grenzen, die der Ausübung seiner Be-
fugnisse gesetzt sind

- Bei lediglich fehlerhafter Umsetzung einer Richtlinie


durch den Mitgliedstaat wird es dagegen vom Einzelfall
abhängen, ob red Umsetzungsfehler einen hinreichend
qualifizierten Verstoß darstellt

- Damit besteht eine abschließende Regelung der anspruchs-


begründenden Voraussetzungen eines Anspruchs auf Staats-
haftung

- Dieser Anspruch steht selbstständig neben etwaigen mi


nationalen Recht begründeten Ansprüchen und lässt
diese unberührt

3. Vollzug des Staatshaftungsanspruchs

- Sind die Voraussetzungen der Anspruchsbegründung erfüllt,


so hat der Staat die Folgen des verursachten Schadens im
Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben

- Soweit das Unionsrecht keine Regelung trifft, wenden die


Mitgliedsstaaten beim Vollzug dieses Staatshaftungsan-
spruchs ihr eigenes Prozessrecht an und bestimmen nach
nationalem Haftungsrecht die formalen und materiellen Vor-
aussetzungen

- Sie haben dabei jedoch diejenigen Vorgaben des Unions-


rechts zu beachten, die notwendig sind, damit die Wirksam-
keit und Einheitlichkeit der Anwendung des Unionsrechts si-
chergestellt bleibt

- Es sind dies jene Vorgaben, die die Mitgliedstaaten auch


generell beim Vollzug des Unionsrechts zu beachten ha-
ben:

- Die im Schadensersatzrecht der einzelnen Mitglied-


staaten festgelegten materiellen und formellen Vor-
aussetzungen dürfen nicht ungünstiger sein als bei

6
ähnlichen Klagen, die nur nationales Recht betreffen
(Diskriminierungsverbot)

- Zudem dürfen diese Anspruchsvoraussetzungen


nicht so ausgestaltet sein, dass sie es praktisch
unmöglich machen oder übermäßig erschweren, die
Entschädigung zu erlangen (Effizienzgebot)

4. Einordnung des Staatshaftungsanspruchs in das deutsche


Amtshaftungsrecht

- dogmatische Einordnung des unionsrechtlichen Staatshaf-


tungsanspruchs in das deutsche Amtshaftungsrecht ist um-
stritten

- Nach einer Auffassung sind auf den unionsrechtlichen


Staatshaftungsanspruch die Tatbestandsvoraussetzungen
des nationalen Haftungsrechts in unionsrechtskonformer
Auslegung anzuwenden

- bedeutet, dass die anspruchsbegründenden Vorausset-


zungen des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG so ausgelegt
werden müssen, dass sie zumindest mi Ergebnis exakt
den unionsrechtlichen Voraussetzungen an die An-
spruchsbegründung entsprechen

- Hinsichtlich der übrigen Haftungsvoraussetzungen gel-


ten die allgemeinen unionsrechtlichen Vollzugsvorgaben
(Effizienzgebot und Diskriminierungsverbot)

- Das Gleiche gilt für die Regelungen der prozessualen


Durchsetzung des Anspruchs.

- Anspruchsgrundlage des unionsrechtlichen Staatshaf-


tungsanspruchs sind nach dieser Auffassung also § 839
BGB i.V.m Art. 34 GG - freilich in unionskonformer Aus-
legung.

- Nach anderer Auffassung sind hinsichtlich der Anspruchsbe-


gründung direkt diejenigen Tatbestandsvoraussetzungen an-
zuwenden, die sich aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen
des Unionsrechts ergeben

- Insoweit enthält das Unionsrecht nämlich eine abschlie-


ßende Regelung, die die Anwendung der anspruchsbe-

7
gründenden Voraussetzungen nationaler Amtshaftungs-
ansprüche (vollständig) verdrängt

- Die übrigen Haftungsvoraussetzungen werden mangels ab-


schließender unionsrechtlicher Regelung grundsätzlich nicht
verdrängt

- Es gelten hier also die allgemeinen unionsrechtlichen


Vollzugsvorgaben.

- Auch die Verjährung richtet sich allein nach nationalem


Recht

- Das Gleiche gilt für die Regelungen der prozessualen


Durchsetzung des Anspruchs.

- Anspruchsgrundlage des unionsrechtlichen Staathaf-


tungsanspruchs sind nach dieser Auffassung also die
allgemeinen Rechtsgrundsätze des Unionsrechts i.V.m. §
839 BGB und Art. 34 GG

- Der BGH hat die Entscheidung darüber, welcher Auffassung


zu folgen sei, bisher ausdrücklich offengelassen

- Und auch die Rechtsprechung des EuGH ergibt kein kla-


res Ergebnis dazu

- Letztlich dürften aber ohnehin beide Auffassungen stets


zum selben Ergebnis kommen, sodass die Entscheidung
darüber dahingestellt bleiben kann

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